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SchrottimmobilienDuisburg als Vorbild für Magdeburg

Über die "Armutszuwanderung von Menschen aus Südosteuropa" sprach OB Lutz Trümper mit seinem Amtskollegen in Duisburg.

Von Franziska Ellrich 20.02.2018, 00:01

Duisburg/Magdeburg l Schimmelbildung, Vermüllung und Schädlingsbefall – in Duisburg sind das Symptome für sogenannte Problemimmobilien. Hinzu kommen mangelhafte sanitäre Anlagen, bauliche Probleme sowie fehlender Brandschutz. Die Eigentümer solcher Häuser würden ihre Wohnungen trotzdem „zu überhöhten Mieten an Zuwanderer aus Südosteuropa vermieten“, heißt es von der Stadt Duisburg.

Beispiele dafür gibt es auch in Magdeburg. Vor allem im Bereich der Umfassungsstraße in Neue Neustadt sorgen die unsanierten Wohnblöcke für Ärger im Viertel. Mehr als 600 Rumänen sind in den vergangenen Monaten und Jahren in den Stadtteil gezogen.

Anwohner beobachten, wie auf engstem Wohnraum Großfamilien sich wenige Zimmer teilen. Es gibt regelmäßig Beschwerden über Müll, der am Straßenrand landet. Überall stehen dieser Tage Rattenfallen an den Hauswänden des Viertels.

In Duisburg geht man bereits seit mehreren Jahren gegen „für unbewohnbar erklärte Häuser“ vor. Wie das funktioniert, darüber hat Magdeburgs Oberbürgermeister Lutz Trümper mit seinem Amtskollegen Sören Link vor Ort gesprochen. Nach dem Treffen hieß es in einer Erklärung der Stadt: „Wir dürfen nicht zulassen, dass unsere Regeln der Freizügigkeit und unsere sozialen Systeme durch kriminelle Geschäftemacher missbraucht werden.“

Doch wie packt man in Duisburg dieses Problem an? Die Volksstimme hat in der Großstadt mit rund 500.000 Einwohnern nachgefragt.

Am Anfang steht vor ein paar Jahren das Modellprojekt der ehemaligen Landesregierung in Nordrhein-Westfalen zum Ankauf von Problemimmobilien. Ziel des Projektes ist es, „in den Großstädten, die aufgrund des EU-Freizügigkeitsrechts eine besondere Armutszuwanderung aus Rumänien und Bulgarien haben, unbewohnbaren Wohnraum vom Markt zu nehmen“, erklärt ein Sprecher der Stadt.

Denn: Durch die Vermietung derartiger Schrottimmobilien würden sich die Eigentümer „auf Kosten der Ärmsten der Armen bereichern“. Es ist die Rede von kriminellen Schlepperbanden, die die Familien nach Deutschland holen – und nicht nur als „kriminelle Vermieter“, sondern auch als „Scheinarbeitgeber“ fungieren.

Solche Scheinarbeit ist auch in Magdeburg Thema. 2017 wurde öffentlich, dass die Stadt Magdeburg in Richtung organisierten Missbrauchs deutscher Sozialleistungen ermittelt. Im Februar 2017 bezogen dem Magdeburger Jobcenter zufolge mehr als 660 Rumänen Sozialleistungen. Nicht nur der Vorwurf der Scheinselbstständigkeit steht im Raum, sondern auch die Vermutung, dass in professionellen Strukturen Gewerbeanmeldungen organisiert werden. Beweise dafür sind allerdings nicht bekannt.

Im 400 Kilometer entfernten Duisburg soll eine sogenannte Task-Force Problemimmobilien dem Ganzen ein Ende bereiten. Dafür sind Mitarbeiter verschiedener Behörden und Fachbereiche gemeinsam im Einsatz: Von Ordnungs- und Sozialamt über Polizei und Stadtwerke bis hin zu Steuerfahndung und Zollbehörde.

Dem Stadtsprecher zufolge haben die Duisburger eine flexible Liste mit Problemimmobilien, die immer wieder aktualisiert werde. Die Häuser werden regelmäßig überprüft, Instandsetzungen angeordnet und Bußgelder verhängt. Das Ganze kann in einer „Unbewohnbarkeitserklärung“ münden.

Standen im Herbst 2016 noch 120 Problemhäuser auf der Liste, sind es aktuell noch 53 – inklusive der bereits für unbewohnbar erklärten Häuser. Die Zahlen sprechen für sich: Seit 2016 wurden 30 Häuser begutachtet, davon 26 komplett geschlossen, zwei teilweise und eines blieb offen.

Um Problemecken in Duisburg wieder aufzuwerten, wurden Fördermittel im Rahmen der Städtebauförderung beantragt. Für den Ankauf gibt es zwei Optionen, zum einen die Zwangsversteigerung, zum anderen das Verkehrswertverfahren. Dabei wird der aktuelle Wert der Immobilie ermittelt. In Nordrhein-Westfalen arbeitet man jetzt mit dem städtischen Wohnungsbauunternehmen zusammen. Mit dessen Unterstützung werden die Schrotthäuser entweder saniert oder abgerissen.

Aus Duisburg heißt es: „Schrottimmobilien sind eine Gefahr für Bewohner und Nachbarn. Überall dort, wo es uns möglich ist, nehmen wir solche Häuser vom Markt.“ Der Duisburger Stadtplanungsdezernent Carsten Tum ergänzt: „Oft reicht es schon aus, wenn man einzelne Häuser einer Straße vom Markt nimmt, um ganze Straßenzüge vor dem Abrutschen zu bewahren.“

Doch was passiert mit den Mietern der geschlossenen Häuser? Grundsätzlich müssten sich die Bewohner – in der Regel EU-Bürger – selbstständig neue Wohnungen beziehungsweise Unterkunftsmöglichkeiten suchen. Droht allerdings Obdachlosigkeit, handele das Sozialamt, heißt es aus Duisburg. Bei Bedarf erfolge außerdem eine Betreuung durch den allgemeinen sozialen Dienst des Jugendamtes.

„Denjenigen, die hier bleiben und sich integrieren wollen, bieten wir alle notwendige Unterstützung an“, macht Duisburgs Oberbürgermeister Sören Link deutlich. Integrationsberater, Straßenpaten, Bürgergespräche, Bildungsmöglichkeiten und Gesundheitssprechstunden sind nur ein Teil des Duisburger Handlungskonzepts in Sachen Integration.

Inwieweit die Magdeburger Stadtverwaltung sich ein Beispiel an Duisburg nehmen wird, bleibt nach dem Erfahrungsaustausch abzuwarten. Fakt ist: Noch unterscheidet sich die rechtliche Basis. In Nordrhein-Westfalen gilt seit 2014 das Wohnungsaufsichtsgesetz. Das ermöglicht den Kommunen in puncto „Wohnraumerhaltung auf die Beseitigung von Missständen hinzuwirken“. In Sachsen-Anhalt existiert so ein Gesetz nicht. Jedoch gibt es bereits erste Vorstöße auf Landesebene.