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LadendiebstahlUnrühmlicher Vizemeister

Wird in Magdeburger Geschäften mehr gestohlen als anderenorts? Eine Studie vermittelt diesen Eindruck.

Von Katja Tessnow 20.12.2015, 00:01

Magdeburg l Mehr als 2700 Ladendiebstähle wurden im Jahr 2014 in Magdeburg angezeigt (die Statistik 2015 liegt noch nicht vor). Auf 100 000 Elbestädter entfielen 2014 genau 1185 angezeigte Ladendiebstähle. Für dieses Ergebnis einer in dieser Woche veröffentlichten Studie im Auftrag des Online-Modeportals fashionlane.de bekam die Landeshauptstadt eine gänzlich ruhmlose Silbermedaille verliehen. Nur in Dortmund fiel die Quote mit 1193 Delikten je 100 000 Einwohner noch höher aus. Auf dem Bronzeplatz der Negativliste landete Leipzig. Die alljährlich vorgelegte Erhebung auf Basis der Polizeistatistiken der Länder drückt allen drei Spitzenreitern und den Platzierten bis Rang 24 – darunter auf Platz 15 auch Halle – den Stempel „Ladendiebstahl-Hochburg“ auf. Im Vorjahr hielt Magdeburg sogar als Spitzenreiter in diesem Negativranking her.

Welche Aussagekraft haben die Studienergebnisse? Keine sonderlich große, sagt sinngemäß und auf Nachfrage Polizeisprecherin Beatrix Mertens und nennt die Erhebung „eher problematisch“. Zwar stimmten im Wesentlichen die beim Vergleich zugrunde gelegten Zahlen, allerdings: „Nur auf die Anzahl der registrierten Straftaten abzustellen, führt zu einem falschen Bild.“ Sie spiegelten nur das „Hellfeld“ im Bereich der Ladendiebstähle wider; die Dunkelziffer wird als weit höher erachtet. Aus Sicht der Polizei spricht die hohe Zahl der in Magdeburg angezeigten Delikte eher für eine gute Geschäftsüberwachung etwa mit Ladendetektiven und Kameras. Daneben verweist Mertens darauf, dass Magdeburg eine Stadt mit einer überproportional hohen Quadratmeterzahl an Verkaufsfläche pro Einwohner sei. Mehr Geschäfte, mehr Ladendiebe, so die Polizeilogik.

Wird ein Ladendiebstahl bei der Polizei angezeigt, wird der Täter in der Regel gleich mitgeliefert. Der Umstand erklärt die stattlichen Aufklärungsquoten von über 90 Prozent. Was sich „im Dunkeln“ abspielt, stellen Geschäfte erst rückwirkend mit der jährlichen Inventur fest. Der deutsche Einzelhandel gibt den Schaden mit rund 4 Milliarden Euro jährlich an; die Polizei hingegen geht von „nur“ rund 27 Millionen Euro aus.

Der Geschäftsführer der Magdeburger Karstadt-Filiale, Rolf Lay, kann sich den wiederkehrenden Spitzenplatz der Stadt im Ranking nicht erklären. „Wir können den Eindruck nicht bestätigen, dass in Magdeburg mehr gestohlen würde als anderswo. Im Vergleich zu Filialen im ganzen Bundesgebiet wird bei uns nicht mehr und nicht weniger gestohlen.“ Die Einbußen bewegten sich gemessen am Gesamtumsatz prozentual in einem „kleinen einstelligen Bereich“, konstatiert Lay gelassen. „Das ist nicht schön, aber leider völlig normal.“ In Sachen Sicherung tue man, was man kann, könne Diebstahl aber niemals ganz verhindern, so Lay. „Vom Schüler bis zur Omi“ sei im Täterkreis alles vertreten. „Ladendiebstahl hat nichts mit Herkunft, Alter oder sozialer Stellung zu tun.“

Eine etwas andere Sicht auf die Studienergebnisse hat Arno Frommhagen, Sprecher der Interessengemeinschaft (IG) Innenstadt. „Das sind schon erschreckende Zahlen, und sie sagen etwas über den Sozialstandard in unserem Bundesland aus.“ Der Handel habe begrenzte Möglichkeiten, dagegen vorzugehen. „Die Filialen großer Ketten sind in Sachen Diebstahlschutz sehr gut aufgestellt. Für den kleinen Einzelhändler ist das schwieriger und ein erheblicher Kostenfaktor.“ Hinzu komme, so Frommhagen, eine Ausdünnung des Personals nach Einführung des Mindestlohnes. „Abends ist oft nur eine Verkäuferin im Laden.“ Frommhagen appelliert an die ehrliche Kundschaft, das Personal zu informieren, wenn ein Diebstahl beobachtet wird. „Ich habe es auch schon mal gesehen und natürlich gemeldet.“ Speziell unter jungen Leuten gelte Ladendiebstahl als Kavaliersdelikt. Die Zeche zahle der ehrliche Kunde mit.

Wird ein Ladendieb das erste Mal erwischt und liegt der Wert des Diebesgutes unter 50 Euro, wird das Verfahren in der Regel gegen Zahlung einer Geldbuße eingestellt. Unbelehrbaren Langfingern droht das Strafgesetzbuch mit Haft von bis zu fünf Jahren.