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Die Jagd nach der rettenden Spritze

Mit einer Impfung gegen das Coronavirus hoffen Millionen auf eine langsame Rückkehr zur Normalität.

22.02.2021, 07:00
ARCHIV - 28.10.2020, Berlin: Ein Arzt impft eine Patientin gegen Grippe. Mindestens zu Beginn der Saison im Herbst 2020 haben sich mehr Menschen in Deutschland gegen Grippe impfen lassen als in früheren Jahren. (zu dpa «Institut: 165 Prozent mehr Grippe-Impfungen im September 2020») Foto: Jens Kalaene/dpa-Zentralbild/dpa +++ dpa-Bildfunk +++
ARCHIV - 28.10.2020, Berlin: Ein Arzt impft eine Patientin gegen Grippe. Mindestens zu Beginn der Saison im Herbst 2020 haben sich mehr Menschen in Deutschland gegen Grippe impfen lassen als in früheren Jahren. (zu dpa «Institut: 165 Prozent mehr Grippe-Impfungen im September 2020») Foto: Jens Kalaene/dpa-Zentralbild/dpa +++ dpa-Bildfunk +++ ZB

Dubai/Neu Delhi (dpa) l Hala Baidun wollte in Dubai eigentlich nur ihre Schwester besuchen. Aber als deren Firma in der Golf-Metropole im Januar zur Corona-Impfung lud, versuchte die Libanesin spontan auch ihr Glück. „Sie kopierten unsere Pässe, nahmen unsere Daten auf, gaben sie in den Computer ein und impften uns.“ Einen Wohnsitz in Dubai hat die 50-Jährige nicht, einen Pass der Vereinigten Arabischen Emirate auch nicht. Offenbar durch einen glücklichen Zufall erhielt Baidun die Impfung, auf die dieser Tage weltweit Millionen hoffen.
In einigen Ländern haben sich Schlupflöcher aufgetan für diejenigen, die das seit über einem Jahr wütende Coronavirus mit der doppelten Spritze hinter sich lassen wollen – und die darauf in ihren Heimatländern Wochen oder Monate warten müssten. Menschen wie Baidun, die durchs Raster rutschen und eine Impfung erhalten, die sonst nur an Landsleute und Anwohner vergeben wird. Einige elitäre Zirkel und Reisebüros locken ebenfalls mit dem Impfstoff, fragwürdige Anbieter auf dem Schwarzmarkt ziehen mit.
Ein regelrechter Impf-Tourismus setzte in Florida ein: In dem US-Bundesstaat konnten zeitweise auch Nicht-Anwohner das Vakzin bekommen, weshalb neben wohlhabenden Besuchern aus New York und Kalifornien bald etwa auch das in Buenos Aires lebende TV-Sternchen Yanina Latorre auftauchte, das seine 80-jährige Mutter impfen ließ. Berichten zufolge zog es auch Reisende aus Brasilien und Mexiko nach Florida. Unfair, klagten Anwohner über die Vordrängler aus der Ferne.
Für Empörung sorgte auch das Millionärs-Paar aus Kanada, das sich die Spritze in einer Ureinwohner-Siedlung erschlichen haben soll. Der frühere Chef einer Casino-Firma und die Schauspielerin reisten mit einem kleinen Flugzeug ins abgelegene Yukon, wo die beiden laut Berichten erklärten, bei einem Gasthof in der Gegend zu arbeiten, um sich dann impfen zu lassen. Aber der Plan flog auf.Hunderte Impf-Angebote im DarknetIn Reichweite gerückt ist die Impfung vor allem für die besonders Wohlhabenden. Das „Wall Street Journal“ zitierte ein Unternehmen in Kanada, dessen Kunden Tagesflüge nach Florida mit dem Privatjet anfragten. Kosten: Umgerechnet zwischen 20 000 und 65 000 Euro. In Großbritannien machte der exklusive „Reise- und Lifestyle-Club“ Knightsbridge Circle von sich reden, dessen Mitglieder umgerechnet rund 28.000 Euro pro Jahr bezahlen sollen. Im Angebot seien Impf-Reisen in die Emirate und Indien, berichtete der „Telegraph“.
In Indien bieten Reisebüros wie Zenith Leisure Holidays Limited seit einigen Wochen Impf-Reisen ins Ausland an. Dessen Chef Manoj Mishra sagte der Deutschen Presse-Agentur, dass er damit gleich zwei Kundenbedürfnisse befriedige – Abenteuerlust und Gesundheit. Für umgerechnet rund 2800 Euro geht es etwa zweimal nach London, Vier-Sterne-Hotel, Visum, Schutzanzüge und Desinfektionsmittel inklusive.
In den meisten Fällen gibt es bisher aber einen Haken: Die Emirate impfen keine Touristen mehr, wie das Gesundheitsministerium dort bestätigt. Das Reisebüro in Indien, das von 800 Vorab-Registrierungen im Internet und 1500 telefonischen Anfragen von Kunden berichtet, hat noch gar keine Erlaubnis der betroffenen Länder. Der Knightsbridge Circle in London musste auf Nachfrage des „Guardian“ klarstellen, dass in den Emiraten nur Club-Mitglieder geimpft werden könnten, die dort eben auch Anwohner sind (derzeit insgesamt fünf Personen).
Auch der Schwarzmarkt blüht. Im Darknet hat die Firma für Cybersicherheit Check Point im Januar 340 Impf-Angebote gefunden. Die Preise lägen inzwischen bei bis zu 820 Euro. Ob der Käufer tatsächlich Impfstoff bekommt, ist allerdings ungewiss.