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Erinnerungen Auch die Stasi bestellte bei Coca-Cola

Wie lief der Betrieb der Coca-Cola-GmbH in Magdeburg zu DDR-Zeiten? Antworten kennt Uwe Streuer, dessen Familie in dem Betrieb arbeitete.

Von Christina Bendigs 13.02.2019, 00:01

Magdeburg l Stempel, Trichter, Werbe-Artikel – bei Uwe Streuer gibt es noch einiges, das an die Geschichte der Coca-Cola-GmbH in Magdeburg erinnert. Viele seiner Familienangehörigen arbeiteten in dem Betrieb, ebenso wie er selbst.

Ab 1964 als Schüler und später als Student war Uwe Streuer für den Betrieb tätig, in dem sein Vater als Betriebsleiter arbeitete. „Die Produktionstechnik war im Wesentlichen der Stand von 1935“, erinnert er sich. Alle Maschinen wurden durchgängig von Hand bedient. Kernstück seien drei Abfüllanlagen gewesen, von denen eine produktionsbereit gehalten worden sei – entweder mit noch vorhandenen Ersatzteilen oder mit improvisierten Neuanfertigungen.

Pro Schicht konnten auf diese Weise 500  Kisten abgefüllt werden. Doch die Produktion sollte gesteigert werden. Nachdem Ende der 1960er Jahre eine Lagerhalle im ausgebombten Gebäudeteil errichtet worden war, sollte auch die Abfülltechnik modernisiert werden. Nach längerem Kampf mit den staatlichen Stellen seien einige neue Anlagen bereitgestellt worden. Dazu zählten eine Waschmaschine, ein automatisierter Korker, eine Etikettiermaschine und Plattentransportbänder.

Neue Abfülltechnik sei hingegen nicht zugebilligt worden, berichtet Streuer. „Also mussten wir aus den alten Füllern etwas machen“, erzählt er. Das Vorhaben hatte Erfolg: Zwei der alten Füller wurden aufgerüstet und in die modernisierte Gesamtanlage integriert. „Insgesamt konnten wir die Produktionskapazität auf das etwa 2,5-Fache steigern“, erzählt Streuer. Als Lohn gab es Prämien.

Wurden die Getränke von Fanta, Zitro und der Kassenschlager Sport-Cola zunächst selbst abgeholt, wurde später auch ausgeliefert. „Der Fuhrpark wurde durch zwei Fahrer mit jeweils einem Pritschenwagen vom Typ Barkas 901 bestritten“, so Streuer. Das Fahrzeug konnte 45 Kisten laden. Die wurden an kleine Ladengeschäfte ausgeliefert. „Große Kunden, wie die ersten Kaufhallen oder die Großbetriebe wie das Sket nahmen auch die ganze Wagenladung ab“, erzählt er.

Einen Leistungssprung bei der Auslieferung brachte die Eröffnung des Magdeburger Rings, damals „Westtangente“ genannt. „Plötzlich brauchte man für eine Tour zum Sket weniger als eine Stunde“, erinnert sich Streuer. Und so waren zehn Touren pro Tag möglich. Bei voller Belastung stieg bald der Aufwand bei der Instandhaltung. Diese wurde in Eigenregie durch die Fahrer gewährleistet.

Immer wieder hat Streuer auch die Wertschätzung gegenüber den Getränken erlebt. In der Fischbratküche an der Halberstädter Straße, gegenüber der Einmündung zur Rottersdorfer Straße, habe der Fahrer stets ein stattliches Fischfilet mit Kartoffelsalat bekommen. Fehlten im Sket Flaschen für die Belegschaft, sei auch schon mal die Parteileitung der SED bemüht worden. Aber die Fahrer brachten vom Sket immer mal wieder Produkte der Sonderversorgung für die eigene Belegschaft mit – Südfrüchte zum Beispiel oder Ungarische Salami.

Doch auch die Sicherheit sei nicht zu kurz gekommen, erinnert sich Streuer. Schon in den 1960er Jahren bestellte auch die Stasi bei Coca-Cola. Wenn die Bezirkszentrale der Staatssicherheit an der Walther-Rathenau-Straße beliefert wurde, sei der Fahrer beim Hereintragen der Kisten stets von einem bewaffneten Mitarbeiter begleitet worden, „er hat uns beim Transport von Voll- und Leergut treppauf, treppab begleitet und nicht aus den Augen gelassen“.

Die Belegschaft blieb immer klein und überschaubar bei etwa 15 Personen. Dazu gehörten der Niederlassungsleiter und Meister, die beiden Fahrer, zehn Produktionskräfte und hin und wieder auch Pauschalkräfte. Außerdem verdiente sich Uwe Streuers Großvater als Heizer, Bote und Tischler noch etwas zu seiner Rente hinzu.

Man sei um ein gutes Betriebsklima bemüht gewesen. Jährlich habe es Ausflüge mit dem Bus gegeben, Weihnachtsfeiern, der Weihnachtsbraten für die Mitarbeiter wurde vom Betrieb zur Verfügung gestellt und im Geschäft „Wild und Geflügel“ an der Lübecker Straße gekauft. Zudem habe es Jahresendprämien gegeben. Abwechselnd wurden Mitarbeiter freigestellt, die sich täglich um eine warme Mahlzeit für die Mitarbeiter kümmerten.

Ganz allgemein könne gesagt werden, dass das alles wesentlich durch die Familie Streuer im weitesten Sinne beeinflusst wurde, denn sie war in unterschiedlicher Besetzung und Verantwortung mit der Coca-Cola-GmbH nach dem Krieg bis zu ihrer Auflösung im Jahr 1982 verbunden. Dazu gehörten Oskar Streuer, der bis 1961 zuletzt als Niederlassungsleiter tätig war, sein Schwiegersohn Wolfgang Schönkäse, Oskar Streuer Senior, Hildegard Streuer, als Ehefrau von Oskar Streuer junior, die ab 1963 in Personalunion als Niederlassungsleiterin und Buchhalterin tätig war, sowie Uwe Streuer.

Sein Vater, Oskar Streuer junior, wurde über 100 Jahre alt und hat seine Erinnerungen auf Wunsch der Familie aufgeschrieben. Unter anderem erinnert er sich an den 17. Juni 1953. Als der Fahrer das Sket belieferte, sei er aufgefordert worden, sich dem Streik anzuschließen. So richtig geheuer sei das den Fahrern aber nicht gewesen. Und so hätten sie sich bei der ersten Gelegenheit abgeseilt. Oskar Streuer schickte die Belegschaft anschließend nach Hause.

Oskar Streuer junior hat auch aufgeschrieben, was im Zuge der Verstaatlichung der Betriebe mit der Coca-Cola-GmbH geschah. Die Akten und Konten des Betriebes wurden geschlossen und die Verwaltung des betriebseigenen Grundstücks in Magdeburg einer Grundstücksverwaltung übergeben. Aus dem Produktionsbetrieb, der Coca-Cola in Verwaltung, wurde der VEB Erfrischungsgetränke mit seinen drei Betriebsteilen der Coca-Cola-GmbH in Magdeburg, Leipzig und Chemnitz (Karl-Marx-Stadt). 1976 wurden die Standorte getrennt und die Coca-Cola in Magdeburg dem VEB Getränkekombinat zugeordnet und 1982 schließlich gänzlich als Produktionsstätte geschlossen.