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Worte aus der Kirche Gedanken zum Sonntag: Zuckertüten für alle!

Mit ihren persönlichen Gedanken melden sich Christen in Magdeburg am Sonntag zu Wort. Diesmal Wolfgang Gerlich, Diakon der Katholischen Kathedralpfarrei St. Sebstian.

20.08.2023, 08:00
Sie ist am Tag der Einschulung eines der größten Highlights für die Kids: die Schultüte.
Sie ist am Tag der Einschulung eines der größten Highlights für die Kids: die Schultüte. Foto: Robert Michael/dpa

Wenn an diesem Wochenende Schulanfänger festlich gekleidet, den Schulranzen auf dem Rücken, begleitet von Eltern und Verwandten, den ersten Heimweg von der Schule antreten, halten sie wohl alle eine große Schultüte in den Armen.

Früher nannte man sie auch Zuckertüte, weil sie meistens viele Süßigkeiten enthielt. Bekanntlich nicht übermäßig gesund. Heute gibt es auch Obst, Spielsachen oder Schulutensilien in die Tüte.

Alte jüdische Tradition beim Lernen der Thora

Eine Überlieferung besagt, dass diese Zuckertüte für Schulanfänger ihren Ursprung in einem älteren jüdischen Brauch hat. Wenn damals jüdische Kinder mit dem Lernen der Heiligen Schrift (der Thora) begannen, bekamen sie einige Süßigkeiten, eingerollt in einem Stück Papier als kleines Geschenk. Das sollte ihnen zumindest den Beginn eines langen und mühsamen Lernens versüßen. Gleichzeitig erinnerte dieser Brauch an eine Stelle in der Bibel, in der etwas ganz Eigenartiges beschrieben wird: Gott selbst reichte dem Propheten Ezechiel eine Schriftrolle mit der Aufforderung, diese aufzuessen! Ezechiel tat dies. Er musste dabei ganz schön kauen. In seinem Bauch wurde sie dann aber süß wie Honig. Das gab ihm Kraft, seine Aufgabe zu erfüllen: den Gedanken an Gott bei den Menschen seiner Zeit wach zu halten. Eine eigenartige Geschichte, aber ein starkes Bild für bestimmte Lebenssituationen.

Ja, manchmal muss ich an irgendwelchen Problemen ganz schön „kauen“ oder auch manches „schlucken“, was mir im ersten Moment nicht passt. Erst später wird alles Früchte tragen, sozusagen „süß“ werden.

Wolfgang Gerlich, Diakon der Katholischen Kathedralpfarrei St. Sebstian in Magdeburg
Wolfgang Gerlich, Diakon der Katholischen Kathedralpfarrei St. Sebstian in Magdeburg
Bistum Magdeburg

Die Einschulungskinder an diesem Wochenende erinnern mich daran, dass es immer wieder Momente im Leben gibt, wo Neues beginnt, voller Unwägbarkeiten, aber auch voller Chancen, mit Erwartungen und Befürchtungen, mit Begeisterung und vielleicht auch Ängsten.

Momente des Zuspruchs sind wichtig

Und oftmals braucht halt alles seine Zeit, bis das Begonnene wirklich als gut erkannt und angenommen wird. Im übertragenen Sinn können dann kleine Zuckertüten helfen. Quasi Zuckertüten für alle! Solche Zuckertüten können Momente des Zuspruchs und der Ermutigung sein, aber auch Augenblicke der Stille, vor allem aber die Einsicht, dass letztlich bei allem, was ich leisten kann, das meiste im Leben tatsächlich ein Geschenk ist. So gut und auch wichtig schulische Leistungen im Lebenslauf sind, den ganzen Menschen werden sie nicht erfassen können und letztlich seine Würde nicht ausmachen.

In vielen Gottesdiensten wird auch aus diesem Grunde für die Schulanfänger, aber für auch andere, für die ein neuer Lebensabschnitt beginnt, gebetet. Besonders allen Schulanfängern wünsche ich von Herzen Gottes reichen Segen!