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Hilferuf Tafel Magdeburg zwischen Energiekrise und Ukraine-Krieg: "Wir sind zurzeit am Limit" 

Großer Zulauf, weniger Spenden, damit rechnet die Tafel in Magdeburg-Olvenstedt im Herbst und Winter. Die Lage spitzt sich langsam zu. 

Von Jan Dahms 06.09.2022, 03:30
Holger Franke ist seit 2010 Leiter der Tafel in Magdeburg-Olvenstedt.
Holger Franke ist seit 2010 Leiter der Tafel in Magdeburg-Olvenstedt. Foto: Jan Dahms

Magdeburg - Holger Franke sieht die bundesweit rund 900 Tafeln in Deutschland als Seismograph in der Gesellschaft. Er ist seit 2010 Leiter der Ausgabestelle in Olvenstedt – eine von zwei Stellen der Tafel Magdeburg, bei denen bedürftige Menschen Lebensmittel bekommen. Die Folgen der Inflation und der hohen Energiepreise spürt Franke in seiner Außenstelle schon jetzt. 

Die gravierendste Veränderung habe der Tafel-Leiter allerdings im Zusammenhang mit dem Ukraine-Krieg festgestellt. „Wir haben insgesamt bei der Tafel in Magdeburg mittlerweile rund 4.000 ukrainische Flüchtlinge registriert. Zusätzlich zu den Menschen, die immer schon kommen“, erklärt Franke. Eine Garantie, dass jeder Bedürftige Lebensmittel bekommt, gibt es nicht. „Wir sind zurzeit ziemlich am Limit“, so Franke.

Neue Kunden in Olvenstedt würden demnach aktuell unter Vorbehalt registriert. „Wenn Ware da ist, bekommen sie auch was. Wenn keine Ware da ist, dann müssten wir sie leider wegschicken“, erklärt er. Bisher sei es aber so, dass jeder eine Lebensmittelkiste bekomme, so Franke. Die Ausgabestelle der Tafel in Olvenstedt gibt es seit 2006. Organisiert wird sie – wie auch die Zweigstelle in Buckau, die es seit 1998 gibt – von der AQB, eine städtische Gesellschaft zur Arbeitsförderung.

Großer Andrang auf die Tafel in Magdeburg

Derzeit werden in Olvenstedt nach eigenen Angaben täglich etwa 130 Lebensmittelkisten, die etwa mit Gemüse, Brot, Wurst und Käse bestückt einen Warenwert von rund 40 Euro haben können, für einen Betrag von jeweils zwei Euro ausgegeben. Rund 250 Menschen würden so jeden Tag versorgt, schätzt der Leiter der Tafel ein. Denn durchschnittlich würden sich aus jeder Kiste zwei Personen bedienen. Der Andrang auf die Tafeln ist damit deutlich gestiegen. Vor einem halben Jahr wurden demnach noch etwa 90 Lebensmittelkisten in Olvenstedt ausgegeben. „Manche Kunden, die ich schon jahrelang nicht gesehen habe, kommen jetzt wieder, aufgrund steigender Lebensmittelpreise und Energiepreise“, stellt Franke fest.

Die Kundschaft komme dabei mittlerweile nicht nur aus Olvenstedt, sondern aus der ganzen Stadt. Es seien Menschen, die nachweislich bedürftig sind – also etwa von der Grundsicherung leben oder einen Frühlings-Status haben. Aber auch ältere Menschen, die von Altersarmut betroffen seien, würden zu den Kunden gehören.

Neben dem steigenden Zulauf in den vergangenen Monaten an die Ausgabestellen der Tafel in Magdeburg, habe dagegen das Spendenaufkommen im gleichen Zeitraum abgenommen, erklärt Holger Franke. „Wir hatten schon Zeiten, wo wir in der Tafel Magdeburg rund 50 Tonnen Lebensmittel jeden Monat verteilt haben. Jetzt sind wir bei 40 Tonnen.“ Auch das sieht er in der Inflation begründet.

Die Lebensmittel, die an die Tafel gespendet werden, kommen demnach größtenteils von Supermärkten. Diese würden zudem immer stärker auf Nachhaltigkeit setzen und beispielsweise Obst und Gemüse zum Ladenschluss zum verbilligten Preis anbieten, ergänzt Franke. Es seien Lebensmittel, die der Tafel am Ende fehlen. Dennoch gebe es immer wieder palettenweise Großspenden, die sich durch logistische Probleme oder Transportschäden bei den Händlern ergeben.

Lebensmittelkisten könnten leerer werden

Für die kommenden Monate geht der Leiter der Tafel in Olvenstedt davon aus, dass die Lebensmittelkisten leerer werden könnten. „Wir stellen uns darauf ein, dass der Zulauf weiter zunimmt und dass das Spendenaufkommen hoffentlich gleichbleibt.

Das führt natürlich dazu, dass die Kisten etwas leerer werden, die wir verteilen können.“ Das könne man nicht ins Unendliche fortführen. „So wie es derzeit ist, können wir es schaffen. Wenn im Herbst und Winter die Kundenzahl allerdings noch um weitere 40 bis 50 Prozent ansteigt, dann ist irgendwann Schluss.“

Die Tafel Magdeburg nimmt Lebensmittel- und Geldspenden entgegen. Gern gesehen sind Trockenprodukte wie Reis, Mehl und Nudeln. Wegen bestehender Hygieneauflagen nimmt die Tafel kein zubereitetes Essen an.