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Corona-Krise Das Fenster wird zur Überlebenstheke

Am Beispiel vom Café Treibgut in Magdeburg zeigt sich die Schwierigkeit für die Gastronomie in der Corona-Krise.

Von Marco Papritz 23.04.2020, 11:39

Magdeburg l Radfahrer nehmen sich eine Auszeit, Passanten stöbern im Angebot, in der Küche herrscht Hochbetrieb. Mit dem Frühjahr fährt der Besucherzuspruch im Café Treibgut in Magdeburg hoch, das inmitten der historischen Boote am Wissenschaftshafen zur Einkehr einlädt. Bisher jedenfalls. Durch die Corona-Krise ist 2020 alles anders. „Die Regelungen treffen uns hart: Mitarbeiter musste ich in die Kurzarbeit schicken, der Betrieb ist nur sehr eingeschränkt möglich“, sagt Jan Walsleben, der das Café 2017 eröffnet hat.

Aber immerhin kann gearbeitet werden. Mit dem Ordnungs- und Gesundheitsamt Magdeburg wurde abgestimmt, dass der Verkauf von Getränken und Speisen über ein Fenster des Hauses möglich ist. Sie gehen auf diese Weise über die Theke. „Das sichert uns das Überleben, wenn auch nur schlecht als recht“, so der 34-Jährige.

Die Auflagen für den Notbetrieb sind dabei nicht unerheblich: Mindestabstand beim Anstehen, Komplettsperrung der Tische und Bänke im Außenbereich, Kaffee und Kuchen werden in Pappbechern bzw. auf Papptellern angeboten, das Café selbst ist für Besucher nicht zugänglich. Und: Der Verzehr ist im Umkreis von 50 Metern verboten. Für die Einhaltung dieser Festlegung haftet übrigens der Gastronom. Darauf verweisen diverse Hinweisschilder, die Jan Walsleben und sein Team im Bereich des Treibguts aufgestellt haben. Dass einige die Absperrbänder missachten und dennoch auf den Bänken Platz nehmen und für sich eine Sonderregelung beanspruchen möchten, kann der Gastronom nicht verstehen. „Damit gefährden sie unsere Existenz. Und die Diskussionen kosten Nerven und Kraft, die wir gern anders einsetzen möchten. Und müssen. Denn wir haben uns mehr Unterstützung von der Politik erhofft.“

Wie es um den Fortbestand des Cafés bestellt ist, kann Walsleben derzeit noch nicht absehen. „Fest steht, dass wir normalerweise in den kommenden Monaten das Hauptgeschäft erzielen und Rücklagen bilden, die uns über die Wintermonate bringen sollen“, sagt er. 30 Veranstaltungen wie kleine Konzerte seien in diesem Jahr geplant gewesen. Ebenso eine Erweiterung des Außenbereichs mit wetterfesten Pavillons sowie eine Ausweitung des Küchenangebots. „Das Coronavirus hat diese Pläne zunichte gemacht.“ Das gilt auch für das Feiertagsgeschäft, das bereits während der Osterfeiertage nicht erzielt werden konnte und auch zu Christi Himmelfahrt und zu Pfingsten ausbleiben wird, wie Wals-leben prognostiziert. „Es fehlt der Fahrradtourismus vom Elbe-Rad-Weg sowie die Möglichkeit, dass Besucher hier eine längere Zeit verweilen. Dieser Umsatzverlust ist mit Passanten, die hier spazieren gehen, nicht zu kompensieren.“

Die Gastroszene in Magdeburg ist gut vernetzt und steht derzeit im regen Austausch, wie ein wirtschaftliches Überleben möglich ist. Die Entscheidungen reichen dabei von Teil- bis Komplettschließungen. Als ehemaliger Betreiber der Chillkröte, einem Burger-Restaurant mit Cateringangebot, hat Walsleben zwar langjährige Erfahrung im Organisieren eines Lieferservice. Davon sieht er aber auch mit Blick auf die Vielzahl derer, die in diesem Bereich seit Eintritt der Corona-Regelungen agieren, davon ab. Er könne die Skepsis von Gastronomen vor diesem Geschäftsbereich verstehen: „Ich kenne viele, die aufgrund ihres eigenen Anspruchs und aus Qualitätsgründen ihr Essen nicht in einer Assiette anbieten möchten, weil sie Imageschäden fürchten.“ Im Treibgut wird derzeit der Bereich der individuellen Torten ausgebaut, ein seit längerem geplantes Vorhaben.

Mit den Existenzsorgen im Hinterkopf ist jedes Lob Balsam für die Seele der Gastronomen wie Jan Walsleben. Nicole Schwemm etwa freut sich, dass das Treibgut auch während der Corona-Pandemie geöffnet ist – wenn auch eingeschränkt. „Ich hoffe mit meinem Getränkekauf einen kleinen Beitrag leisten zu können, dass der Betrieb weitergehen kann. Wir brauchen Cafés und Restaurants in Magdeburg, Orte zum Verweilen und Austauschen. Das ist Kultur“, so die Passantin.