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Forschungsprojekt Mini-Kraftwerke auf der Magdeburger Elbe

In Magdeburg ist ein Forschungsprojekt angelaufen: Auf der Elbe am Wissenschaftshafen erzeugen vier Mini-Wasserrad-Kraftwerke Strom.

Von Ivar Lüthe 27.06.2020, 01:01

Magdeburg l Effiziente Ökostromgewinnung durch Wasserkraft. Darum geht es vereinfacht gesagt bei dem Projekt, das in dieser Form erstmals auf der Magdeburger Elbe in den Dauertestlauf geht. Schon seit mehreren Jahren untersuchen Wissenschaftler der Otto-von-Guericke-Universität im Netzwerk „Fluss-Strom“ neuartige Kraftwerke, die die Fließkraft von Flüssen in Strom umwandeln.

Im Rahmen eines Bündnisses aus den Reihen von Mitgliedern des Netzwerkes wurde 2015 ein durch das Bundesforschungsministerium finanzierter Wachstumskern „Fluss-Strom Plus“ gestartet. Prototypen wie der „River Rider“, ein Katamaran mit einem Wasserrad in der Mitte, sind entstanden. Auf verschiedenen Flüssen wurden sie getestet – und weiter optimiert.

Zuletzt war ein solches mobiles Mini-Wasserkraftwerk 2017/18 auf der Bode bei Bernburg im Testlauf. Jetzt kommt der nächste große Schritt für das Projekt: Vier solcher Wasserrad-Kraftwerke sind am 25. und 26. Juni 2020 auf Höhe des Wissenschaftshafens in die Elbe gesetzt worden.

Verankert und auf dem Fluss schwimmend wandeln sie die Fließkraft der Elbe in Strom um. In dem als Dauertest angelegten Versuch soll nun untersucht werden, wie effektiv und langlebig die kleinen Kraftwerke und ihre einzelnen Komponenten sind. Bei den Prototypen werden zudem verschiedene neue Ansätze kombiniert. Beispielsweise bei der Generatorkonstruktion, der Lagertechnik sowie mit optimierten Wasserrädern, um die Effizienz vergleichen zu können, erläutert Dr. Thomas Schallschmidt vom Institut für Elektrische Energiesysteme der Uni Magdeburg.

Außerdem wird bei dem Test untersucht, in welcher Anordnung die kleine „Flottille“ an Wasserkraftwerken am besten arbeitet. Zunächst sind sie wie ein Karo angeordnet. Später sollen andere Positionen und Abstände ausprobiert werden.

Für Thomas Schallschmidt und die anderen Beteiligten des Projektes beginnt nach einer langen Zeit des Forschens und auch Wartens eine spannende Zeit. Denn der Dauertest hatte eigentlich schon starten sollen. Doch das Niedrigwasser der Elbe machte dem in den vergangenen zwei Jahren einen Strich durch die Rechnung. Für die Kraftwerke an sich ist Niedrigwasser nicht so sehr das Problem. „Schlimmstenfalls setzt der Schwimmkörper auf, das Wasserrad jedoch wird nicht beschädigt“, erläutert Thomas Schallschmidt. Doch um die Kraftwerke zu positionieren, müssen sie mit einem Schiff an Ort und Stelle gebracht werden. Und das braucht nun mal entsprechend Wasser unter dem Kiel. Der aktuelle Wasserstand der Elbe ließ es nun zu.

Außerdem galt es, strenge gesetzliche Vorgaben einzuhalten. Die Kraftwerke müssen ohne ein Aufstauen des Wassers arbeiten können, die Schiffbarkeit muss erhalten bleiben und die Fische dürfen nicht beeinträchtigt werden. „Wir freuen uns, dass es geklappt hat. Es ist schon etwas Besonderes, den praktischen Test direkt vor Ort zu haben. Die Ergebnisse können wir nun direkt verifizieren. Und praktische Beweise sind immer besser als Simulationen“, sagt der Ingenieur.

Etwa fünf Kilowatt Ökostrom aus erneuerbaren Energien produziert jedes der kleinen schwimmenden Kraftwerke permanent. Mit einem könnten also 10 bis 15 Einfamilienhäuser mit Strom versorgt werden. Und die Mini-Kraftwerke bieten einen weiteren Vorteil, sagt Thomas Schallschmidt: „Sie sind grundlastfähig.“ Das heißt: Im Gegensatz zu Sonne oder Wind schwankt Fließkraft nicht so stark, ist fast immer verfügbar und belastet somit das Stromnetz nicht mit großen Schwankungen.

Der Strom, den die kleine „Elb-Flottille“ beim Testlauf erzeugt, wird zunächst nur für das Bordnetzwerk der vier Einheiten sowie für die Untersuchungen der Wissenschaftler verbraucht. Eingespeist in das Stromnetz wird noch nichts, da die nächste Einspeisequelle vom Testort recht weit entfernt ist. Sollte der Test jedoch positiv verlaufen, könnte auch der „Elb-Strom“ ins Netz fließen, sagt Thomas Schallschmidt. Selbst eine Ladestation für Elektro-Fahrräder am Ufer des Testortes könnte er sich durchaus vorstellen.

Die Anwendungsmöglichkeiten der kleinen Wasserkraftanlagen sind vielfältig. National wie international sehen die Projektteilnehmer ein gesteigertes Marktpotenzial von Wasserkraftanlagen für Anwendungen im Bereich der Stromerzeugung mittels mobiler Kleinwasserkraftanlagen als dezentrale Energieversorgung. Neben Deutschland und der EU könnten sie auch in Ländern eingesetzt werden, in denen die Stromversorgung weniger gut ausgebaut ist.

In dem Netzwerk sind sieben Forschungseinrichtungen, darunter die Uni Magdeburg, die Fachhochschule Magdeburg-Stendal, das Fraunhofer-Institut Magdeburg sowie 19 Industriepartner aus der Region und Mitteldeutschland tätig. Im vergangenen Jahr erhielt der „Wachstumskern Fluss-Strom Plus“ den Umweltpreis der Landeshauptstadt Magdeburg.