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Freizeittipp Frauenkörper und Fotos: „Unverschämt rebellisch“ in Magdeburg

Im Kunstmuseum Magdeburg im Kloster Unser Lieben Frauen wird eine neue Ausstellung eröffnet. Drei Künstlerinnen gehen gängigen Geschlechterrollen nach.

Von Martin Rieß 13.04.2024, 07:20
Annegret Laabs (li.) und Ulrike Rosenbach während der Vorbereitung auf die Ausstellung „Unverschämt rebellisch“ im Kunstmuseum Magdeburg. Im Hintergrund ist „Art is a criminal Action“, eines der bekannten Werke  von Ulrike Rosenbach, zu sehen.
Annegret Laabs (li.) und Ulrike Rosenbach während der Vorbereitung auf die Ausstellung „Unverschämt rebellisch“ im Kunstmuseum Magdeburg. Im Hintergrund ist „Art is a criminal Action“, eines der bekannten Werke von Ulrike Rosenbach, zu sehen. Foto: Martin Rieß

Magdeburg - Sanja Iveković wurde 1949 in Zagreb geboren, Ulrike Rosenbach 1943 in Bad Salzdetfurth in Niedersachsen und Gabriele Stötzer 1953 in Emleben bei Gotha. Die drei Frauen eint, dass sie in der Nachkriegszeit aufgewachsen sind. Sie trennt aber die Grundverschiedenheit ihrer Herkunftsländer: Da ist die DDR als Ostblockstaat, die Bundesrepublik als in der westlichen Staatengemeinschaft verankertes Land und da ist Jugoslawien als sozialistischer Wandler zwischen den Welten. Und auch die künstlerischen Biografien unterscheiden sich markant – Sanja Iveković absolvierte eine klassische Ausbildung an der Akademie der bildenden Künste in ihrer kroatischen Heimatstadt, Ulrike Rosenbach war eine der bedeutendsten Meisterschülerinnen von Joseph Beuys, Gabriele Stötzer hingegen näherte sich nach Exmatrikulation vom Lehramtsstudium und Haft wegen ihres Protests gegen die Biermann-Ausbürgerung der Malerei und Kunst autodidaktisch und wurde zu einer treibenden Kraft in der staatskritischen Kunstbewegung in Erfurt, wo sie am Aufbau der in der DDR einzigartigen Künstlerinnengruppe maßgeblich mitwirkte. Was ist es nun, was die drei doch sehr unterschiedlichen Frauen in einer Ausstellung zusammenführt?

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Museumsleiterin und Kuratorin Annegret Laabs erläutert: „Alle drei haben sich mit Frauen-Fragen auseinandergesetzt.“ Konkret haben sie neben den gesellschaftlichen Verhältnissen insbesondere das Bild der Frau in ihren Heimatländer thematisiert, denen ein patriarchalischer Grundansatz in sehr unterschiedlichen Ausprägungen eben doch sehr gemeinsam war.

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Die drei Künstlerinnen eint, dass sie in ihrer Arbeit auf verschiedene Ausdrucksmittel setzen – auf Performances, auf Grafik, auf Fotografie und Videographie beispielsweise.

Bewegung vor der Venus in den USA

Das Publikum des Magdeburger Kunstmuseums kann in der Ausstellung in frühe Werke der Videokunst eintauchen. Ein weltweit bekannter Klassiker ist hier die „Reflexionen über die Geburt der Venus“ von Ulrike Rosenbach. Mitte der 1970er Jahre hatte sie während ihres Aufenthalts in den USA, wo sie einen Lehrauftrag für Feministische Kunst und Medienkunst am California Institute of the Arts bekleidete, sich selbst in langsam drehenden Bewegungen vor dem Motiv aus „Die Geburt der Venus“ von Sandro Botticelli in Szene gesetzt. Im Magdeburger Kunstmuseum wird die im Jahr 1978 gefilmte Farbversion der Performance gezeigt. Am Rande des Aufbaus ihres Ausstellungsteils berichtete sie: „Damals ging es um die klischeebehaftete Darstellung der Frau in der Kunst und in den Medien.“ Mit ihrer auf einen Film gebannten Performance brachte sie in die Diskussion die europäische Perspektive vor dem Hintergrund eines reichlich strapazierten Motivs ein.

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Unter den anderen Arbeiten von Ulrike Rosenberg auch eine Videoarbeit, die zehn Jahre später stand: Im eisernen Rahmen schüttelt sie ungläubig auf mehreren Monitoren den Kopf, während in der Mitte des Rahmens Ausschnitte eines sexistischen Comics gezeigt werden.

Kleinbürgerliche Klischees in der DDR

Sexistische Comics waren zwar in der DDR kein Thema. Doch auch Gabriele Stötzer setzte in jener Zeit auf den weiblichen Körper als Ausdrucksform. In einem ihrer Videos, das neben den bildlichen Arbeiten gezeigt wird, scheinen gierige Hände als Schatten nach dem weiblichen Körper zu greifen, der bis zu einem bestimmten Punkt der Ästhetik der in der DDR geschätzten FKK-Kultur entspricht. Doch Gabriele Stötzer geht weiter.

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„Mit ihren Arbeiten bäumt sie sich gegen sozialistisch-kleinbürgerlich-dogmatische Tabus ihrer Zeit. Nur in der Kunst findet sie ihren Freiraum für ihr Engagement gegen Entmündigung und Reglementierung“, erläutert Annegret Laabs die Arbeit der Thüringer Künstlerin.

Erinnerung an Partisaninnen in Jugoslawien

Sanja Iveković ist in der gemeinsamen Ausstellung unter anderem mit einer Bilderreihe einer Frau mit Perlen vertreten. Auf dem Motiv ist klein eingeblendet ein Foto von Partisaninnen aus der Zeit des Zweiten Weltkriegs. Mit dieser Foto-Arbeit macht die Kroatin darauf aufmerksam, wie die Frau heute oft gesehen wird – dass sie aber – nur zu oft gegenüber den männlichen Mitkämpfern – in ihrer Rolle im Rahmen des Widerstands gegen den Faschismus vergessen wird.

Provokant auch eine andere Reihe der Künstlerin: In die großformatigen Reklamefotos von Frauen mit Sonnenbrillen, hat sie die Biografien von ganz anderen Frauen montiert, die Opfer von Gewalt geworden sind. Die Sonnenbrillen als Ausdruck von Eleganz und Schönheit rücken damit in den Kontext, mit ihnen die Verletzungen nach Schlägen ins Gesicht verbergen zu wollen.

Öffnungszeiten der Ausstellung und der Standort

Geöffnet ist „Unverschämt rebellisch“ mit Arbeiten von Sanja Iveković, Ulrike Rosenbach und Gabriele Stötzer nach der Vernissage von Sonntag bis zum 30. Juni Dienstag bis Freitag von 10 bis 17 Uhr, Sonnabend und Sonntag und an Feiertagen einschließlich des Pfingstmontags von 10 bis 18 Uhr.

Montags ist sonst geschlossen. Das Kunstmuseum Magdeburg sitzt im Kloster Unser Lieben Frauen in der Regierungsstraße 4 bis 6.

Vernissage: Die Ausstellung wird diesen Sonnabend um 17 Uhr eröffnet. Es sprechen Bürgermeisterin und Kulturbeigeordnete Regina-Dolores Stieler-Hinz und Annegret Laabs, Direktorin des Kunstmuseums Magdeburg. Tanz und Performance bieten Ellen Brix und Kristina Buketova.

Weitere Termine für die Ausstellung im Magdeburger Kunstmuseum

Rebellinnen. – Fotografie. Underground. DDR. ist ein Film von Pamela Meyer-Arndt, der am 17. April um 19 Uhr im Kunstmuseum gezeigt wird. Porträtiert werden Tina Bara, Cornelia Schleime und Gabriele Stötzer – drei Frauen, die in den 1970ern und 80ern in der DDR ihren Willen zur Freiheit in der Kunst zum Ausdruck brachten.

Dialog mit Gabriele Stötzer am 24. April um 19 Uhr im Kunstmuseum: Künstlergespräch mit der Künstlerin in der Ausstellung. In den frühen 1980er-Jahren war Gabriele Stötzer Mitbegründerin der Erfurter Gruppe Exterra XX.

Sonntagsführung mit Dr. Annegret Laabs durch die Ausstellung am 28. April um 15 Uhr.