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BetrugsmascheMit falschem Pass zum Paket

Mit gefälschten Ausweisen ergaunern sich Kriminelle in Magdeburg Pakete. Paketshopbetreiber und Opfer bleiben ratlos zurück.

Von Karolin Aertel 18.03.2018, 00:01

Magdeburg l Es mögen an die 40 Pakete sein, die sich im Büro von Uta Klepp stapeln – vor dem Schreibtisch, im Regal und eigentlich in jeder freien Ecke. Seit neun Jahren betreibt sie neben einer Textilreinigung und Papierannahme auch eine Paketannahmestelle in Magdeburg-Salbke.

Da die 64-Jährige zeit ihres Lebens im Süden Magdeburgs lebt, kennt sie nicht nur jeden Baum und Strauch, sondern auch die Menschen, die dort wohnen – die Eltern und Großeltern, Kinder und Enkel und inzwischen auch manch Urenkel. Ein großer Vorteil, wie sich herausstellt.

Denn ist ein Paket an jemanden adressiert, den sie nicht kennt oder ein ihr bekannter Name einer falschen Adresse zugeordnet, wird Uta Klepp stutzig. Zu oft habe sie inzwischen mit Paket-Betrügern zu tun gehabt.

Begonnen habe alles vor zwei Jahren, erzählt sie. Damals kam ein Mann, er hieß angeblich Michael Jakob, afrikanischen Aussehens, mit Pass des Königreichs Niederlande und habe ein Paket abgeholt. „Es kam mir zwar komisch vor, ich habe mich über den Namen und den komischen Ausweis gewundert, und warum er das Paket hier abholt, aber damals dachte ich noch: Wer weiß, vielleicht ist er zu Besuch oder Student“, erzählt sie.

Das Paket habe sie ihm gegen eine Unterschrift ausgehändigt. Als am nächsten Tag der Hermes-Bote mit einem Infoblatt kam, mit dem auf Paket-Betrüger hingewiesen wurde und genau der Ausweis des Mannes vom Vortag zu sehen war, wurde ihr klar, dass ihr Gefühl sie nicht getäuscht hatte.

Ein paar Wochen später ein ähnlicher Fall: Ein dunkelhäutiger Mann mit typisch deutsch klingendem Vor- und Zunamen, angeblich wohnhaft in Hildesheim, wollte ebenfalls ein Paket abholen. „Ich wusste, da stimmt was nicht, und erzählte ihm, dass das Paket, in dem ein Laptop war, noch nicht da ist.“ Stattdessen schickte Uta Klepp es mit dem Vermerk „Betrugsversuch“ zurück.

„Drei Tage später stand der Originalkunde da und wollte sein Paket abholen, aber ich hatte es ja schon zurückgeschickt“, erzählt sie und kann sich nicht erklären, woher der Betrüger von der Bestellung des Kunden und dem Eintreffen des Paketes wusste.

Inzwischen kann Uta Klepp unzählige derartige Betrugsversuche aufzählen. Es handele sich zu neunzig Prozent um Männer afrikanischen Aussehens, die im Pass typisch deutsch klingende Namen tragen und Pakete meist von Telefonanbietern oder Elektronikunternehmen abholen wollen.

„Ich bin sehr vorsichtig geworden“, erzählt sie. „Wenn mir etwas komisch vorkommt, sage ich erst mal, das Paket ist noch nicht da, und kopiere mir den Ausweis, um zu recherchieren.“

So, wie beispielsweise vor vier Wochen, als ein Paket für eine Person in der Welsleber Straße in Salbke bestimmt war, die sie nicht kannte. „Da bin ich abends hingefahren und habe mir alle Namen am Klingelschild abgeschrieben. Die Person, an die das Paket adressiert war, wohnte jedenfalls nicht dort.“

Aber auch Straßennamen, die sie nicht kenne, versuche sie ausfindig zu machen. „Denn, wenn ein Paket mit Empfänger in Stadtfeld bei mir in Salbke abgeholt werden soll, bin ich skeptisch.“ Und so fand sie heraus, dass es in Stadtfeld und überhaupt nirgends in Magdeburg eine Spulstraße gibt.

Skeptisch wurde sie auch, als ein Mann bei ihr im Shop zwei Pakete mit Adresse im Goldammerweg in Nordwest holen wollte. „Ich erzählte dem Mann, die Pakete seien noch nicht da, suchte die Telefonnummer des Empfängers raus, rief an und fragte, ob er zwei Pakete bestellt hat.“ Dem war nicht so.

Viel schlimmer: Auf den Namen des Ehepaares in Nordwest sind bereits diverse Dinge bestellt worden. „Als ich mit der Ehefrau telefoniert habe, rief der Mann aus dem Hintergrund: Oh, nicht schon wieder!“ Insgesamt sechs Mal sind sie schon Opfer von Paketbetrügern geworden. Ein gefälschter Ausweis mit dem Namen des Ehemannes ist im Umlauf.

Uta Klepp ist wachsamer denn je. „Manchmal komme ich mir vor wie Sherlock Holmes“, sagt sie. Mindestens zwei-, dreimal im Monat versuche jemand mit gefälschtem Ausweis Pakete abzuholen. Die Polizei zu rufen, sei kaum möglich. „Sobald ich zum Telefon greife, sind die weg und ehe die Polizei da ist, über alle Berge.“

Kommen Abholer ihr verdächtig vor, gibt sie das Paket erst mal nicht heraus, bis sie Empfängerdaten im Rahmen ihrer Möglichkeiten geprüft hat.

Ende 2017 sei in ihren Paketshop eingebrochen worden. Es wurde der Inhalt von Paketen, die von Telefonanbietern stammten, gestohlen. Pakete, die sie zuvor nicht herausgab, weil ihr der Abholer verdächtig vorkam.

Die Einbrecher hatten die Verpackungen aufgerissen und liegen gelassen. Sie hat sie aufgehoben. „Es kam danach nie jemand und wollte sie abholen, was zeigt, dass ich mit meiner Vermutung richtig lag“, erzählt sie.

Der Grund, warum sie mit ihren Erfahrungen an die Öffentlichkeit geht, sei ganz einfach: „Ich möchte andere Paketshops sensibilisieren, wachsam zu sein. Es ist schwer, den Tätern das Handwerk zu legen. Aber wenn alle ein bisschen aufmerksamer sind, kann man ihnen die Betrügerei vielleicht erschweren.“