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Seltsame Mauern Rätsel im Magdeburger Herrenkrug

Nach dem Aufruf, Hinweise zu den „mysteriösen Mauern“ nördlich des Herrenkrug-Parks zu geben, meldeten sich zahlreiche Volksstimme-Leser.

Von Stefan Harter 05.02.2017, 07:30

Magdeburg l Die Theorien sind weiter vielfältig, ein eindeutiger Beleg steht aber noch aus. Mathias Luther hatte die Reihen von quadratischen Vertiefungen gut zwei Kilometer nördlich der Grenze des Herrenkrug-Parks entdeckt und konnte sich zunächst keinen Reim darauf machen. Diverse Theorien sammelte er in Eigeninitiative. Der beste Hinweis war der Eintrag eines ehemaligen russischen Soldaten in einem Internet-Forum, der von einem Sommerlager der Sowjet-Truppen zu DDR-Zeiten berichtete. Ein handfester Beleg steht aber noch aus. Mehrere Volksstimme-Leser meldeten sich nun auf einen Aufruf am vergangenen Sonnabend.

Marcus Bursian meldete sich am Redaktionstelefon. Er erzählt, dass er in den 1980er Jahren in dieser Gegend viel gespielt und dort nie Truppen gesehen habe. Außerdem seien die Mauern viel zu gerade für ein Bauwerk aus russischer Hand, meint er. Er erinnert sich auch, dass man nach Hochwasser in den Fundamenten wunderbar Fische fangen konnte.

Ebenfalls telefonisch gab Horst Klopstein seine Erinnerungen durch. Auch er verweist auf die zu geraden Mauern, die gegen die Sowjet-Theorie sprechen. „So haben die ja nie gebaut, da kann keine Rede von sein“, sagt der 90-Jährige. Als Kriegsveteran erinnere er sich, dass dort in der Tat Abwehrstellungen gewesen seien. „Da hat die schwere Flak gelegen“, meint er.

Uwe Elzholz kann zwar nicht sagen, um was es sich bei den Mauern handelt oder wann sie erbaut worden sind. Er will aber einen Beleg dafür haben, dass die Theorien von einer Flak-Stellung aus dem Zweiten Weltkrieg oder auch Pulvermagazinen aus der Festungszeit ausscheiden. Auf einer Luftaufnahme der US-Luftstreitkräfte vom April 1945 sind die Anlagen nicht zu sehen, sagt er.

„Insofern dürften Pulvermagazine aus dem 19. Jahrhundert – ohnehin viel zu dicht beieinander, schon aus Sicherheitsgründen – und Flak-Stellungen als mögliche Varianten ausscheiden. Eine solche hätte für mein Verständnis nur westlich des Industriegebietes Rothensee Sinn gemacht, da ja die Bomber aus westlicher Richtung kamen. Ich vermute auch ehemalige Gewächshausanlagen“, schreibt er.

Jan Schwarzberg ist von der Lager-Theorie überzeugt und liefert dafür einige schlüssige Hinweise. Zunächst nimmt er aber die anderen Vermutungen auseinander: „Gewächshäuser im Flutgebiet, weitab von einem Ort, schließe ich aus, eine Flakstellung sieht vollkommen anders aus und ein Pulver- oder Munitionslager macht im Flutgebiet auch keinen Sinn. Mit dem genannten Pulverlager ist wohl eine ehemalige Munitionsanstalt gemeint, die sich 3 Kilometer nordöstlich befindet.

Die Mauerreste stammen mit ziemlicher Sicherheit aus den Jahren 1945/46. Bei Kriegsende stand für die Kommandeure der Besatzungstruppen ein großes Problem im Raum: Wohin mit Tausenden Soldaten? Die Städte waren häufig zerstört und mit Flüchtlingen überfüllt. Die vorhandenen Kasernen waren noch in Nutzung als Flüchtlingsheim, Lazarett oder meistens als Sammellager für ,Displaced Persons‘ (ehemalige Zwangsarbeiter, Häftlinge oder KZ-Insassen).

Das sowjetische Oberkommando entschied sich, Behelfskasernen, sogenannte Waldlager, anzulegen. Allein in Brandenburg sind mittlerweile ca. 50 solcher Anlagen bekannt. Diese Lager bestanden meistens aus Zelten und Blockhäusern und waren zumindest teilweise mit Elektroversorgung ausgestattet. Sie lagen abseits der Ortschaften. Von diesen Lagern rückten die Soldaten nach und nach in die ehemaligen deutschen Kasernen ein oder wurden in die Sowjetunion zurückgeführt.

Dieser Prozess war ca. Mitte bis Ende 1946 abgeschlossen und die Behelfskasernen wurden aufgegeben und verfielen, bzw. wurden von Anwohnern umliegender Orte ,zurückgebaut‘. Hier handelt es sich um ein offensichtlich noch sehr gut erhaltenes ,Waldlager‘.

Die Gruben muss man sich als je zwei Doppelreihen halb in die Erde gebauter Blockhäuser vorstellen, eine in vielen Gegenden Russlands typische Bauweise. Es ist möglich, dass diese Gebäude auch noch nach 1945/46 zeitweise als Truppenlager durch die sowjetischen Truppen genutzt wurden. Auf Luftbildern sieht man noch viele Stellungen, die vom Übungsbetrieb der Truppen bis 1992 in diesem Gebiet zeugen.

Die Aktenlage zu diesen Behelfskasernen ist sehr dünn, entsprechende Anweisungen und Befehle gingen nicht an deutsche Behörden und befinden sich demzufolge vermutlich in irgendwelchen russischen Archiven.“

Tom Werder aus Calbe berichtet von seinen Kindheitserinnerungen: „In den 1980er Jahren waren wir Dauercamper in Gerwisch. Als Kind war ich öfters im Herrenkrug unterwegs. Im Sommer waren dort regelmäßig Pioniertruppen der russischen Armee im Sommerlager stationiert. Als Kind war ich dort mehrmals. Die viereckigen Mauern wurden mit Zelten überbaut und dienten als Schlafmöglichkeit für die einfachen russischen Soldaten.“

Haben Sie noch weitere Erinnerungen? Kennen Sie vielleicht einen ehemaligen Soldaten der Sowjettruppen aus dieser Zeit? Wir freuen uns über weitere Hinweise und vor allem Fotos unter stefan.harter@volksstimme.de oder Tel. 0391/5999232.