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Hubschrauberstaffel Magdeburgs fliegende Polizisten

Sie sind das fliegende Auge - die Beamten der Hubschrauberstaffel in Magdeburg. Aus 500 Metern Höhe gehen sie auf die Suche.

Von Ivar Lüthe 12.07.2019, 01:01

Magdeburg l Großer Schreck in einer Gartensparte in Magdeburg: Die dreijährige Tochter ist plötzlich verschwunden. Panisch suchen Eltern und Gartennachbarn nach dem Kind. Nichts. In ihrer Not alarmieren die Eltern die Polizei. Sofort wird hier ein großer Einsatz gefahren. Beamte eilen mit ihren Einsatzautos zur Gartensparte, ein Fährtenhund wird angefordert. Auch bei der Hubschrauberstaffel der Polizeiinspektion Zentrale Dienste am Flugplatz Magdeburg schrillt der Alarm. Das fliegende Auge der Polizei wird benötigt.

Flugbetriebsleiter Frank Michler und seine Kollegen sind jetzt gefragt. Denn hier ist Gefahr im Verzug. Gerade bei Dreijährigen ist eine Verletzungsgefahr sehr hoch. Sie sind schon mobil genug, um die Gegend zu erkunden, können Gefahren aber noch nicht richtig einschätzen. Schon kleine Bäche oder Teiche sind eine tödliche Gefahr.

Innerhalb von fünf Minuten nach der Anforderung ist einer der drei Hubschrauber der Staffel in der Luft. Auf 1500 Fuß, also 500 Metern Höhe, operiert das fliegende Auge der Polizei. Dank neuester Technik sieht es scharf wie ein Adler. „Aus der Höhe sehen wir auch eine Maus“, sagt Frank Michler. Der Polizeirat ist seit dem Aufbau der Hubschrauberstaffel in Magdeburg 1992 dabei. Ein versierter Pilot, der seit mehr als 30 Jahren Hubschrauber fliegt.

Das Auge des Hubschraubers ist eine schwarze „Murmel“ an der rechten Kufe: eine Wärmebildkamera mit HD-Farb- und Schwachlicht-Kameras sowie mehrere Laser stecken darin. Damit können die fliegenden Polizisten sowohl bei Tag als auch bei Nacht sehen.

Standardbesatzung bei einem Einsatzflug sind drei Mann. Neben Pilot und Flugtechniker (Co-Pilot) im Cockpit ist auch ein Systemoperator dabei. Während sich Pilot und Co-Pilot auf den Flug und die Kommunikation mit den anderen Einheiten am Boden konzentrieren, bedient der Systemoperator die ganze Suchtechnik. An seinem Arbeitsplatz hinter dem Co-Piloten hat er gleich mehrere Bildschirme und einen Controller, der dem einer Spielkonsole gleicht. Spielerei ist es aber nicht, was er dort alles bedient. Auf seinen Bildschirmen kann er unter anderem mehrere verschiedene Kameraansichten auch übereinander legen, um so das beste Bild für die Suche zu bekommen. Ein hochpräzises Navi gehört natürlich auch dazu.

In spätestens 35 Minuten kann die Polizeihubschrauberstaffel von Magdeburg aus an jedem Punkt in Sachsen-Anhalt sein. Rund zweieinhalb Stunden können die Hubschrauber in der Luft bleiben, dann muss nachgetankt werden. Es gibt aber auch Wetterlagen, da kann auch das fliegende Auge nicht mehr helfen. Das ist bei Nebel, tiefen Wolken, Gewitter, Vereisung und starkem Schneefall. Es gab aber auch schon Bedingungen, da ging die Staffel selbst ins Risiko, um anderen zu helfen.

Frank Michler erinnert sich da besonders an zwei Fälle in seiner langen Laufbahn. Am Brocken hatten sich drei Rentner verirrt, es war bereits nachts und bitterkalt. Mit der Wärmebildkamera konnte die Hubschrauberbesatzung das Trio in Not ausfindig machen. „Das war sehr knapp, wir selbst hatten kaum noch Treibstoff, um wieder zurückzukommen. Außerdem waren die Personen an einer Stelle, an die die Kollegen am Boden nicht herankamen“, erzählt der erfahrene Pilot. Also blieb der Mannschaft nichts anderes übrig, als selbst in dem unwegsamen Gelände mit Tiefschnee zu landen. „Die wären sonst erfroren“, sagt Frank Michler. Kurzerhand packte die Hubschrauberbesatzung die drei Rentner ein und flog sie an eine Stelle, wo Retter sie aufnehmen und ins Krankenhaus bringen konnten.

Der zweite Einsatz, an den sich Frank Michler erinnert, klingt wie aus einem Actionfilm. Ein als vermisst gemeldeter Mann war suizidgefährdet. Also auch hier Gefahr im Verzug. Tatsächlich fand die Hubschrauberstaffel den Mann – er saß auf einem Bahngleis. Doch landen konnte der Hubschrauber dort nicht, Bäume, Böschungen und Hänge machten dies unmöglich. Doch die „Bodentruppen“ hätten zu lange gebraucht, um bis zu dem Mann zu kommen. Denn es näherte sich bereits ein Zug.

„Der Mann saß an einer Stelle im Gleis hinter einer Kurve. Der Zugführer hätte keine Chance gehabt, ihn frühzeitig zu sehen und abzubremsen“, erzählt Frank Michler. Also flog er mit dem Hubschrauber dem Zug entgegen, setzte sich parallel und gab dem Zugführer Signale, dass er anhalten solle. Dann stellte er seinen Hubschrauber zwischen Zug und dem Mann im Schwebeflug quer über die Gleise. „Da ging dann doch schon das Adrenalin hoch“, gibt der Polizeirat zu. Nicht immer sind die Einsätze der Hubschrauberstaffel so spektakulär. Dennoch stehen sie jedes Mal unter hohem Druck.

Allein in den ersten fünf Monaten dieses Jahres ist die Hubschrauberstaffel zu mehr als 90 Vermisstensuchen abgehoben, das entspricht etwa einem Drittel aller Flüge. Der Erfolg eines solchen Einsatzes hängt dabei von mehreren Faktoren ab: vom Zeitfaktor der Anforderung, also wie lange ist die Person schon verschwunden, wie weit kann sie gekommen sein? Hier spielt auch eine Rolle, wer vermisst wird. Ist es ein Kind? Ist es ein Senior? Wie mobil ist die vermisste Person?

Aus der Erfahrung heraus können die Einsatzkräfte der Staffel dann schon abschätzen, in welchem Radius sie suchen müssen. Auch der Aufenthaltsort der vermissten Person spielt natürlich eine große Rolle. Befindet sie sich etwa in einem Gebäude, kann auch die Hubschrauberbesatzung nichts machen. Hier ist die Erfahrung und Recherche der Kollegen am Boden gefragt. „Die Polizeihubschrauberstaffel ist immer nur ein Mittel zur Suche nach Personen“, sagt Frank Michler.

Wie im jüngsten Fall des vermissten Kleinkindes in der Gartensparte sind es häufig tatsächlich kleine Kinder und auch demente Senioren, die meistens einen Sucheinsatz auslösen. In den allermeisten Fällen werden die Vermissten schnell gefunden. Auch dank der Hilfe des fliegenden Auges. Die Dreijährige in der Gartensparte konnte die Staffel allerdings nicht entdecken. Das kleine Mädchen hatte sich in der Laube auf der Couch unter einer dicken Decke eingemummelt und schlief friedlich, bis sie entdeckt wurde.