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Museum Der Pompeji-Effekt in Magdeburger Vitrinen

Reste einer jung zerstörten Stadt sind in der Sonderausstellung „Faszination Stadt“ im Museum Magdeburg zu sehen.

Von Ivar Lüthe 08.11.2019, 00:01

Magdeburg l Professor Christofer Herrmann spricht von dem „Pompeji-Effekt“. Durch ein schlagartiges Ereignis wurde eine Stadt von einem Moment auf den anderen ausgelöscht – und blieb dennoch für die Nachwelt erhalten.

War es in Pompeji ein Vulkanausbruch, der die Stadt unter Asche und Basalt begrub, so war es im nordöstlichen Polen die Stadt Alt-Wartenburg. Bald nach 1325 durch das Bistum Ermland gegründet, wurde die kleine Stadt bereits 1354 durch litauische Truppen schlagartig zerstört. Die Kolonisten waren Opfer der Auseinandersetzungen zwischen dem Deutschen Orden und dem Großfürstentum Litauen geworden, die das 14. Jahrhundert prägten.

Nach der Zerstörung der jungen Stadt wurde sie aufgegeben, ein Neuaufbau erfolgte an anderer Stelle. Ein Glücksfall für Archäologen und Historiker. Denn all das, was die im Wachstum befindliche Stadt und das Leben der Menschen dort ausmachte, blieb unberührt in der Erde liegen. Bis jetzt. Von 2014 an bis 2019 hinein wurden die Überreste von Alt-Wartenburg in einem gemeinsamen Projekt der Universitäten Danzig/Gdańsk und Greifswald geborgen. Einige der Exponate wurden erst im August dieses Jahres gefunden. Kunsthistoriker Prof. Christofer Herrmann begleitete die Ausgrabungen.

Erstmals werden Fundstücke der früh zerstörten Stadt in einer Ausstellung in dieser Form gezeigt – in der Sonderschau „Faszination Stadt“. Ein Grund für den Historiker, der an der TU Berlin lehrt und ganz in der Nähe der Ausgrabungsstätte lebt, am 7. November 2019 nach Magdeburg zu kommen, um sich die Ausstellung anzusehen und einen Vortrag über Alt-Wartenburg zu halten.

„Dadurch, dass die Stadt bei dem Angriff niedergebrannt, aber nicht geplündert und später auch nicht überbaut wurde, war ein Einblick in die Entwicklung einer jungen Stadt möglich. Zudem fand sich bei den Ausgrabungen die ganze Bandbreite der Alltagsgegenstände der Bewohner“, sagt Historiker Herrmann. Küchenutensilien wie ein großer Buntmetallkessel, der zum Kochen oder auch Bierbrauen genutzt werden konnte, landwirtschaftliche Geräte wie ein Pflug mit Schar, Münzen und Schmuck fanden die Archäologen – einige Fundstücke waren gänzlich unbeschädigt.

Anhand der archäologischen Untersuchungen konnte die Stadt, die nur etwa 29 Jahre Bestand hatte, nachgezeichnet werden. Sie war zwar klein, hatte aber bereits alles, was dazu gehörte: einen Marktplatz im Zentrum mit einem Kaufhaus, regelmäßige Straßen, eine Wallbefestigung, eine Kirche mit Friedhof sowie ein Badehaus und etwa zwei Dutzend Bürgerhäuser. Die Stadt entwickelte sich zunächst gut, etwa 150 Menschen lebten dort.

Alt-Wartenburg ist ein gutes Beispiel dafür, wie sich Städte im Mittelalter gründeten und entwickelten, wie die Menschen lebten. Auf 1200 Quadratmetern zeigt das Kulturhistorische Museum Magdeburg in der Sonderausstellung die Entwicklung und Faszination des Lebens in den mittelalterlichen Städten zwischen Elbe und Dnjepr.