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Prozess Lottoräuber schürte Todesängste

Ein Drogensüchtiger raubte in Magdeburg einen Kiosk und eine Tankstelle aus. Jetzt musste er sich vor Gericht verantworten.

Von Susann Salzmann 20.11.2019, 23:01

Magdeburg l Der Drogendrang führte Patrick K. Anfang 2018 zur Entscheidung: er oder andere. Mit diesem Denken schmiedete der Angeklagte Mitte Januar 2018 einen Plan, trotz schmalen Portemonnaies und Hartz-IV-Leistungen seine Drogenschulden abzubezahlen und gleichzeitig neue Drogen zu besorgen.

Durch seinen oft täglichen Konsum von u. a. ein bis zwei Gramm Crystal Meth türmte sich ein Schuldenberg von rund 3000 Euro an. Die schuldete er seinem Dealer - und der machte Druck. „Wenn ich nicht zahle, würde vor meiner Tür mal ein schwarzer Bus stehen“, verwies der 40-jährige Beschuldigte auf eine Morddrohung gegen ihn. Plötzliche Tränen erstickten seine Worte fast.

Seine Taten - vor der 5. Großen Strafkammer des Magdeburger Landgerichtes wurden zwei Überfälle auf ein Lottogeschäft im Kroatenweg der Stadt verhandelt - entschuldigt das in keinem Fall. Bis Ende Januar sollte der gebürtige Thüringer seine Drogenschulden bezahlen. Ansonsten könnte die Drohung zur Realität werden.

Die eigene Angst habe ihn daher dazu getrieben, andere mit einer täuschend echt aussehenden Spielzeugpistole in Todesangst zu versetzen. Die nahm er vom Sohn seiner damaligen Lebensgefährtin. In seinem Drang, an Geld zu kommen, stieß der einschlägig vorbestrafte Magdeburger auf das Lottogeschäft im Kroatenweg.

Die Wahl fiel extra auf dieses Geschäft, entlockte ihm die Vorsitzende Richterin Ina Lorenz in einer knapp sechsstündigen Verhandlung vor dem Magdeburger Amtsgericht. Der Laden liege etwas abschüssig und würde gute Fluchtmöglichkeiten bieten. So schlug der kinderlose Angeklagte erstmals am 16. Januar gegen 12.29 Uhr zu. Den Kopf mit einer Kapuze bedeckt und ein Tuch bis hoch zu den Augen gezogen, stürmte er in das Geschäft und forderte von der 59-jährigen Ladeninhaberin Bargeld. 660 Euro gab sie in Schockstarre und mit Blick auf die auf sie gerichtete Waffe heraus. Die Geldscheine waren ihm gut genug. Münzgeld lehnte er ab.

„Es war nicht zu erkennen, dass es sich um eine Spielzeugpistole handelte“, sagte die Geschädigte. Eine Überwachungskamera zeichnete das Geschehen auf. Der Tag hat Spuren hinterlassen. Sie entwickelte eine Phobie gegen Kapuzenträger. Außerdem öffnete sie den Laden später - statt um 6 um 6.45 Uhr. „Dann sind mehr Leute unterwegs, die Sicherheit etwas größer“, begründete die Einzelhändlerin.

Was keiner für möglich hielt, trat in der Folgewoche ein. Patrick K. suchte das Lottogeschäft gegen 17.39 Uhr erneut auf, um Geld zu erbeuten. Rund 373 Euro bekam er nun auf seine Drohung: „Überfall, los, los, Geld her!“ Die 66-jährige Angestellte der Ladeninhaberin gab mit Blick in die für echt gehaltene Waffe das Geld heraus. „Wir haben eine Anweisung der Chefin, in solchen Fällen so zu handeln“, erzählte die Angestellte vor Gericht. Auch sie erklärte, dass sie jeden Moment mit einem Schuss gerechnet habe.

„Ich habe extra gewartet, bis keine Kunden mehr im Geschäft waren", gab der Angeklagte Einsicht in seinen Plan. Mit seinem Geständnis ersparte er gut einem Dutzend Zeugen - insgesamt 17 Zeugen sollten an drei Verhandlungstagen gehört werden - die Aussage. Eine Mitarbeiterin des Landeskriminalamtes hatte zudem ein Gutachten angefertigt, das ihn u. a. anhand von Haltung und Gestik als Täter entlarven sollte. Doch die Auflösung der Kameraüberwachung gab laut LKA-Mitarbeiterin wenige Details preis.

Fazit: Man hätte nicht mit hoher Wahrscheinlichkeit sagen können, dass Patrick K. beide Überfälle auf das Lottogeschäft verübt habe. Hilfreich für die Ermittlungen war, dass Patrick K. am 29. Januar 2018 noch einmal auf Geldbeschaffungskurs war. Er überfiel eine Magdeburger Tankstelle, erbeutete knapp 600 Euro. Die besseren Überwachungsaufnahmen hätten ihn demaskiert. Im Mai 2018 wurde er für diese Tat zu vier Jahren Freiheitsstrafe verurteilt. Erst diese Tat und den engen Tatzeitraum von nicht einmal zwei Wochen ließen Polizei und Staatsanwaltschaft Parallelen zum Kiosküberfall ziehen.

Sein Geständnis kürzte den Prozess deutlich ab. Noch am ersten Verhandlungstag fiel das Urteil. Zu einer Freiheitsstrafe von fünf Jahren und zehn Monaten verurteilte ihn Richterin Ina Lorenz. Darin wurden alle drei Überfälle vom Januar 2018 zusammengefasst. Ein zufriedenstellendes Urteil für den angeklagten Hauptschüler. Der Oberstaatsanwalt hatte für eine Haftstrafe von sieben Jahren und drei Monaten plädiert.

Damit der Mann, dessen Bundeszentralregisterauszug 15 Eintragungen von Körperverletzung über Hehlerei bis Computerbetrug ausweist, sein Leben künftig in den Griff bekommt, macht er im Bernburger Landeskrankenhaus für forensische Psychiatrie eine Therapie. „Auch dort hat es anfangs zwei Rückfälle mit Cannabis gegeben“, bewertete ein Psychiater die Erfolgsaussichten einer Entziehung. Trotz seiner Drogensucht und der sozialen Persönlichkeitsstörung gebe es nun aber Hoffnung für ihn. Das bewog auch die Richterin schließlich zu ihrem Urteil.