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Entlassungen Magdeburger Windenergie-Bauer wehren sich

Mitarbeiter der Magdeburger Enercon-Tochter WEC Turmbau wollen, dass das Werk bleibt. Sie fordern unternehmerische Verantwortung ein.

Von Martin Rieß 29.04.2020, 01:01

Magdeburg l „WEC Turmbau GmbH Magdeburg = unsere Arbeitsplätze = unsere Zukunft“ steht auf einem Schild, das Mitglieder des Betriebsrats am 27. April 2020 zu einem Treffen vor dem Tor des Unternehmens am Hansehafen mitgebracht haben. Mit dem Betriebsratsvorsitzenden Pierre Schadeck und Gewerkschaftssekretär Thomas Waldheim von der IG Metall sind unter anderem Andreas Dittmar, Tino Hesse, Sven Werner, Detlef Weber, Gerald Lindner und Marcus Sand gekommen.

Was klingen könnte wie ein Bekenntnis zum Arbeitgeber, ist ein Ausdruck der Verzweiflung. Vor anderthalb Wochen haben die 143 Mitarbeiter erfahren, dass das Unternehmen geschlossen werden soll, da der Windkraftanlagen-Hersteller Enercon keine Betonsegmente aus Magdeburg mehr geliefert bekommen möchte.

Pierre Schadeck sagt: „Die Motivation ist natürlich auf einem Tiefpunkt.“ Einfach aufgeben möchten die Mitarbeiter aber nicht. Am Donnerstag hat der Betriebsrat ein erstes Gespräch mit der Geschäftsführung zur für Ende Juni 2020 geplanten Schließung des Unternehmens geführt. Danach hat er, unterstützt von einem Rechtsanwalt und einem Wirtschaftsprüfer, einen Fragenkatalog erstellt. „Wir erwarten jetzt schnellstmöglich schriftliche Antworten“, sagt der Vorsitzende des Betriebsrats.

Denn überzeugend erklären konnte den Mitarbeitern bislang niemand, warum das Aus für WEC Turmbau notwendig ist. Noch vor kurzem habe es so geheißen, dass Magdeburg gesichert sei, auch angesichts einer guten Erreichbarkeit des Standorts auf dem Wasserweg, der Eisenbahn und auf der Autobahn. Im Gegensatz zu früheren Aussagen soll dies jetzt aber nicht mehr gelten. „Das müssen wir uns einmal näher erläutern lassen“, sagt Pierre Schadeck.

Und: „Zur Fürsorgepflicht eines Arbeitgebers gehört es beispielsweise, für Aufträge zu sorgen“, sagt er. Im Blick hat er dabei eine Zusage des Unternehmens aus dem Jahr 2018, als eine erste Kündigungswelle die Mitarbeiter heimgesucht hatte. Es sei zugesichert worden, nach neuen Geschäftsfeldern abseits von Enercon zu suchen. Aus Sicht des Betriebsrats ist dies nie ernsthaft geschehen und damit sei die 2018 getroffene Vereinbarung gebrochen worden. „Dennoch könnte das auch jetzt noch eine Möglichkeit sein – die Geschäftsführung müsste sich nur ernsthaft darum bemühen.“

Eine Voraussetzung wäre wohl, dass Enercon zu dem Unternehmen steht. Einer derer, die von dem Konzern schwer enttäuscht sind, ist Detlef Weber. Er hat eine Weste von einer Demonstration mitgebracht, als er und andere WEC-Mitarbeiter 2016 gegen Einschnitte beim Ausbau der Windkraft in Deutschland in Berlin demonstriert hatten. Er sagt: „Wir haben damals gearbeitet, dass der Konzern in guten Zeiten 400 bis 600 Millionen Euro Gewinn einfährt. Wir sind für ihn auf die Straße gegangen.“

2018 bei der ersten Entlassungswelle sei den Mitarbeitern aber deutlich gemacht worden, dass sie nur ein Zulieferer seien, dass sie nicht dazugehören. Darüber wundert sich beispielsweise auch Andreas Dittmar: „Jede Entscheidung im Haus muss von Enercon abgesegnet werden. Überall hängen Unternehmensgrundsätze von Enercon als angeblich familienfreundlichem Unternehmen. Daran sollten sie sich jetzt selber mal halten.“

In diesem Zusammenhang sieht Gewerkschaftssekretär Thomas Waldheim auch ein ausdrückliches Versagen der Politik. Dass Parteien einander bekriegen und gar nicht nach einer Lösung im Sinne der Mitarbeiter suchen wie 2018 geschehen oder dass auf neue Arbeitsplätze im Bereich der Logistik verwiesen werde – das helfe beispielsweise den Betonbauern, die seit 20 Jahren in dem Werk arbeiten, nicht. „Die Politik muss dafür sorgen, dass keine Firmengeflechte entstehen, die solch einen Umgang mit den Menschen ermöglichen“, so seine Forderung. Zumal auch die Frage beantwortet werden müsse, was aus den Fördergeldern von laut Betriebsrat sieben Millionen Euro wird, die in das Werk geflossen sind.