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Park in MagdeburgBunker schützte vor Granatsplittern

Die Volksstimme bat ihre Leser um Hinweise zum Bunker am Spielplatz im Magdeburger Stadtpark. Zahlreiche Hinweise gingen ein.

Von Stefan Harter 15.06.2017, 01:01

Magdeburg l Auslöser der Suche war die Beobachtung eines aufmerksamen Volksstimme-Lesers, der bemerkt hatte, dass der Zugang zur Betonröhre offenstand und somit eine Gefahr für spielende Kinder darstellte. Der Stadtgartenbetrieb verschloss die Öffnung schnell, erklärte aber, nicht zu wissen, was die Anlage überhaupt sei. Auch überall sonst in der Stadtverwaltung Magdeburg ist sie unbekannt.

Lothar Roeper ist sich sicher, dass es sich um eine Luftschutzeinrichtung für die Bevölkerung handelt. „Eine artgleiche Einrichtung befand sich in zweifacher Ausführung genau an der Ecke Carl-Miller-Straße/Hellestraße. Das sind Überbleibsel aus dem Zweiten Weltkrieg.“ Einen ähnlich vergessenen Bunker gebe es unter der Strombrücke an der Zufahrt zum Allee-Center.

Auch Daniel Chelvier glaubt an einen Kriegsbunker. „Damals wurden sogenannte Splitterschutzröhren gebaut. Das könnte unter Umständen eine sein. Allerdings gab es viele unterschiedliche Bauwerke. Eine eindeutige Identifizierung ist nur durch Fachleute oder Augenzeugen möglich“, erklärt er.

Ein solcher Augenzeuge ist Dieter Struszewski, ein „alter Cracauer“, wie er schreibt. Er berichtet: „1927 wurden in die Ausstellungshallen am Adolf-Mittag-See die beiden Nobelgaststätten ‚Böning‘ und ‚Brand‘ mit einbezogen. Auf dem Grundstück der Gaststätte Böning befindet sich heute das ‚Le Frog‘. Auf dem Gelände des heutigen Spielplatzes befand sich damals die Gaststätte Brand. Unmittelbar neben dieser wurde Anfang der 1940er Jahre diese Luftschutzeinrichtung als Splitterbunker gebaut.

Zeit- und baugleich entstand in der Litzmannstraße, heute Cracauer Straße, gegenüber der Hauptmann-Loeper-Schule, heute Schule ‚Am Elbdamm‘, auch so eine Luftschutzeinrichtung. Beide Baustellen kenne ich noch aus meinen Kindertagen. Der Begriff Splitterbunker oder auch Luftschutzbunker wurde mir damals so vermittelt.“

Werner Hielmann ist ebenfalls Zeitzeuge. Als 14-Jähriger erlebte er die Zerstörung der Ausstellungshallen am Adolf-Mittag-See im August 1944 mit. Er berichtet, dass das Großcafé Brand den Bunker zuvor als Lagerkeller genutzt hatte. Die Betonteile waren damals noch mit Erde bedeckt. Während eine ähnliche Anlage am Schützenhausgarten nach dem Krieg abgerissen wurde, überdauerte die gesuchte bis heute.

Diese Geschichte bestätigt auch Jost Tenbrink. „Das war ein Splittergraben, der zwischen 1942 und 1944 an den Ausstellungshallen angelegt und als Lager genutzt wurde. Später wurde er zugemacht“, erzählt er am Telefon.

Die Mitglieder der Fotografen-Gruppe „Vergessenes Magdeburg“, die für ihre Aufnahmen immer wieder verlassene Orte aufsuchen, sie fotografieren und die Aufnahmen bei Facebook einstellen, waren vor einiger Zeit sogar in der Anlage. Ein Mitglied schreibt: „Es ist ein ehemaliger kleiner Schutzraum, bei unserer Begehung vor einigen Jahren waren dort die aussortierten DDR-Klappstühle der früheren Gastronomie am See gelagert. Die Röhre war lange zugewachsen und beinahe unsichtbar, aber offen zugänglich und niemand fühlte sich verantwortlich. Später wurde die dann verschlossen.“

David Weiß nennt die Anlage eine Splitterschutzröhre, die für den zivilen Luftschutz an den Ausstellungshallen angelegt worden war. „Einem direkten Bombentreffer hätten sie nicht standgehalten, boten aber Schutz vor Splittern entfernter Einschläge. Daher der Name“, erklärt er.

Die detaillierteste Beschreibung des Stadtparkbunkers kann Helmut Menzel liefern. Er ist Leiter der Fachgruppe Militär- und Garnisonsgeschichte Magdeburg und Umgebung und als solcher absoluter Fachmann, was alte militärische Anlagen in der Stadt angeht.

Für ihn ist es nicht verwunderlich, „dass städtische Behörden und auch das Magdeburger Stadtarchiv die Frage nicht so richtig beantworten können.“ Der Grund dafür sei einfach: „Mit dem Kriegsende sind fast alle Luftschutzunterlagen in Magdeburg vernichtet oder von den Amerikanern verschleppt worden. Auch im Bundesarchiv ist zu Magdeburg nichts Verwertbares zu finden“, erläutert er. Somit bliebe nur noch die Möglichkeit, US-Archive zu kontaktieren.

„Allerdings konnten durch die Fachgruppe Militär- u. Garnisonsgeschichte im Kultur- u. Heimatverein Magdeburg durch gezielte Luftbildauswertung viele Splitterschutzanlagen aus dem Zweiten Weltkrieg nachgewiesen werden. Aber nicht alle dieser Anlagen sind erkennbar“, erklärt Helmut Menzel. Gelegentlich tauchten solche Luftschutzbauwerke bei Bauarbeiten wieder auf, wie beispielsweise am Haydnplatz oder auf dem Werder geschehen.

Bei dem Stadtparkbunker handelt es sich um einen Teil der Splitterschutzanlage neben der Seeterrasse am Rondell. Eine zweite konnte auch am entgegengesetzten Ende im Norden auf einem deutschen Luftbild von etwa 1941 lokalisiert werden. Solche Splitterschutzbauwerke in sehr unterschiedlicher Bauweise wurden ab 1939 auf öffentlichen Plätzen, hinter Konzerthäusern und überall dort errichtet, wo es zu Menschenansammlungen kam. „Ob es auch noch an anderer Stelle im Stadtpark solche Bauwerke gab oder noch gibt, kann zurzeit aber nicht beantwortet werden“, so Helmut Menzel.