Freizeittipp für 8. und 9.5.2025 Musik aus Müll - wie und warum dies in Magdeburg jetzt ein Thema ist
Klimakrise trifft Klangkunst: Im großen Saal des Theaters Magdeburg werden jetzt neue Ideen hörbar gemacht.

Magdeburg - Klassische Musik lebt von Kontrasten – von Gegensätzen, die nicht trennen, sondern ein Gespräch eröffnen. Beim 9. Sinfoniekonzert der Magdeburgischen Philharmonie morgen und übermorgen stehen zwei Werke auf dem Programm, die auf den ersten Blick kaum gegensätzlicher sein könnten: Das eine ist ein radikal zeitgenössisches Konzert mit einem Instrumentarium aus Plastikmüll und Altmetall. Das andere ein Klassiker der deutschen Romantik, dessen optimistische Klangfarben seit über 180 Jahren für Aufbruch und Hoffnung stehen. Doch beide Werke verbindet eine tiefe künstlerische Geste: die Suche nach einem neuen Anfang – sei es angesichts globaler Krisen oder persönlicher Visionen.
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Den Auftakt macht das 2022 uraufgeführte „Recycling Concerto“ des 1987 geborenen deutschen Komponisten und Dirigenten Gregor A. Mayrhofer. Der Titel klingt zunächst spielerisch, doch das Werk hat einen ernsten Hintergrund: Es setzt sich künstlerisch mit den ökologischen Herausforderungen unserer Zeit auseinander und verwandelt industrielle Abfälle und Alltagsreste in klingendes Material. Keine Trommel, kein klassisches Becken kommt hier zum Einsatz – stattdessen spielt die Solistin auf Plastikflaschen, Altrohren, Blechteilen und anderen Fundstücken, die sonst achtlos weggeworfen würden. Die vier Sätze des Werks tragen sprechende Titel. Sie verweisen auf die Widersprüche unserer Konsumkultur – von der Übersättigung über den Klimawandel bis zur Hoffnung auf Wandel durch Umdenken.
Warum aus Müll Musik gemacht wird
Der Komponist Mayrhofer, der auch als Chefdirigent des renommierten Bundesjugendorchesters tätig ist, setzt mit diesem Konzert nicht nur musikalisch ein Zeichen. Er will ein Bewusstsein schaffen: für die Schönheit im scheinbar Wertlosen, für die Verantwortung der Kunst angesichts ökologischer Realitäten. Seine Komposition ist zugleich Klangexperiment und Kommentar, musikalischer Aufschrei und poetisches Statement.
In der Rolle der Solistin: die vielfach ausgezeichnete Schlagzeugerin Vivi Vassileva, die das Werk mit Mayrhofer gemeinsam entwickelt hat. Sie bringt nicht nur technische Brillanz mit, sondern auch eine unvergleichliche Bühnenpräsenz und ein tiefes Gespür für klangliche Details. Auf Flaschen, Fässern, Röhren und Schrottobjekten erzeugt sie ein faszinierendes Spektrum an Tönen, Rhythmen und Geräuschen – mal perkussiv scharf, mal fast meditativ. Dabei entsteht eine klangliche Welt, die zugleich fremd und vertraut wirkt. Vassileva macht deutlich: Auch aus vermeintlichem Abfall kann Schönheit wachsen.
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Sie sagt: „Es ist eine unglaubliche Bandbreite an Tönen, die mit dem Recycling-Element möglich sind.“ Mit dabei ist unter anderem ein vier Oktaven umfassendes Arrangement aus teilweise gefüllten Plastikflaschen. Die große Herausforderung – neben dem dreistündigen Aufbau des Instrumentariums vor dem Konzert: Immer wieder müssen diese Flaschen – je nach Temperatur und Zustand der Flasche – neu gestimmt werden.
In das Stück eingebaut sind recycelte Töne unter anderem von Großkonzernen, die besonders viel Müll erzeugen. Die Musikerin sagt: „Unser Ziel ist, dass den Menschen bewusst wird: Mit Kreativität lassen sich unglaubliche Töne aus dem Müll zeigen – mit Kreativität sollte es dann doch auch möglich sein, der Flut an Müll Herr zu werden.“ Als Ehre empfindet sie es, dass sie dem Komponisten für das Werk, das allein in diesem Jahr unter anderem in Oslo, London, Riga und vielen deutschen Städten zu Gehör gebracht wurde, beratend zur Seite stehen durfte.
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Nach der Pause dann der Kontrast – und doch eine Fortsetzung im Geiste: Robert Schumanns Sinfonie Nr. 1 in B-Dur op. 38, die sogenannte „Frühlingssinfonie“, erklingt in der zweiten Konzerthälfte. Sie gehört zu den meistgespielten sinfonischen Werken des Komponisten und markiert einen künstlerischen Neubeginn: Schumann, bis dahin vor allem als Klavierkomponist und Liedschöpfer bekannt, wandte sich mit dieser Sinfonie erstmals der großen Gattung zu – mit überwältigendem Erfolg.
Emotionale Landschaft
Die vier Sätze durchlaufen eine emotionale Landschaft, die zwischen festlicher Feier, lyrischer Innigkeit und tänzerischer Leichtigkeit changiert. Besonders eindrucksvoll ist das Anfangsmotiv des ersten Satzes, das wie ein musikalisches Erwachen wirkt: ein Hornruf, der den Frühling verkündet. Die Musik strömt, jubelt, bewegt sich ständig vorwärts – ein musikalisches Spiegelbild der inneren und äußeren Natur.
Auch wenn zwischen Mayrhofers Werk und Schumanns Sinfonie fast zwei Jahrhunderte liegen, verbindet sie eine gemeinsame Haltung: Beide schöpfen aus der Welt, wie sie ist – und richten zugleich den Blick auf das, was möglich sein könnte. Der eine nutzt recyceltes Material, um auf die Zukunft der Erde aufmerksam zu machen. Der andere feiert das Leben mit romantischer Geste.
Die Termine, das Programm und die Mitwirkenden
Das 9. Sinfoniekonzert der Magdeburgischen Philharmonie beginnt am Donnerstag und Freitag, 8. und 9. Mai, jeweils um 19.30 Uhr im Opernhaus des Theaters Magdeburg am Universitätsplatz 9. Bereits ab 18.45 Uhr wird im Café Rossini eine Einführung mit interessanten Hintergründen angeboten.
Programm: Gregor A. Mayrhofer: Recycling Concerto mit The Happy Tsunami of Wealth, Meltdown – Meltup, Plastic Bottle Cadenza und Recycling Music sowie Robert Schumann mit der Sinfonie Nr. 1 B-Dur op. 38 – „Frühlingssinfonie“ mit dem Andante un poco maestoso – Allegro molto vivace, dem Larghetto, dem Scherzo: Molto vivace und dem Allegro animato e grazioso
Mitwirkende sind Vivi Vassileva – Perkussion mit Recycling-Instrumenten sowie die Magdeburgische Philharmonie unter der Leitung von Svetoslav Borisov.