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Fußball-WM Deutschlands Pleite ist auch meine

Die Pleite der deutschen National-Elf bei der Fußball-WM erlebte eine Volksstimme-Redakteurin in einem Wettbüro in Magdeburg.

Von Christina Bendigs 27.06.2018, 23:05

Magdeburg l Ich bin kein ausgesprochener Fußball-Fan, aber wenn die Weltmeisterschaft oder die Europameisterschaft ausgetragen werden (oder der 1. FCM ein wichtiges Spiel hat), dann schalte ich doch mal ein oder sehe mir die Spiele beim Public Viewing an. Am 27. Juni 2018 kam für mich noch ein zusätzlicher Nervenkitzel hinzu. Denn nachdem ich Hunderte Male an Wettbüros vorbeigelaufen bin, ging ich an diesem Tag zum ersten Mal hinein.

Ich setzte insgesamt zehn Euro – und verlor alles.

15:30 Uhr
Pünktlich um 15.30  Uhr stehe ich am Tresen des Wettbüros in der Leiterstraße in Magdeburg. Jetzt heißt es „Wetten, dass ...?“. Eigentlich wollte ich ja auf Südkorea setzen. Dass dieses Team das Spiel gewinnen würde, erschien mir zwar unwahrscheinlich, würde aber im Fall der Fälle die höhere Quote bringen und damit meinen Gewinn vergrößern. Na ja, und wirklich mit Ruhm bekleckert hat sich die deutsche National-Elf bislang ja auch nicht.

Nun, da ich am Tresen stehe, fühle ich mich in einem Gewissenskonflikt: Kann ich die deutsche Mannschaft noch vor dem Anpfiff symbolisch aus der WM kicken? Ich will kein schlechtes Karma verbreiten und entscheide mich um. Ich setze zwei Euro darauf, dass Deutschland 2:1 gewinnt, gönne mit dem nächsten Zwei-Euro-Tipp Südkorea aber zumindest die erste Halbzeit.

Dann möchte ich zwei Euro darauf setzen, dass Thomas Müller mal wieder ein WM-Tor schießt. Ach, ups, der spielt ja gar nicht. Je zwei Euro setze ich also darauf, dass Toni Kroos wieder trifft, es einen Elfmeter geben und die erste Ecke von Südkorea ausgeführt werden wird. Insgesamt kann ich mit meinen Tipps maximal 49,56 Euro gewinnen.

Um 15.47  Uhr bin ich fertig. Noch schnell ein kühles Getränk geholt und dann erklingen auch schon die Nationalhymnen.

16:00 Uhr
Der Anpfiff erfolgt pünktlich. Jetzt geht es um den Einzug ins Achtelfinale – aber auch darum, dass ich am Ende des Spiels zumindest noch meine zehn Euro wiederbekomme. Ich bin nicht allein im Wettbüro, aber die einzige Frau zwischen etwa 25 Männern, die das Spiel gelassen verfolgen.

16:10 Uhr
Toni Kroos steuert aufs Tor zu. Kann ich jetzt schon meinen ersten Tipp-Schein einlösen? Nein! Leider kein Treffer. Und immer noch keine Ecke, denke ich. Die gibt es doch sonst alle naselang. Noch in der gleichen Minute führt Kroos einen Freistoß aus. Wieder kein Treffer. Verdammt!

16:13 Uhr
Mein erster Tippschein ist dahin. Deutschland spielt den ersten Eckball. Jetzt erklären sich die Metallschalen auf anderen Tischen. In denen kann man die verlorenen Wetten entsorgen. Während ich meinen zähneknirschend beiseite schiebe, gehen die ersten Männer zum Tresen, lösen Livewetten nach, geben Tippscheine ab.

16:18 Uhr
Freistoß für Südkorea. Fällt jetzt das erste Tor, das mir zur Halbzeit 16,67  Euro ins Portemonnaie spült? Schuss. Daneben.

16:19 Uhr
„Bloß nicht wieder in einen Rückstand geraten“, kommentiert Béla Réthy. Na ja, vielleicht nur ganz kurz, nur für die erste Halbzeit, denke ich.

16:48 Uhr
Abpfiff der ersten Halbzeit. Vor dem Wettbüro unterhalte ich mich mit einem jungen Mann, der öfter tippt. „Nur zum Spaß“, sagt er, „und mit kleinen Beträgen.“ Und normalerweise setzt er auf Pferderennen, an diesem Tag aber natürlich auf die Spiele Südkorea gegen Deutschland und Mexiko gegen Schweden, die auf zwei Bildschirmen parallel ins Wettbüro übertragen werden.

Manches Mal habe er schon Erfolg gehabt und mit wenig Einsatz hohe zweistellige Beiträge erspielt. Andere würden richtig viel Geld setzen, erzählt er. Stimmt, denke ich, viel Geld auf Chancen mit großer Wahrscheinlichkeit zu setzen, bringt auch eine größere Summe ein, solange nicht doch das Unwahrscheinliche eintritt.

17:07 Uhr
Die zweite Halbzeit läuft. Schweden geht gegen Mexiko in Führung. Schlecht für Deutschland. Mindestens ein Tor muss fallen.

17:20 Uhr 
Thomas Müller kommt ins Spiel. Wenn der jetzt ein Tor schießt, hätte ich mit meiner Intuition richtig gelegen.

17:24 Uhr
Wieder befindet sich Südkorea im Angriff auf das Tor von Manuel Neuer. „Man, warum schießt der den denn nicht rein!?“, ruft einer meiner Mitzuschauer aufgebracht. Er hat wohl darauf gesetzt, dass Südkorea das erste Tor schießt. Im Wettbüro hat durch die Tipps irgendwie jeder seine ganz eigene Sicht auf das Spiel. Und langsam spannt sich die Stimmung auch im Wettbüro an. „Deutschland braucht mindestens ein Tor“, sagt Béla Réthy. Doch das bleibt nach wie vor aus.

Meine Wettscheine sind mir so langsam egal. Ich wünsche mir nur, dass Deutschland in die nächste Runde kommt. In Jekatarinburg steht es um 17.32  Uhr schon 3:0 für Schweden. In Kasan lassen Tore weiter auf sich warten.

17:43 Uhr
Auch sechs Minuten vor dem Ende der offiziellen Spielzeit steht es 0:0. Vor den Fernsehbildschirmen wird es jetzt enger. Immer mehr versammeln sich direkt davor, als würde das den Spielverlauf ändern.

17:49 Uhr
Tor für Südkorea. Unfassbar!!! Aber sechs Minuten Nachspielzeit. Doch zählt das Tor? Ich gehöre ja zu den Optimisten und noch bin ich überzeugt, da geht noch was. Bis zum Videobeweis. Wie viele Weltmeisterschaften wären wohl anders ausgegangen, hätte es diese Möglichkeit früher auch schon gegeben?

17:54 Uhr
Ach, pfeif das Spiel doch ab, denke ich schließlich, wetten, dass eh kein Tor mehr fällt? Auch diese Wette hätte ich verloren!

18:06 Uhr
Das Duell im Wettbüro zu schauen, hatte auf jeden Fall einen besonderen Reiz, denke ich auf dem Rückweg, aber es bleibt Glückssache. Mein Geld habe ich verspielt und bin über den Ausgang des Spiels enttäuscht. An der Ampel höre ich einen Vater zu seiner Tochter sagen: „Wir waren ja schon mal Weltmeister.“ Und außerdem: In vier Jahren ist wieder Weltmeisterschaft, füge ich in Gedanken hinzu. Wetten, dass ...