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AV-Test GmbH prüft Produkte globaler Software-Giganten wie Microsoft auf Herz und Nieren Die Magdeburger Viren-Sammler

Die AV-Test GmbH gehört weltweit zu den größten unabhängigen Instituten
der Antivirentestbranche. Zu den Kunden gehören globale Größen wie
Microsoft. Die Magdeburger sammeln dafür im weltweiten Netz 250 000
Schädlinge ein - täglich.

15.10.2013, 03:13

Magdeburg l 160 Millionen Schädlinge. So viele haben die Experten der AV-Test GmbH in den vergangenen zehn Jahren eingesammelt und katalogisiert. Hinzu kommen täglich 250000 neue. Fein sauber aufgelistet und grafisch dargestellt. So ist in den vergangenen Jahren eine Landkarte des weltweiten Internet-Verkehrs entstanden. Auf der sieht man zum Beispiel, woher besonders viele Spam-Mails kommen oder wie hoch das Aufkommen von Malware (Schadprogrammen) ist. Auf dieser Weltkarte der Internetbösewichte gehören die USA, Deutschland, Russland und China zu den Epizentren.

Die Magdeburger Computer-Experten Maik Morgenstern und Guido Habicht stehen in einem Raum mit Dutzenden Rechnern. Es ist die Schaltzentrale der AV-Test GmbH. Die einzige Aufgabe dieser Geräte ist es, Software mit Schädlingen zu beschießen. Mehrere Stunden lang. Immer und immer wieder. "Gibt es eine Schwachstelle, finden wir die", sagt Morgenstern. Der 31-Jährige leitet gemeinsam mit Guido Habicht (43 Jahre) und Firmengründer Andreas Marx (34 Jahre) das Unternehmen.

Jährlich führen die 30 Mitarbeiter mehr als 3000 Einzel- und Vergleichstests aus. Wer in der Branche etwas auf sich hält, lässt seine Software bei den Magdeburgern testen. Auch Branchen-Riesen wie Microsoft lassen ihre Produkte bei den Sachsen-Anhaltern auf Herz und Nieren prüfen. Allerdings bekam deren Schutzsoftware (Windows Defender) nur zwei von sechs möglichen Punkten. In dieser Testrunde der schlechteste Wert. "Wir sind unabhängig. Uns ist egal, welche Firma dahintersteht. Für alle gelten die gleichen harten Testkriterien", sagt Morgenstern. Das Urteil der Magdeburger gilt weltweit als Qualitätssiegel.

Das Hauptquartier der Magdeburger Viren-Sammler liegt in einer alten Villa. Auf mehreren Etagen befinden sich von den Entwicklern bis zu den Testern die verschiedenen Abteilungen. "Wir haben uns bewusst gegen einen grauen Bürokomplex entschieden. Unsere Mitarbeiter sollen sich wohlfühlen", sagt Habicht. In einem Raum stehen beispielsweise Sportgeräte. "Wir sitzen den ganzen Tag am Computer", sagt Habicht und lacht.

Im Wesentlichen gibt es drei Wege, wie ein Computer sich infizieren kann (siehe Grafik). "Heutzutage werden Computer hauptsächlich über E-Mail und Webseiten infiziert", erklärt Morgenstern. Entweder wird im Anhang einer Mail Schadsoftware mitgeschickt oder in der elektronischen Post selbst existiert ein Link zu einer "bösen" Webseite. In der Fachwelt ist hier von "Social Engineering" die Rede. Das heißt: Der Nutzer soll dazu gebracht werden, irgendwo draufzuklicken. "Zurzeit sehen wir vermehrt gefälschte Rechnungen der Telekom", sagt Morgenstern.

Ein weiterer Klassiker ist der Zugriff durch Dritte. So kann zum Beispiel ein Angreifer über einen externen Datenträger das System infizieren. Bei vielen Unternehmen ist es den Mitarbeitern beispielsweise verboten, USB-Sticks als Geschenke anzunehmen. Gerade global agierende Firmen werden so immer wieder Opfer von Spionageattacken. Was alle drei möglichen Wege gemeinsam haben: Sie suchen die Schwachstelle im System. Und genau nach der fahnden auch die Spezialisten von AV-Test.

Im Grunde verhalten sich die Magdeburger Experten somit wie ein argloser Nutzer. "Wir besuchen eine bösartige Webseite, die wir vorher analysiert haben, mit einem ganz normalen Browser und verhalten uns wie ein argloser Nutzer", sagt Morgenstern. Es wird jeder Download akzeptiert und jede Datei ausgeführt. "Wir prüfen dabei, ab wann die Sicherheitssoftware eingreift und die Aktion verhindert", so Morgenstern weiter.

Am Ende eines Zertifizierungsdurchlaufes - der zwei Monate dauert - haben die Computerexperten dann mehr als 100 bösartige Webseiten parallel mit 40 Produkten geprüft. Am Ende dieser Testreihe kann dann mit an Sicherheit grenzender Wahrscheinlichkeit gesagt werden, welches Produkt vor einer Attacke schützt - und welches nicht. Die Urteile der Magdeburger sind so gefragt, dass die sich demnächst vergrößern und mehr Mitarbeiter einstellen wollen.

"Wir wollen weiter wachsen", sagt Guido Habicht. Nächstes Jahr feiern die Viren-Sammler zehnjähriges Bestehen. "Das Bewusstsein für Sicherheit im Netz ist gestiegen", sagt Habicht. Debatten wie die um Spionage des US-Geheimdienstes haben diesen Trend verstärkt.

So kooperiert AV-Test mit der Otto-von-Guericke-Universität, der Fachhochschule Stralsund und dem Bundesamt für Sicherheit in der Informationstechnik. Mittlerweile sind die Magdeburger so bekannt, dass sogar Branchen-Götter wie der Russe Eugene Kaspersky - selbst Software-Unternehmer - nach Sachsen-Anhalt kommen. Er wurde für ein besonders gutes Produkt ausgezeichnet. "Dass er persönlich da war, war dann wiederum für uns eine Ehre", sagt Habicht.