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Bildung Brennpunkt Schule in Magdeburg

Der Stadtrat Magdeburg hat ein Ausbauprogramm für Schulen verabschiedet.

Von Katja Tessnow 09.04.2018, 01:01

Magdeburg l Weil wegen steigender Schülerzahlen Neu- und Ausbauten in Magdeburg unausweichlich sind, hat der Stadtrat vorfristig die Schulentwicklung bis 2024 abgesteckt. Ergebnis ist ein Ausbauprogramm. Allerdings löst es noch nicht jedes Problem.

„Wir sind in einer schwierigen Lage“, stellte Bernd Heynemann (CDU), Vorsitzender des Bildungsausschusses, gleich am Eingang der Schuldebatte klar. Zur aktuell jährlich veränderten Umverteilung der Einschüler auf alle verfügbaren 32 Grundschulhäuser samt Außenstellen gebe es keine Alternative. Der Preis sind im Fall überfüllter Häuser Schulwege, die weiter ausfallen, als die bis zur proppenvollen Schule um die Ecke. Der Stadtrat trug den Neuzuschnitt der Grundschulbezirke für die Abc-Schützen 2019 am Ende ohne Debatte bei nur zwei Gegenstimmen (FDP) und einer Enthaltung (AfD) mit.

Kontrovers debattierte die Versammlung dagegen vor allem ein Detail aus der Schulentwicklungsplanung bis 2024 – den Umgang mit der Integrierten Gesamtschule.

Zunächst zum Konsens: Neue Grundschulen müssen schnellstmöglich eröffnet werden. Darin sind sich Stadtrat und Stadtverwaltung – darüber hinaus Elternrat und Lehrerschaft – komplett einig. Der Entwicklungsplan sieht fünf neue Häuser plus den Ausbau zweier weiterer Grundschulen vor. Für den jetzt vorgelegten Plan kassierte die Verwaltung Lob von fast allen politischen Seiten, allerdings steuerten Linke, Grüne und FDP etwas nachträgliche Schelte bei. Der Ausbauplan komme zu spät.

„Es gibt Dinge, die man lange wusste, zum Beispiel die Überlastung des Grundschulstandortes Ottersleben“, rügte Carola Schumann (FDP), selbst Grundschullehrerin und Ottersleberin. „Man dreht sich alles hin, wie man es braucht“, schimpfte Linksfraktionschef Oliver Müller in Richtung Oberbürgermeister. „Ja, die Flüchtlingssituation war nicht vorhersehbar, aber dass es schon vorher Probleme gab, haben wir alle an den Kitas gesehen.“

Oberbürgermeister Lutz Trümper (SPD) hatte zuvor einmal mehr darauf verwiesen, dass die Kita-Platzkrise von 2008/09 bis 2015 durch Schaffung von 12.000 Plätzen abgewendet gewesen sei. „Das hätte gereicht. Da waren wir uns einig. Jetzt bauen wir wieder neun neue Kitas und eine zehnte kommt noch dazu.“

In den Grundschulen läge der Migrantenanteil inzwischen bei 14, in den Gemeinschaftsschulen sogar bei 20 Prozent. „Das sind fünf bis sechs neue Schulen, die wir nur dafür mehr brauchen und es kostet uns einhundert Millionen“, so Trümper, der dafür Geld von Bund und Land verlangt – für Neubauten bisher vergeblich. Die Zuwanderung sei wesentlich verantwortlich für die vorrangig in den Großstädten auftretenden Versorgungsprobleme in Kitas und Schulen. „2016/17 lag auch der Anteil von Migrantenfamilien an der Geburtenrate in Magdeburg bei 16 Prozent“, so Trümper. „Das Land muss dieses Sonderproblem der Großstädte erkennen und beheben.“

Aktuell verschärften sich die Probleme, so Trümper mit Blick auf die anhaltend sehr deutlich über 2000 Kinder liegende Geburtenrate in Magdeburg. Die Bauprogramme sind angelaufen; Kitas im Bau, Schulen in Planung.

Für Unmut im Rat sorgte in der Debatte zur Schulentwicklung der Umgang mit den weiterführenden Schulen, speziell mit den Integrierten Gesamtschulen (IGS), die gemeinsames Lernen von Klasse 5 bis 13 ermöglicht. Linke und Grüne reagierten mit Unverständnis auf den Unterschied zwischen verwaltungseigener Diagnose und dem Beschlussvorschlag.

„Sie schreiben selbst, dass die Kapazitätsprobleme an den Gesamtschulen nicht ohne die Eröffnung einer dritten IGS lösbar sind und wir sollen nur beschließen, dass die Verwaltung Lösungsmöglichkeiten prüft?“, fragte Linksfraktionschef Müller ungläubig bis empört. Schon aktuell regiere zur Aufnahme an den zwei bestehenden IGS das Losverfahren. Eltern prozessierten erfolgreich dagegen.

Die Prozesse, so Trümper, liefen vor Umwandlung der Sekundar- in Gemeinschaftsschulen. Den Schritt ging die Stadt Magdeburg vor drei Jahren und ermöglicht seither Schülern mit entsprechenden Fähigkeiten an quasi allen weiterführenden Schulen den Durchmarsch bis zum Abitur. „Vielen Eltern ist das nicht bekannt“, so Trümper, der die Gemeinschaftsschule gestärkt wissen will. „Eigentlich hätten mit ihrer Einführung die IGS geschlossen werden müssen.“

Aus väterlicher Erfahrung berichtete der Linke René Hempel vom weiter ausgeprägten Wunsch vieler Eltern nach einem Platz an der IGS. „Die Gemeinschaftsschulen haben das Problem, dass man dort nicht alle Abschlüsse machen kann. Ein Wechsel zur 10. Klasse fetzt doch nicht.“ Weil die Zahl der potenziellen Abiturienten an den Gemeinschaftsschulen meist nicht ausreicht, wechseln begabte Schüler fürs Abi heute in der Regel noch aufs Gymnasium oder die IGS.

Einen Antrag von Grünen, Linke/future! und Gartenpartei, den Neubau einer dritten IGS zu zementieren, lehnte eine Ratsmehrheit ab. Zustimmung fand ein Kompromissvorschlag der Fraktion Links für Magdeburg. Er zielt auf die Beobachtung der Elternakzeptanz gegenüber den jungen Gemeinschaftsschulen ab. Die Entscheidung darüber, ob in Magdeburg eine neue IGS oder eine weitere Gemeinschaftsschule entsteht, ist damit aufgeschoben.

Insgesamt rechnet die Stadt Magdeburg mit einem mittelfristigen Bedarf an sechs bis sieben neuen Schulen in Magdeburg.