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Otto ist digital Ein Klang-Computer für die Musiktherapie in Magdeburg

Wie Sabine Hackbeil moderne Technik bei der Arbeit mit Menschen mit Behinderungen nutzt.

11.08.2022, 10:00
Sanine Hackbeil (2. v. l.)   nutzt den  Klang-Computer bei der   Betreuung von Menschen mit Behinderungen.
Sanine Hackbeil (2. v. l.) nutzt den Klang-Computer bei der Betreuung von Menschen mit Behinderungen. Foto: Pro M

Magdeburg (vs) - Menschliche Zuwendung ist für Menschen mit Schwerstmehrfach-Behinderung das Wichtigste in der therapeutischen Arbeit. Hat da Digitalisierung überhaupt einen Platz? „Ja, ist Sabine Hackbeil überzeugt, aber nur als Hilfsmittel, das völlig neue Möglichkeiten der Therapie eröffnet.“

Die Musiktherapeutin für Bewohner mit schweren körperlichen und geistigen Einschränkungen in Einrichtungen der Pfeifferschen Stiftungen Magdeburg weiß um die Kraft von Musik, Freude und Motivation zu sein.

Beruf und Berufung

Sie erlebt das jeden Tag in ihren Singekreisen oder im Instrumentalunterricht, wo es nicht um Perfektion, sondern um das Erleben des eigenen Erfolgs behinderter Menschen geht, wenn sie den Instrumenten Klänge entlocken.

Welche Instrumente das sind, ist nebensächlich. Das kann ein Schlagzeug sein oder die Begeisterung für die Zither. Doch nicht jeder ist in der Lage, mit seinen Fingern ein Instrument zu spielen, sitzt im Rollstuhl oder ist blind. Da braucht Sabine Hackbeil viel Kreativität, um auch diesen Schwerstbehinderten die Teilhabe zu ermöglichen. Da kommt der digitale Motion Composer ins Spiel. „Eigentlich ist es ein ganz normaler Computer“, erläutert die Musiktherapeutin, die außerdem an der Hochschule Magdeburg-Stendal doziert, aktive Kirchenmusikerin und Instrumentallehrerin ist. In den Pfeifferschen Stiftungen vereint sie Beruf und Berufung.

Hochsensible Kamera wandelt Bewegungen in Geräusche um

„Das Besondere an dem Computer ist die hochsensible Kamera, die jede kleine Bewegung, ob von rechts nach links oder von oben nach unten, aufnimmt und über den Computer in Geräusche verwandelt.“ Diese Geräusche sind den behinderten Bewohnern meist bekannt. Das kann das Summen von Bienen ebenso sein, wie das Plätschern von Wasser oder das Klirren von Metall. Je nach Art der Bewegung sind natürlich auch andere Klänge möglich. „Einer von unseren jungen Bewohnern liebt besonders Techno-Rhythmen und ist von dem Motion Composer besonders begeistert.“

Die Idee für die Anschaffung des Motion Composers kam von Kolleginnen in den Pfeifferschen Stiftungen, die das Gerät auf einer Fortbildung im Jahr 2016 kennengelernt hatten. Sie warben für eine Anschaffung des mehr als 10.000 Euro teuren „Bewegungskomponisten“. Das Gerät wurde 2017 dann mit Fördermitteln der ZDF-Lotterie „Aktion Mensch“ für den Arbeitsbereich von Sabine Hackbeil erworben.

Ganz wichtig für die engagierte Musiktherapeutin ist, mit dem Motion Composer alle Teilnehmer ihrer Veranstaltungen einbeziehen zu können. So entsteht eine Art gemeinsames Konzert der Klänge. Das ist besondere Motivation für die Akteure, denn das Gemeinschaftserlebnis schafft nicht nur Freude, sondern stärkt den Zusammenhalt und gibt die Kraft, mit den eigenen Einschränkungen fertig zu werden. „Wir schaffen etwas gemeinsam!“

Die Arbeit mit dem digitalen Musikwerkzeug in den Pfeifferschen Stiftungen ist für Sabine Hackbeil allerdings keine Einbahnstraße. Da sie an der Hochschule Magdeburg-Stendal nicht nur studiert hat, sondern auch dort lehrt, ist der Kontakt dorthin natürlich eng.

Erfahrungen mit digitalen Helfern fließen in Lehre ein

Ihre Erfahrungen und Ergebnisse der therapeutischen Arbeit mit dem digitalen Helfer fließen somit auch in die Lehre für die derzeit Studierenden ein, die so praktisch erfahren, wie man damit arbeiten kann. So kann sie aus eigenem Erleben vermitteln, dass beispielsweise ein blinder Bewohner mit so viel Sensibilität seine Bewegungen in Klänge verwandelt, dass sie selbst oft staunt, wie er das macht. „Auf diese Weise wird ein Zugang zu einem völlig neuen Erfahrungsfeld durch Digitalisierung ermöglicht“, erläutert sie bewegt.

Auch Heilerziehungspflegerinnen und -pfleger, die in Magdeburg ihre Ausbildung absolvieren, waren schon bei der Musiktherapeutin, um von diesen zusätzlichen Möglichkeiten zu erfahren. „Digitalisierung ersetzt nicht den Menschen“, ist sich Sabine Hackbeil sicher, aber sie eröffnet neue Möglichkeiten für behinderte Menschen.