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Sorgen um Bach Keine Spur von Edelkrebs und Elritze

Einen ganzen Abend widmete der Tangelner Förderverein dem Bach, der durch die Gemarkung fließt. Drei Experten beleuchteten den Zustand.

Von Walter Mogk 29.09.2019, 21:00

Tangeln l Der Tangelnsche Bach, der an ihrem Dorf vorbeifließt, liegt den Tangelnern am Herzen. Das beweist die große Resonanz auf den Infoabend, den der Förderverein auf Initiative von Jürgen Friedrichs zu den Perspektiven des Gewässers veranstaltete. Kaum ein Platz blieb im Dorfgemeinschaftshaus frei, als der Beetzendorfer Hans-Joachim Richter zunächst einen historischen Abriss des zirka 15 Kilometer langen Gewässers gab. Das sei vor allem durch sein Quellgebiet, den sogenannten Taufkessel bei Mellin, bekannt geworden, wo der Sage nach der heilige Bonifazius heidnische Sachsen getauft haben soll.

Für Richter steht fest: „Dem Bach ging es schon einmal besser.“ Die Vielfalt an Fischarten in dem Gewässer, das zu früheren Zeiten auch Abberau (germanisch für „fließend“) genannt wurde, sei zurückgegangen, wenn auch nicht so stark wie in der Jeetze. So war hier früher die Elritze zu Hause, die gar nicht mehr zu finden ist. Auch die Bachschmerle, ein karpfenartiger Bodenfisch, ist äußerst selten geworden. Dafür dominiert inzwischen der Dreistachlige Stichling. „Und es gibt Arten, die zugewandert sind, weil sie in der Jeetze keine Nahrung mehr finden“, berichtete Richter.

Noch 1955 seien 21 Bach- und vier Meerforellen im Tangelnschen Bach nachgewiesen worden, die unter anderem im Taufkessel laichten. „Das wurde immer weniger, weil die Wasserqualität schlechter wurde“, so Richter. Die verschlechterte Durchlässigkeit des Gewässers durch den Bau von Stauen und die Melioration zu DDR-Zeiten, bei der ein Bachabschnitt südlich von Tangeln zwecks besserer landwirtschaftlicher Nutzung begradigt wurde, taten ein Übriges. Auch das Verschwinden einiger Zooindikatoren zeige, dass die Artenvielfalt im Gewässer zurückgegangen ist. So seien keine Brutplätze der Wasseramsel mehr entdeckt worden und auch Waldwasserläufer, Kiebitz und Großer Brachvogel, die früher zahlreich am Tangelnschen Bach zu sehen gewesen seien, suche man heute vergebens, machte Richter deutlich.

Über den Stand der Umsetzung der geltenden Wasserrahmenrichtlinie und die Aufgaben des Unterhaltungsverbandes Jeetze berichtete dessen Geschäftsführer Karsten Heinecke. Zirka sieben Kilometer Bachlauf, vor allem im Beetzendorfer Bruch, seien in einem naturnahen Zustand. An anderen Stellen habe man Hindernisse für Wanderfische, wie etwa einen Stau bei Tangeln, beseitigt und eine Laichstrecke mit Störsteinen eingebaut, um eine Übersandung des Kiesbettes im Bach zu verhindern.

Aufgabe des Verbandes sei es, den ordnungsgemäßen Abfluss im Gewässer sicherzustellen. Pflege und Entwicklung seien dagegen keine eigenständigen Ziele, würden aber „so viel wie möglich“ berücksichtigt, wobei immer unterschiedliche Interessenlagen unter einen Hut zu bringen seien. Probleme gebe es durch Windbruch, Schad-tiere wie Nutrias sowie illegale Furten und Viehtränken am Gewässer, so Heinecke.

Ralf Knapp, langjähriger ehrenamtlicher Kreisnaturschutzbeauftragter, sprach sich für ein umfassendes Renaturierungsprogramm am Tangelnschen Bach aus. So müsse man über eine Wiederansiedlung des früher häufig vorkommenden Edelkrebses und der Elritze nachdenken. Auch die ökologische Durchlässigkeit lasse zu wünschen übrig und sei beispielsweise im Bereich der Tangelner Fischzucht gestört. Konsequenz: Diese müsse so umgestaltet werden, dass ein Aufstieg der Fische technisch möglich ist.

Der Mineralienreichtum des Baches deute auf eine Einleitung hin, die aber noch nicht lokalisiert worden sei. Zudem gebe es einen erhöhten Bestand an Fadenalgen, was ein Indikator für Nährstoffbelastung, etwa durch Phosphor, ist. Die intensive Landwirtschaft habe außerdem zu einer Versandung des Bachbetts geführt, das früher durch Kies geprägt war und dadurch mehr Kleinlebewesen ein Zuhause bot. „Hier gilt es zu renaturieren, was natürlich nur mit Fördermitteln geht“, so Knapp. Wenn man die Nahrungsstruktur im Gewässer verbessere, gelinge vielleicht auch die Wiederansiedlung von Arten wie der Wasseramsel, die Insekten tauchend aus dem Bach holt und sehr hohe Ansprüche an die Wasserqualität stellt.

Der Naturschutzbeauftragte, der selbst in Tangeln wohnt, sprach sich auch für eine stärker extensiv ausgerichtete Gewässerunterhaltung und eine größere Eigendynamik des Baches aus, der durch den Einsatz schwerer Technik an einigen Stellen seine früheren Windungen verloren hat. Auch solle man beispielsweise die Wurzelteller umgestürzter Bäume nicht wegräumen, sondern senkrecht stehen lassen, da diese als Bruthöhlen für den selten gewordenen Eisvogel dienten.