EIL

Fragen unerwünscht

Halles OB Wiegand lehnt es weiter ab, offene Fragen der Impfaffäre zu beantworten.

Von Alexander Walter 15.02.2021, 21:17
ARCHIV - 28.10.2020, Sachsen-Anhalt, Magdeburg: Halles Oberbürgermeister Bernd Wiegand (parteilos) nach seiner Aussage vor dem Parlamentarischen Untersuchungsausschuss des Landtag in Magdeburg. Wiegand und zehn Stadträte sind entgegen der in der Impfverordnung festgelegten Reihenfolge bereits gegen Corona geimpft worden. (zu dpa «Verstöße gegen Impfreihenfolge in mindestens neun Bundesländern») Foto: Ronny Hartmann/dpa-Zentralbild/dpa +++ dpa-Bildfunk +++
ARCHIV - 28.10.2020, Sachsen-Anhalt, Magdeburg: Halles Oberbürgermeister Bernd Wiegand (parteilos) nach seiner Aussage vor dem Parlamentarischen Untersuchungsausschuss des Landtag in Magdeburg. Wiegand und zehn Stadträte sind entgegen der in der Impfverordnung festgelegten Reihenfolge bereits gegen Corona geimpft worden. (zu dpa «Verstöße gegen Impfreihenfolge in mindestens neun Bundesländern») Foto: Ronny Hartmann/dpa-Zentralbild/dpa +++ dpa-Bildfunk +++ ZB

Magdeburg l Hatte Bernd Wiegand (parteilos) es bislang schon abgelehnt, sich zu bereits beantworteten Fragen erneut zu äußern, tritt Halles OB gestern vollends auf die Bremse. Fragen zum gesamten Komplex des umstrittenen Verfahrens zur Vergabe von Restimpfdosen an den OB sowie Stadträte würden heute nicht beantwortet, teilt Wiegands Sprecher den Journalisten kurz vor Beginn der täglichen Video-Pressekonferenz mit.
Erst wolle man den Stadtrat in der Angelegenheit informieren. In der Tat hatten SPD und CDU dem OB im Zusammenhang mit einer Sonderstadtratssitzung am Freitag einen ganzen Katalog an offenen Fragen zukommen lassen. Die Stadträte wollen etwa wissen, wie viele vorrangig Impfberechtigte vor Wiegand denn tatsächlich angerufen wurden und wie ein vom OB angeführter „Zufallsgenerator“ zur Auswahl der später Geimpften funktionierte. Am Mittwoch soll der Rat zur Beantwortung erneut zusammenkommen.
Anlass für Wiegands Zurückhaltung könnten indes vor allem neue Widersprüche zwischen der Darstellung des Oberbürgermeisters und jener anderer Stellen sein, vermutet manches Ratsmitglied gestern. So schilderte das Diakoniekrankenhaus Halle, in dem Wiegand am 17. Januar seine Erstimpfung erhalten hatte, schilderte deren Zustandekommen am Montag ganz anders, als der OB es zuletzt getan hatte - wie die „Mitteldeutsche Zeitung“ berichtete.
„Wir widersprechen der Aussage von Bernd Wiegand, dass für die Zuteilung der Rest-Impfdosen eines Tages das Krankenhaus zuständig sei, in dem die Impfungen stattgefunden haben“, erklärte Kliniksprecher Udo Israel gestern. In der mit „Gegendarstellung“ überschriebenen Mitteilung heißt es weiter: Es seien an jenem Tag Mitglieder des Katastrophenschutzstabs der Stadt im Impfteam im Klinikum zugegen gewesen. Sie und nicht die Klinik hätten letztlich entschieden, Wiegand zu kontaktieren. Auch hätten dem Krankenhaus keinerlei Namenslisten Impfwilliger vorgelegen. Fazit: Verantwortung für den Ablauf trägt die Stadt, nicht das Krankenhaus.
Wiegand hatte eingeräumt, bereits am 17. Januar im Diakoniekrankenhaus seine Erstimpfung bekommen zu haben. Der OB rechtfertigt das mit einem von seiner Stadt entwickelten „Ad-hoc-Verfahren“ zur Verwendung angebrochener Restimpfdosen. In einem „letzten Anruf“ sollte dieses den Verfall von Vakzin verhindern. Laut Wiegand wurden dabei stets zunächst vorrangig Berechtigte der Priorität 1 (Über-80-Jährige, medizinisches Personal zuerst) gesucht, bevor zuletzt per Zufallsverfahren etwa auch impfwillige Stadträte angerufen wurden.
Die Zweifel an der Version des OB werden dabei immer lauter. CDU-Fraktionschef Andreas Scholtyssek berichtete gestern von zwei Stadträten, die gleich drei Mal in kurzer Zeit befragt wurden, ob sie zur Impfung kommen wollen.
Wiegand behauptet zudem, aus allen acht Rats-Fraktionen habe es Rückmeldungen von Impfwilligen Mandatsträgern gegeben. Scholtyssek indes erklärte gestern, aus seiner Fraktion habe sich niemand gemeldet. Auch aus SPD und FDP sind keine Impfungen bekannt.
Detlef Wend, Mitglied der Bürgerfraktion, hat unterdessen einen Abwahlantrag an fast alle übrigen Fraktionen verschickt. Die Hürden aber sind hoch. Allein der Ingangsetzung des Verfahrens müssten zwei Drittel der 56 Stadträte zustimmen. Die Amtsenthebung selbst müssten 75 Prozent des Rats mittragen, anschließend müsste ein Drittel der Wahlberechtigten die Abwahl befürworten.