Experte aus Magdeburg Waldbrände, Dürre und Radioaktivität in Sachsen-Anhalt: Wird das ein gutes Pilzjahr?
Von Harz bis Börde oder Altmark - die Pilzsaison 2022 erreicht im September und Oktober ihren Höhepunkt. Worauf die Sammler achten sollten und welches Rezept sich lohnt, verrät Pilzberater Martin Groß aus Magdeburg.

Magdeburg - Seit dem Frühjahr bis Anfang September mussten sich Pilzsammler noch gedulden - zu wenig Niederschläge habe es laut Ur-Magdeburger Martin Groß bislang gegeben: "Es war einfach zu trocken. Außer ein paar ungenießbare Arten gab es nichts. Ohne Regen gibt es keine Pilze. Doch es geht jetzt langsam wieder los", berichtet der Vorsitzende des Landesverbandes der Pilzsachverständiger in Sachsen-Anhalt e.V. (LVPS) mit 57 Pilzberatungsstellen.
Sachsen-Anhalt: Waldbrände zerstören Pilze nur teilweise
Der Verband koordiniert die ehrenamtlichen Stellen der Pilzberater und ist für deren Weiterbildung zuständig. Dürre, Trockenheit und Feuer - die Waldbrände haben laut dem Verbandsvorsitzenden in den vergangenen Wochen einige Pilze an den betroffenen Flächen zerstört. Doch Pilze sind wahre Überlebenskünstler: "Einige könnten sich, wenn das Feuer nicht zu sehr in den Boden gedrungen ist, mit etwas Feuchtigkeit schnell wieder regenerieren", erklärt Martin Groß.
Laut dem 71-Jährigen können sich nach gewisser Zeit so neue Fruchtkörper bilden, weil Pilzsporen ständig über die Luft auch verteilt werden. Dringend notwendig dafür bleibe jedoch Wasser. So könne ein Waldbrand für bestimmte Pilzarten sogar ein Anschub auslösen, wie man besonders gut in Australien beobachtet.

Verkohlte Erde kann demnach auch als Nährboden dienen, wie zum Beispiel für teure Morcheln. Zusätzlich begünstigten die warmen Temperaturen das Wachstum von Steinpilzen. Eigentlich sei Italien auf der Südseite der Alpen das Gebiet für Steinpilze: "Wenn es auf den warmen Böden regnet, können wir auch dieses Jahr noch mit Steinpilzen vermehrt rechnen. Das sieht Groß so oder so auch verstärkt in Sachsen-Anhalt gar deutschlandweit als Zukunft. So gehört dieser eher wie auch die Pfifferlinge noch zu den Sommerpilzarten.
In kleineren Waldstücken und selbst im Park vor der eigenen Haustür hat der eine oder andere seine Geheimstellen, Martin Groß schaut so optimistisch auf die Pilzhochsaison 2022: "Pilzliebhaber haben noch gute sechs Wochen bis Ende Oktober, in denen sie mit einem guten Wachstum und Sammelgut rechnen können. Sollten jedoch Fröste früher kommen, dann ist die Hochsaison zu Ende. Erst später folgen dann die frostresistenten Winterpilze, falls sie dieses Jahr kommen", ergänzt er.
Tschernobyl-Katastrophe: Immer noch radioaktiv belastete Pilze bei Havelberg
36 Jahre nach der Reaktor-Katastrophe von Tschernobyl können Pilze in Bayern immer noch radioaktiv kontaminiert sein, darauf wies bereits im August 2022 das Bundesamt für Strahlenschutz (BfS) hin. Auch in einem Gebiet in Sachsen-Anhalt sind Pilze noch immer mit dem Hauptnukleotid Cäsium 137 belastet: "Betroffen sind, soweit wir von den essbaren Pilzen sprechen, nur noch die Maronen-Röhrlinge aus dem Waldgebiet zwischen Müggenbusch und Kümmernitz, nordöstlich von Havelberg. Diese sollen nicht verzehrt werden und dürfen nicht in den Handel gebracht werden", erklärt Martin Groß.
Es ist das einzige Gebiet in Sachsen-Anhalt, wo Maronen den zulässigen Wert für Radioaktivität überschreiten. Genau wie in Bayern hatte die Wetterlage dort nach der Atomreaktorkatastrophe von Tschernobyl im Jahr 1986 für eine nachhaltige Kontamination mit Radiocäsium gesorgt - im Rest von Sachsen-Anhalt nicht. "Untersuchungen zum Thema haben bestätigt, dass es bis auf diese eine Ausnahme in Sachsen-Anhalt keinerlei Belastungen mehr bei Wildpilzen gibt", gibt Martin Groß Entwarnung.
"Die zwei bis drei Male, wo man Maronen isst, bleiben somit bedenkenlos."
Martin Groß
Dies werde systematisch von Lebensmittelüberwachungsbehörden untersucht: "Es gibt alle drei Jahre eine repräsentative Probeentnahme in Sachsen-Anhalt. 2019 lagen wir bei circa 125 Becquerel pro Kilogramm Frischmasse Maronen", erklärt der langjährige Pilzberater. Zugelassen sind bis zu 600 Becquerel pro Kilogramm Frischmasse essbarer Wildpilzen. "Die zwei bis drei Male, wo man Maronen isst, bleiben somit bedenkenlos. Angst muss man davor nicht haben", so Martin Groß.
Regionen in Sachsen-Anhalt fürs Pilze sammeln
Insgesamt lohnt sich laut Pilzexperte die Suche in der Colbitz-Letzlinger Heide, der Dübener Heide, dem Naturpark Fläming und in vereinzelten Gebieten im Harz. Das seien immer noch die Hauptsammelgebiete in Sachsen-Anhalt. Ganz oben in der Altmark ist es derzeit noch zu trocken für das Pilze sammeln. Da müsse man sich noch etwas gedulden.

"Unter Kennern bleibt es ein ungeschriebenes Gesetz: Die besten Sammelorte und Geheimstellen bleiben auch geheim", schmunzelt der Pilzexperte. Am Ende heißt es einfach Augen auf halten: "Ich habe selbst erst vor einer Woche zufällig in Letzlingen auf dem Parkplatz des Jagdschlosses eine ganze Herde Stadt-Champions entdeckt. Frisch gewachsen und ausgezeichnet in der Qualität", berichtet Martin Groß.
"Zu den gängigen Herbstpilzarten, worauf wir uns freuen können, gehören unter anderem der violette Rötelritterling, Edelreizker, Riesenschirmpilz, Hallimasch oder die Täublingsarten", zählt Martin Groß auf. Wobei viele Sammler schon gar nicht mehr diese Arten kennen. Da gelte immer die Grundregel: Sammler sollten Pilze nur mitnehmen, wenn sie diese hundertprozentig kennen und bestimmen können: "Auf keinen Fall Essen, wenn man die Art nicht kennt. Am besten man geht zum Pilzberater", betont der Vorsitzende des Landesverbandes der Pilzsachverständiger in Sachsen-Anhalt e.V. (LVPS). Dies sei noch besser und sicherer, als sich nur auf eine Pilzapp zu verlassen. In Magdeburg gibt es zum Beispiel immer eine jeden Sonntag von 16.00 Uhr - 18.00 Uhr.

Für Sammler, die mit vollen Körben nach Hause kommen, hat er auch noch Tipps für die Zubereitung. So sei es am besten, wenn man Pilze für ein Gericht vermischt: "Ich bin gar kein Freund davon, nur Maronen alleine zu essen", verrät Groß. Hingegen esse man aber Steinpilze und Pfifferlinge grundsätzlich alleine.
Es gibt auch Steaks aus Schwefelporlingen, diese schmecken dann ähnlich wie angebratenes Hühnerfleisch mit einer Pilznote. Die Hüte von Riesenschirmpilze bieten sich außerdem perfekt zum Panieren, wie man es beim Schnitzel kennt an. "Ein wunderbares Gericht. Ansonsten kann ich vor allem mein Lieblingsgericht Spaghetti Al Funghi mit einem schönen Glas Weißwein empfehlen", so der Pilzberater abschließend.