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Spurlos-Einbrüche Vermieter reagiert auf Schlüsselklau

Erstmalig hat ein Großvermieter gegenüber der Volksstimme eingeräumt, dass ihm mehrere Schlüssel entwendet worden sind.

16.09.2015, 01:01

Magdeburg l Die Veröffentlichung von Bildern in der Volksstimme von mehreren bei einer Wohnungsdurchsuchung gefundenen Schlüsseln hat zu einer konkreten Spur geführt. Einige der gezeigten Schlüssel gehören zum Bestand der Wohnungsbaugenossenschaft Magdeburg-Stadtfeld (WBG). „Wir haben Schlüssel erkannt und uns mit der Polizei in Verbindung gesetzt“, sagt WBG-Vorstand Jens Schneider. In der vergangenen Woche gab es ein Treffen mit der Kriminalpolizei. Da konnten WBG-Mitarbeiter weitere Schlüssel zuordnen – insgesamt sollen ca. 30 aus dem WBG-Bestand stammen. Wie die Schlüssel in den Besitz des Kriminellen kamen, ist noch unklar. Vermutet wird der Diebstahl bei einem Drittanbieter – also bei Personen, die berufsbedingt Zugang zu Mietshäusern haben. Bewiesen ist das nicht.

Die WBG hat bereits in den vergangenen Tagen und Wochen mehrere Sicherheitsvorkehrungen getroffen, um die Spurlos-Einbrüche unter Kontrolle zu bekommen. „In einer besonders betroffenen Straße haben wir einen Sicherheitsdienst engagiert“, sagt Schneider. Außerdem wurden Kellertrakte in Mehrfamilienhäusern, die unterirdisch miteinander verbunden sind, zugemauert. Auch Schlösser wurden bereits ausgetauscht. „In unserem Bestand verzeichnen wir einen Rückgang der Einbrüche“, sagt Schneider. Er schätzt, dass der WBG durch die Einbruchsserie ein Schaden von mehreren Zehntausend Euro entstanden ist. „Seit einigen Monaten haben uns die Einbruchsmeldungen förmlich überrollt“, sagt Schneider, der den Unmut der Mieter gut verstehen könne.

Gewissermaßen sitzt die WBG zwischen den Stühlen. Auf der einen Seite gibt es Kriminelle, für die ein Vermieter nichts kann, und auf der anderen Seite sind die zu Recht verärgerten und verunsicherten Mieter. „Wir unterstützen die Ermittler, wo wir nur können, damit diese Serie aufgeklärt wird“, sagt Schneider.

Seit Monaten wird die Landeshauptstadt von einer beispiellosen und deutschlandweit in dieser Art einmaligen Einbruchsserie heimgesucht. Die Täter gelangen wie von Geisterhand in Mehrfamilienhäuser und stehlen aus Kellern und Abstellräumen vornehmlich Fahrräder und Technik. Die Einbrecher gelangen mit Schlüsseln in die Häuser – weshalb kaum Einbruchsspuren entstehen. Konservative Schätzungen der Ermittler rechnen den Spurlos-Einbrechern 500 Taten zu. Die Dunkelziffer ist wahrscheinlich noch höher. Betroffen sind fast alle Vermieter im gesamten Stadtgebiet. Die Polizei vermutet, dass diese Einbrüche das Machwerk einer organisierten Bande von 20 bis 30 Kriminellen ist. In der Polizeidirektion Nord beschäftigt sich eine eigens eingerichtete Ermittlungsgruppe mit der Serie.

Noch ist unklar, wie die Kriminellen in den Besitz der Schlüssel gekommen sind. Die WBG-Schlüssel seien bis jetzt die konkreteste Spur. Es gehe nun darum, „Querverbindungen zu suchen und die Herkunft aller Schlüssel zu klären“, heißt es aus Polizeikreisen.

Die Spurlos-Einbrüche werden auch Thema bei der nächsten Aufsichtsratssitzung des größten Vermieters in der Stadt – der Wohnungsbaugesellschaft Magdeburg (Wobau) – in 14 Tagen sein. Die Wobau ist von der Einbruchsserie besonders betroffen. Gegenüber der Volksstimme hatte die Unternehmensspitze mehrfach betont, dass keine Schlüssel im Umlauf seien und man eng mit der Polizei zusammenarbeite. Aus Polizeikreisen erfuhr die Volksstimme, dass genau das aber nicht der Fall sein soll und man sich eine engere Zusammenarbeit wünsche.

„Wenn Handlungen notwendig werden, dann müssen wir etwas tun“, sagte Wobau-Aufsichtsrat Wigbert Schwenke (CDU) auf Nachfrage. Man müsse sich jetzt anhören, was die Wobau-Geschäftsführung zu den Einbrüchen zu sagen habe. Auch Linken-Stadtrat Oliver Müller kündigte an, bei der kommenden Sitzung des Aufsichtsrates, die Spurlos-Einbrüche zu thematisieren. „Allerdings hat der Aufsichtsrat keinen Einfluss auf das operative Geschäft“, sagte der Finanzbeigeordnete und Chef des Aufsichtsrates, Klaus Zimmernann (CDU). Nun müsse die Serie „schnellstmöglich“ aufgeklärt werden. Wie und welche Maßnahmen der Aufsichtsrat als Kontrollgremium einleiten kann, erfährt die Volksstimme trotz Nachfrage nicht.

Die Erörterung dieser Frage dürfte für Zündstoff sorgen. Denn sollte sich der Verdacht bestätigen, dass Schlüssel weggekommen sind und das nicht ordentlich angezeigt wurde, hätte das möglicherweise weitreichende Konsequenzen. Zum einen würden auf einen Großvermieter beim Austausch von Schließanlagen schnell Kosten von Hunderttausenden Euro zukommen und zum anderen gilt es als wahrscheinlich, dass auch Versicherungen von bestohlenen Mietern etwaige Regressforderungen gegenüber dem Vermieter prüfen würden. So könnte insgesamt ein Millionenschaden entstehen.

Unterdessen reißen die Meldungen von Einbrüchen nicht ab. So berichteten gegenüber der Volksstimme auch Innenstadthändler von Einbrüchen in ihre Kellerräume. In einem Fall wurde etwa ein Warenlager ausgeräumt - auch in diesem Fall gab es keine Einbruchsspuren.