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Post für Magdeburg Wie ein Amerikaner die Proteste erlebt

Ein Amerikaner berichtet aus Magdeburgs Partnerstadt Nashville, wie er die Anti-Rassismus-Proteste in Amerika miterlebt:

03.06.2020, 23:01

Magdeburg/Nashville (rs) l Die Unruhen in amerikanischen Städten nach dem gewaltsamen Tod eines Schwarzen bei einer Polizeikontrolle sind auch in Magdeburgs Partnerstadt Nashville angekommen. Wie die Lage in der Hauptstadt des Bundesstaates Tennessee ist, wollte die Volksstimme von Doug Berry wissen und fragte ihn nach seinen Eindrücken und Einschätzungen zur aktuellen Lage. Doug Berry ist einer der Gründungsväter der Städtepartnerschaft. Er lebt in Nashville.

Meine Frau und ich waren am Sonnabend auf meiner Farm in einem Nachbarbezirk. Gegen 21 Uhr schalteten wir den Fernseher ein, wo zu unserer Überraschung Live-Berichte über zivile Unruhen in der Innenstadt von Nashville zu sehen waren. An diesem Nachmittag hatte es eine friedliche Demonstration auf einem öffentlichen Platz gegeben. Bürgermeister John Cooper hatte die Öffentlichkeit eingeladen, sich an diesem friedlichen Protest zu beteiligen. Wie in so vielen amerikanischen Städten kam, sobald die Nacht hereinbrach, Gewalt zum Vorschein.

„Die Chaoten“ – wenn man so will, viele von ihnen weiß, – begannen öffentliche Statuen zu zerstören, Laternenpfähle niederzureißen, Fenster am Lower Broadway, dem weltberühmten „Kneipenviertel“, einzuschlagen und Ärger zu verursachen. Einer von ihnen schaffte es sogar, ein Fenster im Nashville-Davidson County Courthouse (Gericht) einzuschlagen und ein Feuer zu entfachen. Er war ebenfalls weiß und wurde jetzt verhaftet.

Die Beweise sind zu diesem Zeitpunkt nicht schlüssig, ob es sich bei diesen Personen um Einheimische oder um Mitglieder größerer Organisationen (ob „Antifa“ oder „Neonazis“) handelte, die angereist waren, um Unruhe zu stiften. Soweit ich weiß, gab bisher etwa 30 Verhaftungen, überwiegend Einheimische, meiner Meinung nach meist wegen Verstößen gegen die Ausgangssperre.

Auf Ersuchen von Bürgermeister Cooper rief Gouverneur Bill Lee die Nationalgarde zu Hilfe, um die Situation unter Kontrolle zu bringen. Am Montag gab es eine kleine Demonstration, bei der die Nationalgarde unter dem Beifall und der Zustimmung der versammelten Menge ihre Schutzschilde auf den Boden legte. Alles friedlich.

Seitdem herrscht in Nashville eine Ausgangssperre von 22 bis 6 Uhr. Eine weitere organisierte Demonstration ist für Donnerstag, den 4. Juni, um 16 Uhr geplant.

Was die Situation im ganzen Land betrifft, so glaube ich natürlich, dass die öffentlichen Demonstrationen gerechtfertigt und verständlich waren. Aber ich verurteile diejenigen, die die Situation ausgenutzt und gebrandschatzt, geplündert und gewaltsam gehandelt haben.

Ich glaube aufrichtig, dass ein Teil der gewalttätigen Reaktion auf die aufgestaute Frustration der Menschen über die Covid-19-Krise und das Gefühl der wirtschaftlichen Unsicherheit zurückzuführen ist. Ich glaube, unser Bürgermeister und unser Gouverneur haben vernünftig gehandelt und ihre Arbeit so gut gemacht, wie man es erwarten konnte. Die Polizei und die Nationalgarde haben sich mit Zurückhaltung verhalten.