Klötzer Arztpraxis bietet Patienten zusätzlichen Service Schwester "Verah" macht Hausbesuche als Hilfsdoktor
"Verah" heißt ein Angebot in manchen Hausarztpraxen. Die Schwestern besuchen die Patienten zu Hause. Sie entlasten die Ärzte, indem sie viele Aufgaben beim Patienten übernehmen, für die sonst extra ein Arztbesuch notwendig wäre.
Klötze. "Wuff" machte es an der Tür von Elsbeth Ries. Hund Maxi war aufgeregt. Vor der Tür standen Veronika Lampe und ihre Kollegin Heidrun Jäger. Die Schwestern aus der Praxis von Dr. Birgit Henneick machen Hausbesuche.
Und darüber ist Elsbeth Ries froh. Sie ist 92 Jahre alt. Ihre Wohnung ist ordentlich und sehr gepflegt. Aber der Gang in die Praxis an der Schützenstraße sei ihr zu beschwerlich. "Das wär ein weiter Weg und mit dem Rollator sehr schwierig", erzählte sie.
"Ich habe sehr viele alte Patienten", sagte Birgit Henneick. Für viele ist es nahezu unmöglich, zu ihr nach Klötze in die Sprechstunde zu kommen. Sie kommen häufig aus den umliegenden Dörfern. "Wie soll denn eine 100-Jährige mit dem Bus hierher kommen? Das geht gar nicht."
Früher hat sie die Hausbesuche fast alle alleine gemacht. "Ich bin fast rund um die Uhr gefahren", sagte Birgit Henneick. Ein Arbeitstag inklusive Papierkram endete nicht selten nach Mitternacht. Ein paar Besuche nahmen ihr zwar auch die Schwestern ab. Doch alles auf ihre Verantwortung, erklärte die Ärztin.
Jetzt helfen ihr Veronika Lampe und Heidrun Jäger. Sie übernehmen einige Routineuntersuchungen, für die sonst ein Arzt zuständig wäre. "Verah" heißt das Programm. Das steht für Versorgungsassistentin in der Hausarztpraxis.
Die beiden Schwestern fahren zu den Patienten nach Hause. Sie messen Blutdruck und Blutzuckerwerte. Sie schätzen zudem den allgemeinen Gesundheitszustand ein. Bei den Medikamenten müssen die Schwestern häufig einen Blick drauf werfen. "Denn die Verpackungen oder Hersteller wechseln häufig. Das ist sehr schlecht für die alten Leute", erklärte Heidrun Jäger. Manchmal vergessen diese dann die Einnahme. Heidrun Jäger und ihre Kollegin dürfen auch Wunden versorgen und sogar spritzen - "auf ärztliche Anordnung", ergänzte Birgit Henneick.
Seit Oktober werde dies in ihrer Praxis angeboten. Die "Verah" erinnere sehr an die "Schwester Agnes" - die Gemeindeschwester zu Zeiten der DDR. Allerdings hätte diese noch mehr Eigenständigkeit gehabt.
"Uns kann also nichts erschüttern"
In der Einheitsgemeinde Klötze hat auch die Gemeinschaftspraxis von Dr. Karsten und Dr. Kathrin Stuhec eine "Verah". Dort übernimmt dies Steffi Mai-Renner. "Sie macht im Monat etwa 50 Besuche und ist eine ungeheure Entlastung", sagte Kathrin Stuhec.
Die "Verah" soll auch ein Mittel gegen den Ärztemangel in Flächenländern wie Sachsen-Anhalt sein. "Normalerweise müsste ich noch einen Arzt in der Praxis haben", erläuterte Birgit Henneick. "Aber ich finde keinen."
Das Angebot ist aber nicht nur für die Ärzte eine Entlastung. "Für die Krankenkassen wird es etwas billiger", erklärte Birgit Henneick. Wenn die Ärztin zu einem Patienten fahre, koste dies zwischen 22 und 25 Euro, für die mobilen Schwestern seien es lediglich 15 Euro.
Mehrere Fortbildungen mussten Veronika Lampe und Heidrung Jäger mitmachen. "Beide sind ausgebildete Krankenschwestern und seit 35 Jahren im Beruf."
"Uns kann also nichts erschüttern", sagte Veronika Lampe. Etwa 80 Stunden dauerte die Zusatzausbildung. Einiges wie die Krankheitsbilder war wichtige Wiederholung, anderes wie die Sozialversicherungsleistungen nützliches neues Wissen. Und es sei schön, mehr Verantwortung zu haben.
Für manche Patienten sei es anfangs etwas ungewohnt gewesen. "Kommt heute Frau Doktor nicht?", wollten sie wissen. Doch Akzeptanzprobleme habe es nur vereinzelt gegeben und nur bei Angehörigen, sagte Birgit Henneick. "Aber ich kann mich 100-prozentig auf meine ganze Crew verlassen", stellte sie klar.
Und das merken auch ihre Mitarbeiterinnen. "Das Vertrauen der Chefin ist ein schönes Gefühl", sagte Heidrun Jäger. Und fügte hinzu: "Es macht Spaß, wenn man so ein Hilfsdoktor ist." Denn so habe sie ein Patient genannt.