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Hohe Dunkelziffer / Immer mehr ältere Suchtkranke / Neues Angebot am Olvenstedter Klinikum Alkohol ist in Magdeburg weiter Droge Nummer eins

Von Peter Ließmann 19.12.2012, 02:22

Alkohol ist auch weiterhin die "Droge Nummer eins" in Magdeburg. Jährlich werden im Klinikum Magdeburg rund 2000 Suchtkranke behandelt. Tendenz steigend. Und die Dunkelziffer ist deutlich höher.

Magdeburg l Dr. Wolfgang Jordan tut sich etwas schwer mit der Beantwortung der Frage, ob die Zahl der Suchtkranken in Magdeburg in den vergangenen Jahren angestiegen sei. Der Chefarzt der Klinik für Psychiatrie und Psychotherapie am Klinikum Magdeburg stellt die rhetorische Gegenfrage: "Gibt es mehr Suchtpatienten am Klinikum, weil es unsere Einrichtung gibt?" Erst, seit eine suchttherapeutische Station am Olvenstedter Krankenhaus besteht, werden Suchtpatienten dort auch gezielt behandelt.

Klar ist aber: Die im Jahr 2008 eingerichtete Station hat 17 Betten, und die sind immer belegt. 2000 Fälle waren es bis jetzt allein in diesem Jahr. Würde die Station mehr Betten, also die Möglichkeit bekommen, mehr Patienten gleichzeitig zu behandeln, wären auch diese ausgelastet. "Bei uns wird kein Bett kalt", überzeichnet Dr. Jordan die Situation. Allerdings gilt dies für den gesamten Bereich der Psychiatrie und Psychotherapie. Magdeburg reihe sich dabei in die Gesamtsituation in Sachsen-Anhalt ein. Statistisch gesehen ist in den ostdeutschen Bundesländern die Zahl der psychisch kranken Menschen etwa doppelt so hoch wie in den "alten" Bundesländern.

Droge Nummer eins in Magdeburg sei der Alkohol. Der größte Teil der Fälle, die auf der suchttherapeutischen Station im Magdeburger Klinikum behandelt werden, sind Alkoholabhängige. Dazu kommen dann die Polytoxikomanie-Patienten. Das sind Suchtkranke, die gleich mehrere verschiedene Drogen konsumieren und davon abhängig sind. "Das können Amphetamine gemischt mit Medikamenten und oder Alkohol sein", so der Chefarzt. Die Grenzen seien dabei durchaus fließend, aber für den Körper natürlich mit verheerenden Folgen. "Oft gibt es bei Suchtpatienten kein Organ, das nicht betroffen ist."

Suchtpatienten, die in erster Linie von Opiaten (z. B. Heroin) abhängig seien, gebe es in Magdeburg deutlich weniger. "Wie gesagt, Alkohol ist die Nummer eins", kommentiert der Mediziner die Situation. Bei den Amphetaminen sei das besondere Problem, "dass es ständig neue Substanzen auf dem Markt gibt". Und nach seinem Kenntnisstand werde der Magdeburger "Markt" aus illegalen Laboren in Tschechien beliefert. Die räumliche Nähe zu Magdeburg spiele dabei sicherlich die Hauptrolle.

Noch eine weitere bemerkenswerte Beobachtung hat Dr. Jordan gemacht: "Wir behandeln immer mehr ältere Suchtpatienten, zum Teil sind sie um die 70 Jahre alt." Den Grund dafür sieht der Chefarzt in der historischen Situation der Wende nach 1989. Viele Menschen aus der ehemaligen DDR seien mit großen Erwartungen in die neue Bundesrepublik gestartet. Ein Teil davon sei im neuen System gescheitert und erst im späteren Lebensalter als Reaktion darauf zum Alkoholiker geworden. "Dieser Trend lässt sich deutlich beobachten."

Sicher ist sich der Klinik-Chefarzt in Sachen "Häufigkeit von Suchterkrankungen" über eines: "Es gibt auch in Magdeburg eine hohe Dunkelziffer." Am Klinikum sehe man nur die "Spitze des Eisbergs", also die Suchtkranken, die aufgrund einer schweren Organerkrankung das Klinikum aufsuchen müssen oder wegen massiver Folgen der Sucht, zum Beispiel eines Deliriums durch Alkoholmissbrauch.

Neben der Therapie der Suchterkrankung - im Klinikum dauert sie maximal 21 Tage, dann sollte sich eine Reha-Maßnahme anschließen - setze man am Olvenstedter Krankenhaus vermehrt auf Prävention. Dazu gehören etwa eine ambulante Nachsorge und zahlreiche Beratungsangebote der Patienten während des Klinikaufenthalts. "Damit wollen wir versuchen, dem sogenannten ,Drehtüreffekt\' etwas entgegenzusetzen." Einer Sucht liege immer eine psychische Erkrankung zugrunde. Diese gelte es, herauszufinden.

Für ein neues Angebot in diesem Bereich ist Oberarzt Dr. Andreas Storch zuständig. Geplant ist, ab Januar die Angehörigen von Suchtkranken zu unterstützen. Sie seien häufig mit der Situation überfordert und brauchen ihrerseits psychologische Betreuung, so Dr. Storch. Es solle ein offenes, niederschwelliges Angebot werden und eine Mischung aus Selbsthilfegruppe und Beratungsangebot durch Fachleute. Es werde um Fragen der Sucht gehen, um Co-Abhängigkeit, um Partnerschaftsprobleme, eben um alles, das die Betroffenen besprechen wollen.

Jeden 1. Donnerstag eines Monats werde sich die Gruppe am Klinikum treffen, zum ersten Mal am 3. Januar um 17 Uhr in der Klinik für Psychiatrie und Psychotherapie im Olvensteder Krankenhaus.

Beim Kampf gegen Suchterkrankungen sei Prävention (Vorbeugung) ein wichtiger Schlüssel zum Erfolg, sind sich Dr. Jordan und Dr. Storch einig. Kritisch anzumerken sei dabei, dass dies von Politik und Krankenkassen immer weniger so gesehen werde.