Ein nicht ganz so ernst gemeinter Rückblick auf das vergangene Jahr zwischen Barleber See und Beyendorf Magdeburg 2011: Von Ölprinzen im Amt, falschen Knöllchen aus Halle und einem Fuchs in der Pfanne
Auf der Festgala zum Magdeburger des Jahres wird traditionell mit einem Augenzwinkern Rückschau auf das abgelaufene Jahr gehalten. Nachfolgend Ausschnitte aus der etwas anderen Bilanz für 2011.
Magdeburg l So ein Jahresrückblick ist immer so eine Sache. Schnell kann man da mal jemanden ärgern. Sie aber können sich ganz entspannt zurücklehnen, denn ich versichere: Ich werde weder etwas darüber sagen, wer von Ihnen mir vertraulich auf die Mailbox gesprochen hat, noch werde ich Sie nach Urlaubsreisen, oder noch schlimmer, nach Ihren Freunden oder gar Ihren Hausbaukrediten fragen. Ich lege nur Wert auf höchste Transparenz. Apropos Transparenz. Darüber müssen wir unbedingt reden, wenn wir auf das vergangene Jahr zurückblicken.
Januar:
Während ganz Deutschland noch über den Superkraftsoff E 10 streitet, ist eine Tankstelle am Magdeburger Ring schon einen Schritt weiter. Sie schreibt an ihre Zapfsäulen Benzin, lässt die ahnungslosen Autofahrer aber Wasser zapfen.
Als die chronisch unter Geldmangel leidende Stadtverwaltung das mitkriegt, lässt sie die Wasservorräte in den Freibädern sofort streng bewachen. Warum? Die Freibäder sind plötzlich so etwas wie Ölquellen.
Das Freibad Olvenstedt heißt deshalb sofort Kommunaltanke Olvenstedt, am Innenministerium steht nun der Carl-Miller-Autohof und das Freibad Süd firmiert nun unter Ottostadt-Rasthof Kirschweg.
Auch die Stadtverwaltung reagiert umgehend und strukturiert sich um. Der Finanzdezernent nennt sich jetzt Ölprinz Klaus, der Sportbeigeordnete heißt fortan Emir Rüdiger und der OB zwangsläufig Scheich Lutz.
Dumm nur, dass alles ein Versehen der Tankstelle war und keine wirkliche Neuerung.
Februar:
Bundesweit stolpern bis hoch zum Verteidigungsminister allerhöchste Beamte über gefälschte Doktorarbeiten. Der Begriff Plagiat wird auch in Magdeburg zum Wort des Jahres.
In Magdeburg gibt es einen ähnlichen Fall von Amtsanmaßung. Hier treibt ein Knöllchenfälscher sein Unwesen. Er steckt Strafzettel-Plagiate unter die Scheibenwischer Magdeburger Falschparker und wird nicht gefasst. Erst Ende des Jahres stellt sich heraus, was dahinter steckt: Das waren Hallenser. Ja, wirklich und wissen Sie auch warum?
Die wollten Geld eintreiben, um endlich auch so einen schön beleuchteten Weihnachtsmarkt finanzieren zu können wie wir ihn in Magdeburg haben.
März
Der Magdeburger Ring macht mal wieder Schlagzeilen. Aber nicht, weil plötzlich das Straßenlicht leuchtet. Ganz im Gegenteil. Die Stadtplaner bleiben ihrer Linie treu. Sie lassen das Licht auf dem Ring aus und bauen stattdessen eine riesige Schallschutzmauer auf. Das ist auch nur konsequent: Wenn wir uns schon als Kulturhauptstadt bewerben, dann muss es auch genügend Flächen für die Graffitikünstler geben.
Und zweitens: Wenn man den Ring wegen der ausgeschalteten Straßenlampen schon nicht mehr sieht, dann muss man ihn ja auch nicht mehr hören.
April:
Die Euro-Krise ist das Gesprächsthema. Während ganz Europa noch nach der Lösung sucht, hat sie Magdeburgs OB längst parat. Er lässt für die Haushaltsplanungen alle kommunalen Straßen, Häuser und Brücken bewerten. Und was kommt raus? Magdeburg ist ein Schnäppchen! Läppische 1,5 Milliarden Euro kostet unser "Machteburch".
Und wenn Sie jetzt angesichts der Euro-Krise ihr Geld schnell noch anlegen wollen, hätte ich diese Tipps:
1. Die Johanniskirche kostet 8 Millionen Euro.
2. Die Elbe-Schwimmhalle 11 Millionen Euro
3. Die Bördelandhalle 19 Millionen Euro.
Wirklich warnen muss ich vor zwei Kaufobjekten.
1. dem Stadion - denn da müssen Sie auch den FCM für immer und ewig mit übernehmen oder noch schlimmer:
2. dem Rathaus - denn zur Immobilie gehört auch der Stadtrat ...
Mai:
Wieder einmal machen Namenshitlisten die Runde. Leon und Luca, Marie und Sophie machen das Rennen. Nur Magdeburg fällt mal wieder aus dem Rahmen.
Vier Buchstaben bestimmen hier das Namensregister?
Ich buchstabiere mal:
O - t - t - o , genau Otto!
Durch die Stadt kommt man ja kaum noch ohne diese Buchstabenkombination. Beispiele gefällig?
Otto fährt Bahn, Otto geht zu Fuß - ja was denn nun?
Otto baut auf, Otto reißt ab - ja was denn nun?
Otto mag Ottilie oder Otto liebt Otto - nicht nur beim Christopher Street Day ... Gut lassen wir das.
Nur am Universitätsplatz gibt\'s eine Ausnahme. Ausgerechnet am Tor zur Universität, die auch noch Ottos Namen trägt, geht dem öffentlichen Barometer die Luft aus. Die Anzeige ist wochenlang defekt. Monatelang tüfteln Ottos Erben nach einer Lösung, finden aber erst Monate später das notwendige Ersatzteil. Schon macht ein neues Wort die Runde. Otto lässt sich Zeit!
Juni:
Das Reinheitsgebot sorgt für Aufregung in Magdeburg. Das Gesundheitsamt höchstselbst fordert von den Magdeburgern die Einhaltung der jahrhundertealten Vorschrift.
Die meisten Magdeburger sagen sich: Reinheitsgebot? Das halte ich doch schon seit Jahren ein und trinke nur Hasseröder oder vielleicht mal ein Diamant.
Erst beim zweiten Lesen wird vielen klar. Ach du lieber Gott: Es geht ja gar nicht ums Bier, sondern ums Waschen!
Das Gesundheitsamt empfiehlt doch allen Ernstes:
Liebe Magdeburger: Bitte nach dem Baden unbedingt noch duschen! Haben wir Magdeburger wirklich so viel Dreck am Stecken, dass wir uns zweimal waschen müssen?
Natürlich nicht! Der Grund ist ein anderer: Der Neustädter See steckt voller Algen. Und nach einem Bad dort - und nur dort - sollen alle Gäste lieber duschen.
Eine Festlegung, die fortan in die Geschichtsbücher eingeht: als Magdeburger Reinheitsgebot.
Juli:
Das Tiefbauamt gibt erstmals eine Monatslosung heraus.
Inhalt: Nur die Liebe zählt. Plötzlich sind die Mitarbeiter dort ganz verschossen, allerdings nicht in ihren Chef, sondern in die Magdeburger. Die Behörde erlaubt nun doch das Anbringen von sogenannten Liebesschlössern an den Brücken. Liebepaare können nun straffrei zum Zeichen ihrer Zuneigung ein Vorhängeschloss an Brücken anbringen.
Und das Tiefbauamt? Das hat endlich verstanden: Im Leben zählt einzig die Liebe und nicht die Vorschrift.
August:
Mal ein Rätsel für Sie: Was sagt der "Machteburjer", wenn er Obst und Gemüse kaufen will?
Richtig: Günter, gib Gas, in Gommern gibt\'s grüne Gurken!
Und was sagt er in Zeiten von Lebensmittelskandalen?
Günter, gib Gas, in Gommern gibt\'s grüne Gurken - ohne EHEC-Erreger!
Ja ja, ich merk schon, Sie haben schon vergessen, dass eine "Machteburjer Jurke" es bis in die Tagesschau schaffte. Auf ihr war nämlich der EHEC-Erreger festgestellt worden - die Volksstimme hatte das enthüllt. Plötzlich ist Magdeburg bundesweit bekannt - nur wegen einer einzigen Gurke.
Das macht wiederum die Macher der Ottostadt-Kampagne ganz fuchsig. Dass uns das nicht eingefallen ist!? ärgert sich die Werbeagentur.
Der OB kann die Macher der Otto-Kampagne gerade noch bremsen. Wissen Sie, was die allen Ernstes vorgeschlagen hatten? Die wollten bei unserer Jungfrau im Stadtwappen doch tatsächlich den Kranz gegen eine Gurke austauschen.
Also wenn man den Vorfall für Werbezwecke nutzt, gibt\'s dafür ja wohl nur einen Spruch, und zwar diesen: Ottostadt is(s)t Gurke!
September:
21 Jahre nach der Wende liegt Magdeburg wieder in der Zone. Manche Alt-Linken kriegen sich vor lauter Freude gar nicht wieder ein. Die Tangente ist wieder Transitstrecke. Visafrei geht\'s nur bis zum Stadtrand. Ab da muss jeder eine Einfahrtsgenehmigung vorweisen. Die Stadtverwaltung verzichtet vorerst noch auf Wachtürme und Kontrollposten, verlangt aber von jedem einen Passierschein und tarnt ihn mit dem Namen Umweltplakette.
Oktober:
Magdeburg ist auf den Hund gekommen. Während der OB das mit dem Blick auf die Stadtkasse schon seit Jahren predigt, kann man im Zoo nicht darüber lachen.
Dort gräbt sich ein Rothund einen Fluchttunnel und verschwindet aus dem Gehege. Tagelang wird die Hündin gesucht und alle rätseln über ihr Motiv. Und vor allem: Wer hat ihr geholfen?
Vielleicht die Zwergmanguste, die schon vor ein paar Jahren dem Zoo davonlief.
Oder war\'s doch der Lutz, äh der Luchs, der auch schon das Weite suchte?
Na ja, Respekt habe ich jedenfalls vor den Maßnahmen, die der Zoo danach ergreift.
Zunächst soll die Straße Am Vogelgesang gesperrt werden, um den Fluchtweg abzuschneiden.
Dann wird der ganze Zoo umgekrempelt, damit die Tiere untereinander nicht mehr wissen, wo welches Gehege steht.
Und als letzte Maßnahme werden alle Tiere künftig videoüberwacht. Als Erstes musste das "Mana" erfahren, unsere kinderreiche Nashorn-Mutter. Deren Niederkunft wurde live im Internet übertragen!
Die Idee stammt übrigens nicht vom Zoo, sondern vom OB höchstpersönlich. Der will die Videoüberwachung jetzt auch in den Kreißsälen einführen. So kann kein Neugeborenes mehr flüchten und geht sofort in die Einwohnerstatistik. Das mit dem Nashorn war nur der Testlauf.
November:
Auf der Jagd nach Bekanntheit ziehen in Magdeburg endlich an einem Strang und bewerben sich für einen Eintrag ins Guinnessbuch der Rekorde. Das sind die Antragsteller und ihre Projekte:
1. Das Bäderamt mit der Diesdorfer Schwimmhalle. Projekt: Magdeburg sanierte die Schwimmhalle unter Beachtung des Klimawandels und nimmt den Begriff "energetisch" wörtlich: Die Stadt baut - einzigartig in der Welt - die erste Sauna, in der man nicht schwitzt.
2. Antrag: Der Innenminister und sein Ministerium.
Projekt: Der Innenminister übernimmt den Langmut seiner Vorgänger und lässt das Dienstgebäude der Polizeidirektion am Hasselbachplatz so lange vergammeln, bis es endlich den Titel erringt: "Schlechtestes Polizeigebäude Deutschlands".
Als das Schild am Gebäude prangt, setzt der Innenminister noch eins drauf: Alle Beamten, die dort raus müssen, werden ins ehemalige Amtsgericht an der Liebknechtstraße ausquartiert. Und das ist noch schlechter.
Und siehe da: Magdeburg bricht noch einen Rekord. Fortan hat die Magdeburger Polizei auch noch das schlechteste Ausweichsquartier Deutschlands!
Und 3.: Magdeburg bewirbt sich als Stadt der Wissenschaft mit einem einzigartigen Impfprojekt. Künftig werden alle Impfdosen nicht mehr einzeln per Spritze verabreicht, sondern im Müllheizkraftwerk verbrannt. Den Auftakt gab\'s mit Grippeschutzampullen. Der Effekt: Wir haben zusätzlich Strom - und - alle, die noch nicht geimpft sind, können es sofort nachholen: Einfach mal kurz an der Steckdose lecken ...
Dezember:
Wenn Magdeburg über seine Stadtgrenzen hinaus für etwas bekannt ist, dann ist es ja wohl Weltoffenheit, Toleranz und Aufgeschlossenheit. Was liegt da näher, als dies auch kulinarisch zu dokumentieren.
In Fermersleben bringt ein Magdeburger Koch deshalb einen Fuchs auf den Tisch.
Nach der Gurke in der Tagesschau ist Magdeburg mit dem Fuchs nun Spitzenmeldung bei Explosiv, Akte, Brisant und wie die anderen Bildungsmagazine noch alle heißen.
Uns tolerante Magdeburger schockt das nicht. Schließlich nennen wir Eisbein ja auch Bötel und den Grünkohl Braunkohl.
Wir stellen im Zusammenhang mit dem Fuchs eine ganz andere Frage: Wo ist eigentlich der Rothund aus dem Zoo?
Nein, war nur ein Spaß, der Fuchs ist natürlich eine Delikatesse und gehört auf jeden ordentlichen Magdeburger Mittagstisch.
Die Stadtverwaltung zeigt sich gleich schlau wie ein Fuchs und bastelt an einer Städtepartnerschaft, natürlich mit Hanoi, stellt aber Bedingungen:
Alle Einwohner der künftigen Partnerstadt müssen einen Monat lang statt Reis Bördekartoffeln essen, Braunkohl statt Bambussprossen mampfen und statt Fuchs Bötel verspeisen. Erst wenn sie das überstanden haben, sind sie hart genug für eine Partnerschaft mit Magdeburg - und wir können sicher sein, dass sie es ernst meinen.
In diesem Sinne sage ich Ihnen fürs ganze Jahr: Mahlzeit, Magdeburg!