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Gesetzesänderung Geld oder Gutschein nach Konzert-Absage

Für Veranstaltungen, die in Magdeburg wegen der Pandemie ausfallen oder verschoben werden, ist eine Gesetzesänderung in Kraft getreten.

Von Karolin Aertel 27.05.2020, 01:01

Magdeburg l Corona kappte sämtliche Konzerttermine. Alle Großveranstaltungen sind auf Eis gelegt oder in die Wintermonate verschoben worden. Musikliebhaber befürchten, auf den Kosten für ihre Tickets sitzen zu bleiben. Und seit vergangener Woche ist klar: Sie müssen sich für vor dem 8. März gekaufte Konzerttickets mit einem Gutschein zufriedengeben. Grund dafür ist eine aktuelle gesetzliche Änderung.

Auch Detlef Dörk ist betroffen. Der 69-jährige Magdeburger hatte Karten für das Johannes-Oerding-Konzert, das Mitte März in der Stadthalle stattfinden sollte. Er hatte die Tickets bereits im Dezember vergangenen Jahres gekauft. Nun wurde das Konzert verschoben. Es soll am 6. Oktober in der Getec-Arena stattfinden. Inzwischen ist Detlef Dörk jedoch sehr schwer erkrankt. Die Wahrscheinlichkeit, dass er im Oktober gesundheitlich im Stande sein wird, das Konzert zu besuchen, ist gering bis unmöglich.

In der Tourist-Information Magdeburg versuchte er daher das Geld für die Konzerttickets zurückzubekommen. Vergebens. Lediglich ein Gutschein kann ausgehändigt werden. Detlef Dörk ist enttäuscht, hatte auf Kulanz gehofft. „Das Theater Magdeburg, dem ich auch Karten zurückgeben musste, hat mir anstandslos das Geld zurückerstattet. Dabei haben die es viel nötiger. Ich frage mich, was ist hier los?“, sagt er.

Für den 69-Jährigen, der nur eine kleine Rente bezieht, seien die rund 43 Euro, die das Ticket gekostet hat, viel Geld. „Davon kann ich zweimal Essen kaufen gehen. Es ist ja schön, dass die Veranstalter vor der Pleite bewahrt werden, aber ich benötige das Geld dringend selbst. Mir werden meine Rechte genommen. Das kann doch nicht sein.“

Lars Deutrich, Abteilungsleiter der Tourist-Information Magdeburg, erklärt dazu: „Wir können momentan das Geld nicht zurückerstatten, da es gar nicht bei uns ist. Wir handeln im Auftrag des Veranstalters und sind nicht befugt, diese Entscheidung zu treffen. Dazu benötigen wir eine Stornofreigabe des Veranstalters, und diese haben wir noch nicht.“

Im Fall von Detlef Dörk könnte die Härtefallklausel greifen. Das entscheidet jedoch der Veranstalter, mit dem er sich in Verbindung setzen sollte. Die Härtefallklausel greift, wenn der Gutschein „angesichts der persönlichen Lebensumstände nicht zumutbar ist“. Das müsse jedoch nachgewiesen werden.

Die Absage oder Verlegung zahlreicher Veranstaltungen habe die Veranstalter finanziell vor eine kaum zu bewältigende Herausforderung gestellt. Am 14. Mai 2020 ist der Gesetzesentwurf zur Abmilderung der Folgen der Covid-19-Pandemie im Veranstaltungsvertragsrecht vom Bundestag beschlossen worden. Nach Bestätigung des Beschlusses vom Bundesrat und Unterzeichnung durch den Bundespräsidenten wird das Gesetz nach Abdruck im Bundesgesetzblatt rückwirkend in Kraft treten.

Lars Deutrich erklärt: „Die Organisatoren der Events erhalten damit die Möglichkeit, den Inhabern der Eintrittskarten statt der Erstattung des Eintrittspreises einen Gutschein zu übergeben. Der Gutschein kann dann entweder für eine Nachholveranstaltung oder eine alternative Veranstaltung eingelöst werden. Werden die Gutscheine bis Ende nächsten Jahres nicht eingelöst, ist ihr voller Wert zu erstatten.“

Ähnlich verhält es sich bei Tickets, die in Service-Punkten der Volksstimme oder über biber-Ticket gekauft worden sind. Ticketinhaber können sich an die Service-Mitarbeiter wenden, um zu erfahren, ob der Veranstalter eine Stornofreigabe gegeben hat oder nicht. Denn: Der Veranstalter entscheidet, ob und unter welchen Bedingungen Tickets rückabgewickelt werden. Als Ticketvermittler setzen die Mitarbeiter alles daran, um die Organisation und Abwicklung mit den jeweiligen Veranstaltern im vollen Sinne der Kunden und Fans umzusetzen.

Viele Veranstalter entscheiden sich jedoch für die Gutscheinlösung. Der Inhaber eines solchen Gutscheins kann jedoch die Auszahlung des Gutscheinwertes verlangen, wenn die Annahme eines Gutscheins für sie oder ihn aufgrund der persönlichen Lebensumstände unzumutbar ist oder wenn der Gutschein nicht bis zum 31. Dezember 2021 eingelöst wird. In letzterem Fall bewirke der Gutschein eine bloße Stundung des Erstattungsanspruchs.

Die Verbraucherzentralen kritisieren die Gesetzgebung: „Verbraucher können und sollen gerne Gutscheine akzeptieren, um besonders hart von der Krise getroffene Anbieter und Künstler zu unterstützen. Das muss aber auf freiwilliger Basis geschehen. Denn auch viele Verbraucher leiden derzeit an den Folgen der Pandemie. Viele Menschen benötigen selber ihr Geld und sie müssen weiterhin frei entscheiden können, wofür sie es ausgeben.“

Mit den Fragen, „Wer muss zahlen, wenn die Anbieter nicht leisten können?" Und "wann müssen Verbraucher sich mit Gutscheinen zufrieden geben?“ hat sich auch die Verbraucherzentrale auseinandergesetzt. Denn: Die Rechtslage ist komplex und von aktuellen Entwicklungen geprägt. Das interaktive Tool „Corona-Vertrags-Check“ der Verbraucherzentralen soll nun Antworten auf die häufigsten Fragen rund um abgesagte Veranstaltungen, Käufe im Ladengeschäft, Kurse und andere Dienstleistungen. Und was ist, wenn der Veranstalter Insolvenz anmeldet?

Was am Ende gezahlt werden muss, hängt immer vom Einzelfall ab. Diese Situation führt zu zahlreichen Fragen. Auf den Webseiten der Verbraucherzentralen können Nutzer sich die wichtigsten Antworten für ihren Fall nun selbst generieren. „Die Rechtslage ist für Verbraucher nicht zuletzt aufgrund der aktuellen Änderungen unübersichtlich. Unser interaktives Angebot soll Nutzern Antworten zu den häufigsten Fragen bieten, ohne dass sie viel Zeit mit der Lektüre juristischer Texte verbringen müssen“, sagt Juristin Anne Neumann von der Verbraucherzentrale Sachsen-Anhalt.

In manchen Fällen kann die interaktive Abfrage jedoch nicht helfen. „Wenn zahlreiche individuelle Faktoren eine Rolle spielen, ist es besser, eine persönliche Beratung in Anspruch zu nehmen“, so Neumann.

Die Verbraucherzentrale Sachsen-Anhalt hat eine Hotline mit einem zusätzlichen kostenlosen Beratungsangebot geschaltet. Dafür stehen unter der Telefonnummer 0345/2980333 Experten für alle Anfragen zu Problemen mit Stornierungen oder Kündigungen bei Verträgen für Reisen und aus dem Freizeitbereich zur Verfügung.