1. Startseite
  2. >
  3. Lokal
  4. >
  5. Nachrichten Magdeburg
  6. >
  7. Worte aus der Kirche: Gedanken zum Sonntag: Auf den Flügeln der Morgenröte

Worte aus der Kirche Gedanken zum Sonntag: Auf den Flügeln der Morgenröte

Mit ihren persönlichen Gedanken melden sich Christen in Magdeburg am Sonntag zu Wort. Diesmal Pfarrer Christian Peisker.

23.07.2023, 08:00

Magdeburg (vs) - In diesen Tagen wurde ich an eine sommerliche Lektürefrucht meiner Kindheit erinnert: Familie Melcherson verbringt ihren Urlaub auf einer kleinen Ostseeinsel inmitten der Schärenlandschaft vor Stockholm. In einer lauen Sommernacht ist Pelle, der jüngste Sohn, mit einer Freundin auf einer abenteuerlichen Erkundungstour durch den Inselort unterwegs. Versteckt unter einem geöffneten Fenster hört er über sich eine Frau aus einem Buch vorlesen. Er horcht hin. Zunächst versteht er kaum etwas. Doch dann heißt es: „Auf einmal kamen einige Worte, die aus dem Unerklärlichen heraustraten und zu schimmern begannen … Oh, wie klang es schön. ‚Nähme ich Flügel der Morgenröte, machte ich mir eine Wohnung am äußersten Meer.‘, las Frau Vestermann und dann seufzte sie auf einmal auf, ehe sie weiterlas. Aus der Fortsetzung machte sich Pelle nichts. Es waren nur diese Worte, die durfte er nicht vergessen. Er murmelte sie leise vor sich hin.“

Die Kraft biblischer Worte

Vielleicht haben auch Sie das bezaubernde Kinderbuch „Ferien auf Saltkrokan“ von Astrid Lindgren gelesen? Der Witwer Melcher Melcherson und seine vier Kinder entdecken für sich im schlichten, aber urgemütlichen Schreinerhaus auf Saltkrokan das Paradies neu. Und Pelle stößt in der oben zitierten Szene unvermittelt auf die poetische Kraft biblischer Worte. Einen Satz aus dem 139. Psalm hat er da belauscht. Komplett lautet er: „Nähme ich Flügel der Morgenröte und bliebe am äußersten Meer, so würde auch dort deine Hand mich führen und deine Rechte mich halten.“ (Ps 139,9.10)

Wenn die Seele sich aufschwingt

Worte, die eine große Sehnsucht in uns anrühren. Der sommerliche Traum von Leichtigkeit, Freude und Unbeschwertheit klingt an – endlich mal all die dunklen, belastenden Schatten und Probleme des Alltags hinter uns lassen. Und die Seele kann sich frei wie auf Flügeln zu ungeahnten Höhen oder in noch unerforschte Gefilde aufschwingen.

Solche Erfahrungen wünsche ich Ihnen für die Sommermonate, dass sie getragen auf den Flügeln der Morgenröte – sei es in der Ferne im Urlaub oder in der vertrauen Umgebung zuhause – wunderschöne Orte finden, an denen sie befreit aufatmen und zu sich selbst gelangen können. Und vielleicht eröffnet diese sommerliche Freiheit und Weite ja sogar ungeahnte Begegnungsräume mit Gott, der uns an jedem Ort der Welt schon erwartet.