1. Startseite
  2. >
  3. Lokal
  4. >
  5. Nachrichten Magdeburg
  6. >
  7. Ein Mann, ein Wort, ein Schrubber: Kreideaktivist putzt Häuser am "Hassel"

Flashmob-Initiator André Assmuss reagiert auf Anliegerkritik mit Eigeninitiative Ein Mann, ein Wort, ein Schrubber: Kreideaktivist putzt Häuser am "Hassel"

Von Katja Tessnow 09.08.2012, 05:22

André Assmuss hat vom Koch zum Putzmann "umgeschult". Seit Dienstag investiert der 28-Jährige Freizeit in die Reinigung von Häuserwänden am Hasselbachplatz. Der Schreck über kritische Nachklänge seiner Malaktion vom Wochenende sitzt ihm in den Gliedern.

Altstadt l Ziemlich zweifelsfrei verfolgte André Assmuss keinerlei böse Absichten, als er die Magdeburger am vergangenen Sonnabend via Internet und organisatorisch ausnehmend unbedarft zum sogenannten "Kreide-Flashmob" auf den Hasselbachplatz einlud. Der Begeisterung von rund 1200 vorwiegend jungen Kreidemalern mischten sich in den Tagen nach der Malparty einige Missklänge bei. Anlieger beklagen beschmierte Wände. Die Polizei droht mit einer deftigen Rechnung für ihren sichernden Einsatz. Die Reaktionen Unbeteiligter reichen von "tolle Idee" und "kleinkarierte Kritiker" bis zur Forderung, die Polizei möge im Wiederholungsfall gleich mit Wasserwerfern vorfahren und Menschen wie Kreide gleichermaßen vom Platz spülen.

André Assmuss spült derweil den Schrubber im Eimer aus. "Ich habe schon nachts von eins bis halb drei geputzt", gibt er gestern Mittag - im nachbessernden Putzeinsatz unterwegs - zu Protokoll. Ein paar begeisterte "Flashmobber" vom Sonnabend hätten spontan geholfen und sogar zwei Mitarbeiter der Stadtreinigung, die den nächtlichen Privatputzern zufällig begegneten. Assmuss: "Die hatten professionellere Geräte dabei und haben uns tatkräftig unterstützt."

Der Initiator der Wochenend-Malparty hatte im Vorfeld der Aktion den Mund voll genommen und versprochen, "sich zur Not selbst mit dem Wasserschlauch hinzustellen", falls der nächste Regen die Reinigung nicht von allein richte. Der Regen reinigte den Boden; mehr nicht.

Nun bewies Assmuss Kreuz und dass er Wort hält, als er sich zu Wochenbeginn bei verärgerten Geschäftsanliegern und Hausverwaltern persönlich als Verursacher vorstellte und fragte, ob und wie er bei der Reinigung behilflich sein könne. Sein Bedauern darüber, dass sich nicht alle Kreidemaler seiner Aufforderung folgend ausschließlich an Straßen und Wege hielten, sondern auch an Häuserwände kritzelten, mutet glaubhaft an. "Der Schuhmacher zum Beispiel, der schon 80 Jahre hier am Platz ist und so was noch nicht erlebt hat, tut mir echt leid", sagt Assmuss, als er eben dessen Geschäftswände kräftig unter den Schrubber nimmt.

Die Schuhmacherfamilie Diederichs ist drinnen derweil schon von neuen Nachwehen der nächtlichen Kreideattacke geplagt. Ein Fernsehteam nach dem anderen gibt sich im Laden die Klinke in die Hand und sammelt Stimmen zur Kreide-Story aus Magdeburg. Der Umstand, dass sich 1200 friedliche Kreidemaler jetzt Kritik ausgesetzt sehen und ihrem Einlader sogar der wirtschaftliche Ruin droht, weil die Polizei ihm eine deftige Rechnung für ihren sichernden Einsatz in Aussicht stellt, sorgt national - mindestens in Zeiten des medialen Sommerlochs - für einiges Aufsehen.

Die Polizeipressestelle erklärte gestern auf Nachfrage, dass die Prüfung zur Frage, ob Assmuss die Kosten des Polizeieinsatzes tragen muss, noch andauere.

Die Polizei war, nachdem sie vom geplanten Spektakel im Vorfeld Kenntnis bekam, aus eigenem Antrieb mit einer Hundertschaft zum Ort des Geschehens ausgerückt. Zwar bilanzierten die Beamten einen friedlichen Ablauf; die Sperrung des Verkehrsknotens erwies sich jedoch - auch zur Sicherheit des malenden Menschenauflaufs - als dringend nötig.

André Assmuss, obwohl immer noch einigermaßen stolz auf seine Flashmob-Idee und das bunte Spektakel in der Sonnabendnacht, waren die unliebsamen Folgen seiner spontanen Einladung offenbar nicht bewusst. Er gelobt: "Ich mache so was mindestens die nächsten zehn Jahre nicht wieder. Das habe ich am Sonnabend auch schon der Polizei versprochen."