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Magdeburger 2016 Pedalritter kämpfen für bessere Bedingungen

Kandidaten für den Magdeburger des Jahres 2016: Jürgen Canehl und Norman Dreimann setzen sich im ADFC für Radverkehrsanlagen ein.

Von Christina Bendigs 01.12.2016, 00:01

Magdeburg l Jürgen Canehl und Norman Dreimann engagieren sich seit Jahren für den Radverkehr in Magdeburg. Unter anderem organisierten sie in diesem Jahr zum 6. Mal den Fahrrad-Aktionstag. Für ihr Engagement wurden sie von der Volksstimme als Kandidaten für den Magdeburger des Jahres 2016 nominiert.

Wenn Jürgen Canehl und Norman Dreimann über das Fahrradfahren in Magdeburg sprechen, dann können sie sich schnell mal in Rage reden. Als alles andere als ideal beschreiben sie die Radverkehrsanlagen in der Stadt. Denn die Bedingungen seien vielerorts so beschaffen, dass Konflikte zwischen Radfahrern und Fußgängern oder Radfahrern und Autofahrern vorprogrammiert seien. „Der Radverkehr ist oft ein Abfallprodukt, wo einem dann einfällt, da war ja noch was“, beschreibt Norman Dreimann. Das wollen die beiden ändern. Statt nur zu meckern und auf andere zu schimpfen, bringen sich die beiden Wahl-Magdeburger daher ein – mit Zeit und Kraft und viel Engagement.

Beide sind Mitglied im Allgemeinen Deutschen Fahrrad Club (ADFC) und legen den Schwerpunkt auf den Radverkehr in der Stadt. „Für touristische Radwege ist seit der Wende viel passiert. Das Fahrrad muss gleichberechtigtes Verkehrsmittel im Stadtverkehr werden“, erklärt Jürgen Canehl. 2011 hatte der Stadtrat einstimmig den Oberbürgermeister verpflichtet, jährlich unter anderem mit dem ADFC, den Fahrradhändlern und Umweltschutzgruppen einen öffentlichen Aktionstag zum Radfahren zu organisieren. Inzwischen ist der ADFC der Hauptveranstalter.

Bis zu 2000 Magdeburger radeln hier seit 2012 jährlich mit. Und damit das auch richtig Wirkung zeigt, wird an diesem Tag der Magdeburger Ring für Autofahrer gesperrt und stattdessen für die Radfahrer des Fahrrad-Aktionstages freigegeben – gerichtlich durchgesetzt, wie sich Jürgen Canehl erinnert. Denn die Polizei wollte das ursprünglich nicht zulassen. Auch dem Oberbürgermeister Lutz Trümper sei die Fahrt über den Magdeburger Ring gegen den Strich gegangen. Inzwischen radelt Trümper sogar selbst mit, eröffnete im vergangenen und in diesem Jahr auch das anschließende Familienfest am City Carré. Das zeige, dass die Radfahrer langsam im Bewusstsein der Verwaltungsspitze ankommen und dies ist auch dem Engagement der beiden Kandidaten für den Magdeburger des Jahres 2016 zu verdanken.

Im Jahr 2011 wurde der schon lange bestehende Elberadeltag als Fahrrad-Aktionstag betitelt, 2012 sollte es dann „ordentlich gemacht“ werden, sagt Jürgen Canehl. Für den Familienvater war damals schnell klar, „dass uns viel mehr einfallen würde, als nur ein paar Buden aufzustellen und das dann Fahrrad-Aktionstag zu nennen“, sagt er. Die Sternfahrt aus 8 Stadtteilen, die demonstrative Tour über Citystraßen und den Magdeburger Ring und das abschließende Fahrradfest haben sich als feste Bestandteile des Aktionstages etabliert. Und schon jetzt laufen die Vorbereitungen für die nächste Veranstaltung am 17.  Juni 2017. Der Auftakt zur Rundfahrt wird aus logistischen Gründen von der Sternbrücke zum Heinrich-Heine-Platz an der Stadthalle verlegt.

Der Fahrradaktionstag gebe den Teilnehmern die Möglichkeit, einmal zu testen, wie es ist, mit dem Fahrrad durch die Stadt zu fahren. Und sie bekämen einen Eindruck davon, welche Strecken sie in welchen Zeiträumen mit dem Rad zurücklegen könnten – mehr als erwartet, das dürfte jeder spüren, der sich gegen das Auto und für das Rad entscheidet. Angesichts der aktuellen Baustellenlage seien sie mit dem Fahrrad meist sogar schneller als mit dem Auto. Denn lästiges Parkplatzsuchen oder vom Parkplatz zum eigentlichen Ziel laufen, fällt weg und es würde den Stadtverkehr sogar noch entlasten. „Die Stadt hat mit dem Tunnelbau 100 Millionen Euro investiert, um den Radverkehr in der Stadt voranzubringen“, sagt Jürgen Canehl daher schmunzelnd. Denn durch die dauerhafte Sperrung des Damaschkeplatzes für Autofahrer hat sich so mancher entschlossen, das Auto doch stehen zu lassen. Einzelne Radhändler hatten nach der Ankündigung der Sperrung der Ernst-Reuter-Allee steigende Verkaufszahlen gemeldet.

Aber auch der allgemeine Trend geht hin zum Fahrrad, wissen die beiden. Gerade die jüngeren Leute würden weniger Wert auf ein Auto legen. Carsharing-Unternehmen nehmen zu. Auch Jürgen Canehl und Norman Dreimann fahren mal mit dem Auto – aber eben nur dann, wenn es notwendig ist. Klar, dass die beiden trotz eisiger Temperaturen auch zum Interview-Termin mit der Volksstimme mit dem Fahrrad radelten.

Würden mehr Leute aufs Rad umsteigen, könnte die Stadt langfristig sogar Geld sparen, sind die beiden überzeugt. Und das sagen sie gern – auch demjenigen, der es vielleicht nicht hören möchte. Denn all jene, die das Auto stehen lassen, reduzieren nicht nur die Staus in der Stadt, sondern schonen auch die Straßen, in deren Unterhaltung weniger investiert werden müsste, wenn sie weniger stark von Autos befahren werden würden. Und weniger Autoverkehr in der Innenstadt macht die Innenstadt ebenfalls attraktiver. Denn dort, wo es ruhig ist, hält man sich lieber auf.

Insofern sollte sich die Stadtverwaltung nach Ansicht der beiden nicht nur auf das Radfahren als Tourismuszweig, wofür schon sehr viel getan worden sei, konzentrieren, sondern auch auf das Fahrrad als Verkehrsmittel. In dieser Hinsicht gebe es noch Nachholbedarf, für den die beiden regelmäßig kämpfen, etwa in Planfeststellungsverfahren, bei denen ihr Verein, der ADFC, gehört wird. Dass es inzwischen ein Konzept für Radschnellwege durch Magdeburg gibt, ist ebenfalls den beiden und den weiteren Mitgliedern des ADFC zu verdanken. An der Umsetzung wird noch gearbeitet. Der Magdeburger Verein zählt mehr als 400  Mitglieder. Gestritten wird seit längerem für ein Fahrradparkhaus am Hauptbahnhof.

Initiiert wurde vom ADFC auch die Aktion „Weiße Fahrräder“. Im Stadtbild von Magdeburg sind bedauerlicherweise schon einige davon zu sehen. Sie erinnern an Radfahrer, die bei Unfällen zu Tode kamen, sei es durch eigenes oder durch Fremdverschulden. „Oft fehlen uns aber die Mittel, um die Räder entsprechend zu unterhalten.“ Eine positive Resonanz gab es darauf aber allemal. Und neben Beruf und Familie und ihrem ehrenamtlichen Engagement bleibt kaum noch Zeit für anderes. Aus Radfahrersicht gibt es jedenfalls noch einiges zu tun in der Stadt – damit die Pläne umgesetzt werden, wollen sich die beiden auch in Zukunft für ein fahrradfreundlicheres Magdeburg einsetzen.

Hier können Sie über den "Magdeburger des Jahres 2016" abstimmen.