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Stadtentwicklung Der Kampf um den Magdeburger Ulrichplatz

Zehn Jahre nach dem Bürgerentscheid , bei dem die Magdeburger den Wiederaufbau der Ulrichskirche ablehnten, untersagt eine knappe Ratsmehrheit auch Suchschachtungen.

Von Katja Tessnow Aktualisiert: 13.10.2021, 11:04
Der Ulrichplatz in Magdeburg. Unterm grünen Rasen liegen Reste der 1956 gesprengten Ulrichskirche. Ein Verein will danach suchen lassen. Eine knappe Mehrheit im Magdeburger Stadtrat wünscht, dass der Platz unberührt bleibt.
Der Ulrichplatz in Magdeburg. Unterm grünen Rasen liegen Reste der 1956 gesprengten Ulrichskirche. Ein Verein will danach suchen lassen. Eine knappe Mehrheit im Magdeburger Stadtrat wünscht, dass der Platz unberührt bleibt. Foto: Uli Lücke

Magdeburg - Einmal mehr hat das 2007 gegründete Kuratorium Ulrichskirche e. V. eine Niederlage im Magdeburger Stadtrat erlebt. Aus den auf 200 Quadratmetern Ulrichplatz-Fläche geplanten Suchgrabungen nach alten Kirchenresten wird nichts, obwohl sich mit Grüne/future!, CDU und SPD die drei größten Ratsfraktionen in einem interfraktionellen Antrag dafür verwendet hatten. Am Ende hatten sie – ein paar Fehlende und Abtrünnige in den eigenen Reihen inklusive – alle anderen Fraktionen und den Oberbürgermeister gegen sich und unterlagen zur Abstimmung am 11. Oktober 2021 mit 20 zu 21 Stimmen. Zuvor lieferten sich Freunde und Feinde einer Erforschung oder Sichtbarmachung von Kirchenresten harte Wortgefechte.

Zu Beginn bemühten sich unter anderem Mirko Stage (future!) und SPD-Fraktionschef Jens Rösler zu beteuern, dass es um Grabungen gehe und definitiv um nichts weiter. Auch CDU-Fraktionschef Wigbert Schwenke kündigte für seine Fraktion an, sich einer entsprechenden Klarstellung (Ergänzungsantrag aus dem Bauausschuss) anzuschließen. Es half nicht.

Wieder und wieder erinnerten Räte an den ersten und bislang einzigen Bürgerentscheid, den die Landeshauptstadt bis heute erlebt hat. Bei einer Wahlbeteiligung von knapp 56 Prozent stimmte im März 2011 die große Mehrheit der Teilnehmer (76 Prozent) gegen den Wiederaufbau der Ulrichskirche. Zwar war die Stadt nur ein Jahr an den Entscheid gebunden und jetzt auch nicht der Wiederaufbau, sondern waren lediglich Suchgrabungen Thema im Rat, dennoch: „Die Leute finden den Platz cool, so wie er ist“, konstatierte Carola Schumann (FDP). „Ich brenne für die Stadtgeschichte“, konterte Olaf Meister (Grüne). Die Grabungen seien auf einer Fläche ohne Baumbestand und von nur 10 mal 20 Metern geplant. „Das ist immerhin der halbe Saal hier“, warf Oberbürgermeister Lutz Trümper (SPD) zur Veranschaulichung ein und warnte: „Und vermutlich wird das lange dauern.“ Der Verein wolle das Vorhaben, dessen Kosten Trümper auf 100.000 bis 200.000 Euro schätzt, selber finanzieren. Trümper: „Wäre schön, wenn vom Verein mal jemand sagt, ob das Geld überhaupt da ist oder geht’s um Fördermittel?“

Frank Schuster und Andreas Schumann (beide CDU) verstanden die ganze Debatte nicht. „Wir sind nicht Eisenhüttenstadt, sondern leben im geschichtsträchtigen Magdeburg“, so Schumann und dass man dieses Erbe pflegen solle. „Was ist denn eigentlich gegen Wissen zu sagen?“, fragte er mit Blick auf die Grabungen, die ja nur dessen Mehrung bezweckten. Sein Fraktionskollege Schuster will zu gerne wissen, ob unterm Ulrichplatzrasen noch intakte Rest der alten Unterkirche zu finden sind. „Das wäre eine Sensation und ließe sich touristisch vermarkten.“

Eben, witterte FDP-Frau Schumann aus ihrer Sicht unerwünschte Folgen, wenn denn etwas gefunden würde. „Dann geht es nämlich doch weiter und im Vereinszweck des Kuratoriums steht bis heute der Wiederaufbau.“

Falko Grube (SPD) und der Grüne Meister räumten ein, dass für den Fall größerer Funde neu nachgedacht und entschieden werden müsse. Genau das wünscht die Front der Grabungsgegner im Rat und in der Bevölkerung nicht.

In seltener inhaltlicher Eintracht sagten an verschiedenen Punkten der Debatte der Kulturausschussvorsitzende Oliver Müller (Linke) und AfD-Fraktionschef Frank Pasemann, dass endlich Ruhe einkehren müsse. Der Bürgerentscheid sei eindeutig gewesen, werde aber wieder und wieder zu unterlaufen versucht.

Abstimmung: 20-mal Ja, 21-mal Nein, zwei Enthaltungen. Die Grabungen sind damit erst einmal vom Tisch.