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Hundehaltung Ohne Leine mit dem Hundeführerschein?

Sollte es in Magdeburg Steuererleichterungen für Hundehalter geben, die sich freiwillig für den Hundeführerschein entscheiden?

Von Christina Bendigs 10.07.2019, 01:01

Magdeburg l Der Hund gilt als der beste Freund des Menschen – und doch gibt es immer wieder Vorfälle, bei denen die Vierbeiner Menschen attackieren. Ein Hundeführerschein könne das Risiko reduzieren, waren sich Vertreter des Stadtrates sicher und beauftragten noch vor der Kommunalwahl die Verwaltung zu prüfen, ob Steuererleichterungen oder die Lockerung des Leinenzwangs für Hundehalter mit Hundeführerschein möglich wären.

Denn die sogenannte Sachkundeprüfung, wie der Hundeführerschein fachsprachlich heißt, ist in Sachsen-Anhalt bislang nur für Gefahrhunde verpflichtend. Steuererleichterungen und eine Lockerung des Leinenzwangs könnten Anreize bieten, dass sich Hund und Herrchen oder Frauchen dennoch der Prüfung stellen. Gestellt wurde der Antrag von den damaligen Fraktionen CDU/FDP/BfM sowie der Fraktion Links für Magdeburg/Tierschutz.

Die Stadtverwaltung Magdeburg steht dem Ansinnen skeptisch gegenüber. Zwar sei es grundsätzlich zu begrüßen, wenn Hundehalter „ihre Verpflichtung ernst nehmen und ein Hundetraining oder Ähnliches absolvieren“, erklärt Ordnungsbeigeordneter Holger Platz. Allerdings gebe es eine Vielzahl von Hundeschulen und -vereinen. Die Qualität der Lehrgänge sei unterschiedlich und könne von behördlicher Seite nicht beurteilt werden. Hinsichtlich einer Steuerbefreiung oder -ermäßigung ergebe sich „ein juristisches Problem daraus, welche Prüfungen oder Lehrgänge hierfür anerkannt werden sollten“, so Platz weiter.

Eine Lockerung des Leinenzwangs sei nach Einschätzung der Stadt grundsätzlich abzulehnen. Denn die absolvierten Prüfungen würden lediglich eine Momentaufnahme darstellen und spätere Veränderungen des Hundes nicht berücksichtigen, erklärt Platz. Zudem habe sich die Leinenpflicht als Maßnahme der Gefahrenabwehr im Umgang von Mensch und Tier bewährt. Der Ordnungsbeigeordnete fürchtet, dass unter der Lockerung der Leinenpflicht das Schutzempfinden anderer Bürger leiden könnte.

Insgesamt schätzt Platz ein, dass die Mehrheit der Hundehalter „durchaus verantwortungsbewusst ist und sich vernünftig und rücksichtsvoll im Umgang mit Hund und Mitmenschen verhält“. Seit Jahren bleibe die Anzahl der Vorfälle mit bissigen Hunden mit circa 40 bis 50 relativ konstant. Gravierende Verletzungen von Menschen seien die absolute Ausnahme.

Die Volksstimme fragte auch Hundehalter, die mit ihren Vierbeinern regelmäßig in die Hundeschule gehen. „Ich würde Steuererleichterungen gut finden“, sagt zum Beispiel Karola Wesemeier und meint dies nicht nur als Anreiz, den Hundeführerschein zu absolvieren.

Hunde seien heute keine Sache mehr, sondern die Tiere Mitglieder einer Familie, eine Besteuerung daher nicht mehr zeitgemäß. Die Leinenpflicht empfindet sie vor allem während der Schonzeiten als sinnvoll, und auch an großen Straßen sollte der Hund angeleint sein. Auf diese Weise würden Mensch und Tier geschützt. Es müsse aber mehr Hundeauslaufgebiete in der Stadt geben.

Hundeverhaltenstherapeutin Christina Jakobs erklärt zudem: „Einen Hund hat man niemals zu 100 Prozent unter Kontrolle. Die Tiere haben eigene Gefühle und Bedürfnisse und es ist nicht ausgeschlossen, dass sie doch einmal durchgehen“, sagt sie. Auch sie ist gegen die Lockerung der Leinenpflicht.

In Berlin und Niedersachsen ist der Hundeführerschein bereits Pflicht, berichtet Ariane Ullrich vom Berufsverband der Hundeerzieher/Innen und Verhaltensberater/Innen e. V. (BHV e.V.). „Ob der Hundeführerschein auch andernorts Pflicht sein soll, diskutieren wir gerade in einer Expertengruppe mit dem Kinderhilfswerk, Politikern, Trainern und anderen Entscheidungsträgern“, erzählt die Verhaltensbiologin. Eine Verbesserung des Wissens über den Umgang mit dem Hund in der Gesellschaft „ist in jedem Fall wichtig und eines unserer Satzungsziele“.

Ullrich sieht in Vorteilen für Hundeführerscheinbesitzer eine Möglichkeit, präventiv tätig zu werden, statt später abzustrafen, wenn Unfälle passieren. Da dies eine kommunale Angelegenheit sei, gebe es deutschlandweit bereits eine Vielzahl an Varianten – von Leinenbefreiung über Ermäßigung bis hin zur Befreiung von der Hundesteuer. Am bekanntesten sei sicherlich die Stadt München, die eine einjährige Hundesteuerbefreiung als Belohnung bietet.