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Nahverkehr Magdeburger Schüler fahren kostenlos

Der Magdeburger Stadtrat hat die Einführung der kostenfreien Schülerfahrt mit Bussen und Bahnen ab August 2021 beschlossen.

Von Katja Tessnow 07.12.2020, 00:01

Magdeburg l Bereits im Oktober 2019 – im Zeitalter vor Corona – hat der Stadtrat auf Antrag der SPD das für Schüler kostenlose Rund-um-die-Uhr-Ticket (inklusive Ferien) beschlossen. Einzig die CDU und Oberbürgermeister Lutz Trümper (SPD) verwehrten der Idee – zuforderst aus finanziellen Gründen – schon damals ihre Stimme. Dann tat sich lange nichts, zumindest nichts nach außen Sichtbares.

Anfang November 2020 dann legte die Verwaltung dem Rat ein Beschlusspapier zur Umsetzung vor, das eine klare Botschaft in sich trug – im Moment unbezahlbar. Trümper verteidigte das Vorgehen zur jünsten Ratssitzung einmal mehr und wies massive Vorwürfe auch des eigenen Ratslagers, die Verwaltung habe die Umsetzung bewusst verschleppt und kalkuliere zur Abschreckung mit überhöhten Kosten (8,4 Millionen Euro pro Jahr), entschieden zurück und wälzte einen Teil der Schuld an der Dauer der Prüfung bis zur Beschlussreife auf den Ex-Kultur- und Bildungsbeigeordneten Matthias Puhle (SPD) ab, ohne dessen Namen zu erwähnen. Vorschläge zur Umsetzung aus dem zuständigen Dezernat hätten seinen (Trümpers) Tisch nicht während dessen Amtszeit erreicht, dafür am 1. September, nur zwei Monate nach Amtsantritt von Puhles Nachfolgerin Regina-Dolores Stieler-Hinz (Grüne). Danach sei wenig Zeit gewesen für etwaige Rabattverhandlungen mit den Madeburger Verkehrsbetrieben (MVB) und – umso schwieriger – mit dem Nahverkehrsverbund Marego, dem die MVB angehören. Hier herrscht Preisunion; Abweichungen müssen allseitige Zustimmung erfahren. Die Rechnung auf Basis des Vollpreises für ein ermäßigtes Monatsticket ab 2021 (rund 41 Euro) für alle 22 000 Magdeburger Schüler sei demnach zunächst seriös, wenn auch eine Maximalvariante.

Und schließlich: „Jetzt haben wir eine 30-Millionen-Euro-Lücke im Haushalt 2021. Die Lücke muss weg, bevor wir uns neue freiwillige Ausgaben leisten können, sonst wird es haushaltsrechtlich schwierig“, so Trümper. Würde der Stadtrat auf Aufnahme der Ticket-Finanzierung beharren, „weiß ich nicht, was passiert“. Klartext: Die Landesaufsicht könne die Genehmigung des kompletten Haushaltes verweigern.

„Wir sind in der Pflicht. Wir haben es den Bürgern versprochen“, entgegnete Christian Hausmann (SPD) und fand starken Widerhall bei Grüne/future!, Linke, AfD, Gartenpartei und Tierschutzlagern – sämtlich auf Freifahrtkurs für junge Magdeburger auch in Zeiten knapper Kassen. „Was hat die Verwaltung mehr als ein Jahr lang getan?“, fragte Gartenpartei-Rat Roland Zander eher rhetorisch und verwies darauf, dass der Beschluss zur Freifahrt ab Jahresbeginn 2021 schon hätte vor der Haushaltskrise über die Bühne gehen können. Und zu Trümper: „Gehen Sie mal raus und reden Sie mit den Eltern, was die davon halten!“ Familien rechneten fest mit dem Freiticket. „Wir machen uns unglaubwürdig, wenn es jetzt nicht kommt.“

Immer wieder – und erneut zur jüngsten Ratssitzung – verwiesen SPD-Räte aufs Beispiel Rostock, wo bei ähnlichen Schülerzahlen nur gut die Hälfte der Kosten (4,6 Millionen Euro jährlich) fürs schon 2019 eingeführte Schülerticket anfielen. Trümper argumentierte mit ein paar Tausend Schülern weniger in Rostock, dem dort kürzeren Streckennetz und vor allem einem generell niedrigeren Tarif: „Dort kostet das ermäßigte Monatsticket 29 Euro, bei uns über 40. Unsere Rechnung geht also auf.“

Trümpers parteieigene Ratsfrau Julia Brandt zerlegte Trümpers Herleitung im Federstreich: „Rostock liegt beim ermäßigten Monatsticket sogar höher als wir bei über 43 Euro. 29 Euro kostet ein Vorschulticket, das es bei uns nicht gibt.“ Tatsächlich lässt Rostock wie Magdeburg alle bis Sechsjährgen kostenfrei fahren und bietet ab sechs bis Schuleintritt das Sonderticket an. Es zur Rechenbasis fürs die Schülerfreifahrt bis 18 Jahre gemacht zu haben, erfüllt genau das, was die Magdeburger Ratsmehrheit auch hier ausgehandelt wissen will – einen großzügigen Schülerverkehrsrabatt.

Am Ende fiel das Abstimmungsergebnis im Dezember 2020 so aus, wie schon beim Grundsatzbeschluss im Oktober 2019. Nur die Christdemokraten stimmten gegen die Streichung des Finanzierungsvorbehalts; die FDP enthielt sich. Alle anderen Ratslager beschlossen die Einführung des Schülertickets zum Schuljahr 2021/22 ohne Rücksicht auf den coronabedingt angespannten Haushalt.