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40 Jahre Neu-Olvenstedt Das Dorf Olvenstedt hätte Magdeburger Großsiedlung fast verhindert

Auf Magistratsbeschluss ist 1981 eine Ackerfläche in Magdeburg für den Bau der Großsiedlung Neu-Olvenstedt genutzt worden. Dafür war eine Eingemeindung nötig.

Von Marco Papritz Aktualisiert: 10.06.2021, 12:08
Beim Beseitigen von Findlingen aus dem Boden, der für den Bau der Großsiedlung Neu-Olvenstedt östlich von Alt-Olvenstedt genutzt werden soll, half die sowjetische Armee mit schwerem Gerät.
Beim Beseitigen von Findlingen aus dem Boden, der für den Bau der Großsiedlung Neu-Olvenstedt östlich von Alt-Olvenstedt genutzt werden soll, half die sowjetische Armee mit schwerem Gerät. Archivfoto: Harri Schäfer

Magdeburg - Muss es sein, dass der fruchtbare Bördeboden bebaut wird? Diese Frage treibt die Gemeindeverwaltung und ehrenamtliche Volksvertretung der Gemeinde Olvenstedt Ende der 1970er Jahre um. Das Zentralkomitee der SED hatte 1973 das Wohnungsbauprogramm der DDR beschlossen, um bis zum Jahr 1990 die republikweite Wohnungsnot zu lösen. In Magdeburg entstanden zwar Neubaugebiete wie Neu-Reform und Neustädter Feld, doch deren Wohnungsbestand reichte nicht aus, um den Bedarf zu decken.

Ins Visier geriet dann großflächiges Ackerland, das an den Stadtteil Nordwest grenzte und auf dem Territorium des etwa 5000 Einwohner zählenden Dorfes Olvenstedt lag, das zum Kreis Wolmirstedt zählte. „Wir waren damals sehr selbstständig – wir hatten eine Verwaltung und eine komplette Infrastruktur. Für die tägliche Versorgung gab es Bäcker, Kaufhalle und Fleischer, die Polytechnische Oberschule hatte zehn Klassen, vieles wie eine Entwässerung – die sogenannte Bürgermeisterleitung – konnten wir in Eigenregie umsetzen“, so Werner Freist, der damals in der Baukommission der Gemeinde Olvenstedt mitarbeitete. Was fehlte waren hingegen Arbeitsplätze abseits der Landwirtschaftlichen Betriebe (LPG-Typ 2 und Typ 3) sowie „besondere Einkaufsmöglichkeiten wie zum Beispiel für Kleidung“.

Komfort auf der einen, Bodenverlust auf der anderen Seite

Im Jahr 1978, vor dem strengen Winter, sickert durch, das Olvenstedt nach Magdeburg eingemeindet werden soll. Dazu gibt es geteilte Meinungen – der Blick auf den höheren Standard in der Stadt (die Versorgung von Wohnungen mit Fernwärme in der Stadt steht dem Heizen mit Holz und Kohle im Dorf gegenüber) steht die Skepsis gegenüber, dass das fruchtbare Ackerland mit der Bebauung vom Wohnkomplex Olvenstedt (WKO) „unwiderrufbar verloren geht“, so Freist.

Der Rat des Kreises Wolmirstedt will zudem das Dorf nicht hergeben. Eine Sondersitzung der Abgeordneten im Olvenstedter Rathaus wird im Herbst 1978 einberufen, bei der die SED-Bezirksleitung über die Eingemeindungsbestrebungen informiert, „weil man hier den Wohnungsbau wie in Nord realisieren möchte“. Es kommt zur Aussprache – die Mehrheit ist gegen die Pläne, „auch weil die Verwaltung hier harmonisch arbeitete und parteiunabhängig die Entwicklung des Dorfes im Blick hatte“, so Freist im Rückblick. Versprechungen, „dass alles so bleibt, wie es ist“, finden kein Gehör.

Konkretere Arbeit im „Dorf“

Der Rat des Stadtbezirks Mitte, zu dem Olvenstedt angegliedert werden soll, ist fortan bei Gemeindesitzungen dabei und frohlockt mit Verbesserungen unter anderem der Wohninfrastruktur im Dorf. „Eine Möglichkeit, den Plänen ernsthaft entgegenzutreten, hatten wir nicht. Unseren Standpunkt klar zu machen, war uns aber wichtig“, so der Alt-Olvenstedter. Ein Jahr später wird dann der Beschluss getroffen, der aus Olvenstedt dann Magdeburg-Olvenstedt macht. Die Abgeordneten aus Olvenstedt sind dann auf die Kommissionen des Stadtbezirkes Mitte aufgeteilt worden. „Viel los war da allerdings nicht, denn im Dorf haben wir konkrete Projekte vorangebracht und Entscheidungen getroffen“, so Freist.

Auch heute stellt sich vielerorts in Magdeburg die Frage, wie dem Bedarf an Bauland nachgekommen werden kann und ob für den Bau von Eigenheimen landwirtschaftliche Flächen genutzt werden sollen. Nun entscheidet beispielsweise der Stadtrat über den Bebauungsplan Nr. 367-3 „Diesdorf südlich Wendeschleife“, über den im Vorfeld eben mit Blick auf den Ackerlandverlust und der Versiegelung kontrovers diskutiert wurde.

Erinnerungen gesucht

Welche Erinnerungen haben Sie an die Entstehung des Wohngebietes im Westen der Stadt? Zählten Sie zu den ersten Bewohnern, die das Wohngebiet mit Leben füllten? Oder waren Sie am Aufbau von Neu-Olvenstedt beteiligt? Schreiben Sie unter Stichwort „Neu-Olvenstedt“ Ihre persönliche Geschichte oder Erinnerung an Ihre ganz persönliche Zeit in Neu-Olvenstedt an Volksstimme Lokalredaktion, Bahnhofstraße 17, 39104 Magdeburg. Sie können sich auch telefonisch unter 0391/5999550 sowie per E-Mail an marco.papritz@volksstimme.de mit Ihrem Namen und Ihrer Telefonnummer melden, um persönliche Anekdoten und Bilder zu teilen.