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Wolf Kauschmann hat als ehemaliger Reiseleiter viel erlebt und zu erzählen - auch von Romantik mit abruptem Ende Esel, Poseidon und Händchenhalten auf Capri

22.10.2012, 01:20

Nach dem Urlaub ist vor dem Urlaub - die Herbstferien stehen schon wieder vor der Tür. Wir sammeln derweil weiter Ihre schönsten, kuriosesten Urlaubsgeschichten. Die besten werden mit Reisegutscheinen belohnt.

Magdeburg (jw) l Noch immer ist die Postmappe gut gefüllt, so dass wir Ihnen heute gleich mehrere Geschichten erzählen können. Die eine stammt von Wolf Kauschmann, der früher für mehrere Veranstalter in seinem Urlaub als Reiseleiter gearbeitet hat. Er berichtet:

"Hauptreiseziele waren die Toskana, der Golf von Neapel und Sizilien. Eigentlich verliefen alle Reisen problemlos, keine Unfälle, keine Verspätungen - eigentlich, bis auf eine Reise.

Es war eine Wanderreise, bei der die Wanderungen eher ausgedehnte Spaziergänge waren. Diese Reise führte nach Ischia und Capri, die Reisegäste waren überwiegend älter, aber rührig, gut zu Fuß und fröhlich. Unser erster Standort war ein kleines Hotel in Sant Angelo auf der Insel Ischia, das von einer ebenso energischen wie liebenswürdigen Wirtin, der Donna Anna, geführt wurde.

Das Dorf ist absolut autofreie Zone. Busse, Lastwagen und Pkw müssen oberhalb des Ortes parken, jeglicher Transport innerorts fand mit Esel oder Handkarren statt.

Wir hatten unsere Spaziergänge und Besichtigungen auf der Insel absolviert. Einige Gäste hatten meine Warnung, am Maronti-Strand auf keinen Fall barfuß zu wandern, selbstverständlich ignoriert. Der Strand ist wunderschön, gut acht Kilometer lang und scheinbar feinsandig. Das ist jedoch ein Irrtum, der "Sand" ist das Verwitterungsprodukt des Epomeo-Vulkans und besteht aus vulkanischem Glas, das sich zwischen die Zehen setzt und die Haut aufreibt. Es gab also einige Fußkranke, die den Rückweg nicht schaffen konnten.

Am Südende des Strandes kam dann ein Piaggio-Dreirad angefahren, der Fahrer war auch gerne bereit, uns zu fahren, das Gefährt war für 12 Personen aber viel zu klein. Der freundliche Mann verschaffte also seinem Vetter auch noch einen kleinen Verdienst und wir bretterten in drangvoller Enge mit den kleinen Fahrzeugen die Berge rauf und runter bis zur nächsten Bushaltestelle. Lustig war es allemal. Am nächsten Morgen sollte der Transfer nach Capri per Schiff von Ischia Porto stattfinden, Abfahrt 6.30 Uhr. Am Abend hatten alle noch etwas zusammen gesessen, waren aber ziemlich zeitig in die Zimmer verschwunden. Ich stellte also auch meinen Wecker und sank in Schlaf.

Irgendwann klopft die Signora an meine Tür: Signore Wolf, wo bleiben Sie denn? Ich schrecke hoch und meine Uhr zeigt 6.20 Uhr! Rein in die Klamotten, Koffer und Tasche geschnappt, Bacio für Donna Anna und im Sprint Richtung Bus. Plötzlich ruft Donna Anna hinter mir her, sie hatte schnell einen alten Mann mit seinem Esel engagiert, der gerade des Weges kam. Der Esel trug also mein Gepäck und ich überlegte, welches Trinkgeld wohl angemessen sei. Eine überflüssige Anstrengung, der Alte nutzte meine Notlage gnadenlos aus und verlangte zahnlos lächelnd umgerechnet 15,- DM für 400 Meter Transportweg - allerdings bergauf. Meine Gäste saßen grinsend im Bus und die Kommentare waren entsprechend. Das Schiff haben wir trotzdem pünktlich erreicht und jetzt hatte Poseidon wohl etwas Mitleid mit mir, jedenfalls wurde das Meer während der Überfahrt immer bewegter und einige meiner sonst so fröhlichen Gäste waren es dann plötzlich nicht mehr.

Während der anschließenden Woche auf Capri war Vollmond. Und wenn der Mond im richtigen Winkel steht, ist das Glitzern des Meeres bei den Faraglioni und der Kontrast der dunklen Felsen nicht nur romantisch, sondern geradezu überwältigend. Der richtige Standort für diese Romantik ist der Belvedere oberhalb der Felsen.

Es war nicht schwer, meine Gäste zu überzeugen, dass wir nach dem Abendessen, unser Hotel war in Anacapri unweit der Villa Axel Munthe, unbedingt mit dem Bus noch einmal runter nach Capri fahren und den Weg zum Belvedere machen müssen. Es ist ein schöner Spazierweg entlang der sogenannten Via Camerelle, ursprünglich ein Viadukt, das zur Villa des Kaisers Tiberius führte, gesäumt von kleinen Geschäften und einigen Restaurants. Heute sind in den Bogenstellungen Luxusgeschäfte, deren Preise jenseits von Gut und Böse sind. Wir kamen also zum Belvedere und standen andächtig in den bezaubernden Anblick des Meeres und der Felsen versunken. Der Vollmond stand riesengroß am Himmel und die romantische Stimmung, die jeden erfasste, war zum Greifen.

"Oh wie schön!" hieß es und selbst ältere Ehepaare, die sonst eher durch einen gewissen Abstand zueinander aufgefallen waren, schmiegten sich aneinander und hielten sich an den Händen. In diese Stimmung hinein ertönte plötzlich ein gewaltiger Pups. Eine ältere Dame mit Lodenrock und Gesundheitsschuhen tanzte um den Belvedere herum und rief dauernd "Oh, wie peinlich!". Ihren langen Rock hielt sie mit beiden Händen nach unten, und bei jedem "Tanzschritt" tönte es erneut und deutlich hörbar. Die Serie hielt gefühlte 20 Sekunden.

Jeder bemühte sich, nicht zu lachen und den Vorfall möglichst zu ignorieren. Nur die romantische Stimmung war im Eimer ...