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Berufsfeuerwehr Immer im Einsatz für die Stadt

Die Berufsfeuerwehr Magdeburg ist 24 Stunden und sieben Tage die Woche im Einsatz. Die Volksstimme hat sie eine Schicht lang begleitet.

14.08.2016, 03:00

Magdeburg l Freitag, 6 Uhr, Feuerwache Nord: Nach 24 Stunden verabschieden sich die Kameraden der 1. Wachabteilung in den Feierabend. 48 Stunden dauert es bis zur nächsten Schicht. Seit Dienstbeginn am Donnerstag, 6 Uhr, sind in der Leitstelle der Feuerwehr 152 Notrufe eingelaufen. Darunter größere Einsätze, Fehlalarme, Tierrettungen und auch skurrile Einsätze.

Der Donnerstagmorgen beginnt jedoch recht unspektakulär. Auf dem Programm steht Weiterbildung für die Höhenretter. Und das heißt erst mal: Schulungsraum, Neonröhrenlicht, Beamer und Powerpoint-Präsentation. Oberbrandmeister Mario Sämisch (48) erklärt die Besonderheiten von Schrägseilen und Seilbahnen. Für die Praxis geht es nach der Schulung an die Elbe, wo über ein Hafen-Becken eine Seil gespannt werden soll, von dem wiederum eine Person herabgelassen wird, die einen Mann aus einem Schlauchboot retten und sicher an Land bringen soll. Klingt kompliziert und ist es auch. „Bei Einsätzen sind die Örtlichkeiten auch selten ideal“, sagt Sämisch.

Während er mit den Höhenrettern zum Industriehafen aufbricht, geht bei der Leitstelle, die in der ehemaligen Mitte-Wache sitzt, ein Notruf ein. In Ottersleben brennt die Küche eines Einfamilienhauses. Wegen der örtlichen Nähe rücken die Kameraden der Wache Süd aus. Eine Nachbarin hatte den Rauch bemerkt, der aus dem Küchenfenster quoll. Der Eigentümer war nicht zu Hause. Als er gegen 9 Uhr zurückkam, stand die Küche bereits in vollem Brand. Durch das Feuer entsteht Schaden von schätzungsweisen 60.000 Euro. Das Haus ist derzeit nicht bewohnbar. Küchenbrände gehören zu den häufigsten Einsätzen. Auch an diesem Tag wird es nicht der einzige bleiben.

Zurück zum Hafen: Während Mario Sämisch und seine Höhenretter ihre spektakuläre Übung durchführen, fährt der Einsatzleitwagen mit Brandinspektor Thomas Timm (54) und Brandmeister Maik Bubak (52) vor. Sie wollen schauen, wie es bei den Kollegen läuft. Die beiden kennen sich seit 32 Jahren, haben gemeinsam angefangen und haben immer noch regelmäßig zusammen Dienst. „Das schweißt zusammen“, sagt Maik Bubak und zwickt seinen Kollegen in den Oberarm.

Doch für Sentimentalitäten bleibt keine Zeit. Die Einsatzleitstelle meldet sich. Eine Seniorin öffnet ihre Tür nicht. Der Essenslieferant hat den Notruf gewählt. Er mache sich Sorgen, dass etwas passiert sei. Mit Vollgas geht es vom Hafen in Richtung Stadtfeld-Ost.

Vor Ort verschafft Thomas Timm sich einen Überblick, spricht mit dem Essenslieferanten und öffnet die Tür. Der Frau geht es gut. Warum sie die Tür erst nicht öffnete, ist unklar. „Ich hatte mir Sorgen gemacht. Deshalb habe ich die Feuerwehr gerufen“, sagt der Essenslieferant.

Zurück zur Wache nach Nord. Das Auto steht exakt fünf Minuten in der Garage, als der nächste Notruf einläuft. Eine Seniorin in einem Altenheim in Stadtfeld-Ost hat akute Atemnot. Weil alle Notarztwagen im Einsatz sind, kommt der Rettungshubschrauber zum Einsatz. Der Pilot wird am Europaring landen. Dort sollen Buback und Timm den Notarzt aufnehmen und zum Einsatzort fahren.

Wieder Vollgas in Richtung Stadtfeld-Ost, vorbei am Uniplatz, über die B1 in Richtung Einsatzort. Während Bubak den Einsatzleitwagen mit Blaulicht und Martinshorn durch den dichten Straßenverkehr lenkt, muss er immer wieder fluchen. „Was ist eigentlich so schwer daran, eine Rettungsgasse zu bilden“, fragt er. Auf der knapp fünf Kilometer kurzen Strecke sind Autofahrer, die vor Panik ihr Fahrzeug abwürgen, Leute, die den Rettungswagen schlichtweg ignorieren und Fußgänger, die beinahe umgefahren werden, weil sie lieber auf ihr Handy starren, als auf den Straßenverkehr zu achten. „Ich habe das Gefühl, es wird immer schlimmer“, sagt Bubak. „Schreib das ruhig“, sagt er und hupt den nächsten renitenten Autofahrer aus dem Weg.

Am Europaring ist der Hubschrauber bereits gelandet. Die Notärzte stehen am Straßenrand und springen in das Auto des Feuerwehrleitdienstes. Währenddessen wartet Pilot Marco Cramme von der DRF Luftrettung an seinem Hubschrauber. „In 26 Minuten bis nach Berlin und in 22 Minuten bis nach Halle. Wir können bis zu 300 Kilometer in der Stunde fliegen“, sagt Cramme, der seit 28 Jahren Pilot ist und sich jeden Tag freut, wenn er wieder in die Luft steigt.

Nach 20 Minuten sind Bubak und Timm mit den Notärzten zurück. Der Seniorin geht es gut, Lebensgefahr besteht nicht. Also wieder zurück zur Rettungswache. Ähnliches Spiel, nur eine Stunde später. Das Auto steht nur wenige Minuten, als der nächste Notruf eintrifft. Eine hochschwangere Frau sei bei einem Unfall an der Ringauffahrt Albert-Vater-Straße eingeklemmt worden, heißt es.

In solchen Fällen wird alles in Bewegung gesetzt, was geht. Auch der Rettungshubschrauber ist wieder im Einsatz. Vor Ort stellt sich heraus, dass ein LKW das Fahrzeug der Frau gestreift hatte, sie lediglich ihre Tür von innen nicht mehr öffnen konnte. Niemand wurde verletzt. Der Sachschaden ist gering. „Das können wir aber nicht vorher wissen“, sagt Timm, der mit seinen 32 Berufsjahren das Geschehen sehr gelassen aufnimmt.

Doch mit den Berufsjahren wachsen nicht nur die Erfahrungen, sondern auch die Anzahl der Bilder im Kopf, mit denen man irgendwie klarkommen muss. Und diese Bilder hat jeder im Kopf. Das erfährt man, wenn man sich im Aufenthaltsraum, zwischen den Einsätzen mit den sonst so unerschrockenen Männern unterhält. „Als Taucher habe ich an der Elbe mal ein Kind, das mit seinem Boot gekentert und ertrunken war, geborgen. Diese Bilder lassen dich nicht mehr los“, berichtet etwa Stephan van Steenkiste, der nach dem Vorfall zu den Höhenrettern wechselte. Bei psychischen Belastungen steht den Einsatzkräften das Kriseninterventionsteam zur Verfügung. „Trotzdem lässt dich das nicht kalt“, sagt van Steenkiste.

Zur Entspannung treiben viele Kameraden Sport. Am Donnerstag steht Volleyball auf dem Programm. Einen Sieger gibt es bei dem Match allerdings nicht. Vor dem entscheidenden Satz schrillt der Alarm über den Platz. Alle lassen sofort alles stehen und liegen und sprinten zurück zur Wache. Alarmiert wird der komplette Löschzug. Aus einem Mehrfamilienhaus in Stadtfeld-Ost tritt aus einem Küchenfenster Rauch aus.

Im Treppenhaus riecht es bereits nach Rauch. Hausbewohner eilen aufgeregt ins Freie. Die Mieter sind nicht zu Hause. Aus der Wohnung hört man nur ein Bellen und den Rauchmelder. „Wir brechen die Tür auf“, sagt Einsatzleiter Thomas Timm. Das Feuer auf dem Herd ist dann schnell gelöscht. Der völlig verängstigte Hund wird den Nachbarn übergeben, die aufgebrochene Wohnung wird erst von der Feuerwehr und dann vom Ordnungsamt bewacht. Die ebenfalls angerückte Polizei sah dafür zum Ärger der Einsatzkräfte keine Zuständigkeit. Es ist 18 Uhr, den Feuerwehrleuten stecken da schon 12 Stunden Dienst in den Knochen.

Im Gegensatz zum Tag verlaufen Abend und Nacht ruhig. Nur ein größerer Einsatz der besonderen Sorte läuft in der Rettungsleitstelle noch auf. Ein Schwarzfahrer (34) hat einen Kontrolleur in die Nase gebissen. Auch der Hund und die Freundin (39) des Schwarzfahrers bissen kräftig zu. „So etwas habe ich auch noch nicht erlebt. Aber man lernt nie aus“, sagt der Sanitäter vor Ort.