Hilflos und verärgert - Vereine legen Zahlen zum Anstieg der Katzenpopulation und Kosten vor Sreit um Katzenplage: "Desinteresse" treibt Tierschützern "Zornesröte ins Gesicht"
Vereine, die sich in Magdeburg um herrenlose Katzen kümmern, sind am Ende ihrer Kräfte, so das nüchterne Fazit von Josef Fassl von der Partei Mensch, Umwelt, Tierschutz. Verwaltung und Stadträte reden laut Fassl das Problem klein und versagen notwendige Hilfe. Umso größer ist der Frust der Tierschützer.
Magdeburg l "Wir sind am Ende unserer Kräfte", bekennt Josef Fassl, der zugleich Chef vom Magdeburger Bündnis für Tiere e.V. ist. Dass es im Volksstimme-Bericht vom 14. Februar Veterinäramtsleiter und Stadträte unisono ablehnen, von einem Problem mit Streunerkatzen zu reden, ist für die aktiven Tierschützer unverständlich. Mithin verhallt auch der Hilferuf der Vereine, die sich seit Jahren um die Kastration und (medizinische) Versorgung bis hin zur Vermittlung der "Wildkatzen" an Familien kümmern.
"Es treibt mir die Zornesröte ins Gesicht", kommentiert Josef Fassl die Gelassenheit der Gegenseite. Denn damit trifft auch die Forderung der Tierschützer nach einer Katzenschutzverordnung, die die Kastration aller Streunerkatzen im Stadtgebiet vorsieht, auf taube Ohren.
"Uns Hilfeleistung zu versagen bei der Eindämmung der Katzenpopulation, zeugt von einer absoluten Unkenntnis der Sachlage, gepaart mit einer unerträglichen Gleichgültigkeit", legt Gudrun Müller, Vorsitzende des Magdeburger Tierschutzvereins e.V. 1893, nach. Ob im Stadtrat, auf Themenstammtischen oder auch im Volksstimme-Bericht vom 14. Februar 2012 wurden die klagenden Tierschutzvereine aufgefordert, Fakten und Zahlen vorzulegen, die das Katzenproblem plausibel belegen. "Das tun wir hiermit", kontert Fassl nun im Volksstimme-Gespräch. Die Aufnahmekapazitäten der Katzenstellen seien erschöpft, sagt er dazu. Allein der Tierschutzverein habe derzeit 18 Katzen in seiner "Arche" zur Quarantäne und Nachsorge. Aus Platzmangel seien zudem schon acht Katzen im Büro des Vereins untergebracht, betont er. Auch der Gnadenhof Katzeninsel e. V. sei "absolut überfüllt" und verhängte daher bereits 2010 einen Aufnahmestopp für sein Gelände. "Zum 21.2.2012 wurden uns 116 Katzen gemeldet. Von überallher bringen die Leute dorthin Katzen", weiß er zu berichten.
Ebenso erschöpft seien die Aufnahmemöglichkeiten des Bündnis für Tiere e. V. Vorsitzender Josef Fassl: "Derzeit werden allein 20 Katzen von unserem Mitglied Mirjam Karl-Sy betreut, in zwei weiteren Pflegestellen sind 22 Katzen untergebracht."
Auch bei der Anzahl der Kastrationen gehe es nach oben, ergänzt er: allein von 224 im Jahr 2010 auf 233 im vorigen Jahr. Dies bedeute eine Kostensteigerung von 13750 auf 14950 Euro, wobei die Kastration einer Katze mit ca. 100 Euro, die eines Katers mit 50 Euro zu Buche schlägt. Nach der Kastration blieben die Tiere in Quarantäne und zur Nachsorge in den Pflegestellen; ein Kater drei Tage, eine Katze fünf Tage. Sie müssten nicht nur betreut und mit Futter versorgt, sondern auch z. B. mit Wurmmitteln behandelt werden. Viele Tiere benötigen zusätzlich eine ärztliche Behandlung, so Fassl. Allein die Nachsorgekosten sind von 6048 auf 6692 Euro im Jahr 2011 gestiegen, berichtet er. "Hierbei sind die Kosten für Dauergäste (nicht mehr vermittelbare Tiere), insbesondere im Gnadenhof Katzeninsel e. V., noch nicht berücksichtigt", meint er.
Zudem unterhalten die Tierschutzvereine etliche, beim Veterinäramt offiziell gemeldete Futterstellen. Beim Tierschutzverein 1893 sind es etwa 60, beim Bündnis für Tiere elf Futterstellen mit momentan 81 Tieren, die laut Fassl auch dazu dienen, ausgesetzte Katzen einzufangen, medizinisch untersuchen und kastrieren zu lassen, um sie dann, wenn möglich, zu vermitteln. "Diese Futterstellen erfahren immer mehr Zulauf, mit dem die ehrenamtlichen Mitarbeiter kaum noch fertig werden", so Josef Fassl.
Er wird deutlich: "Man sollte meinen, in einer Stadt mit einem kommunal betriebenen - also durch Gelder der Stadt gesicherten - Tierheim könnten sich Tierschutzvereine um Aufgaben wie Aufklärungskampagnen z.B. in Schulen oder um andere sinnvolle Tätigkeiten kümmern. Stattdessen müssen sie trotzdem tagtäglich gegen Windmühlen kämpfen - Katzen fangen, zu Tierärzten fahren, um Spenden für die Kosten werben, die noch dazu immer weiter zurückgehen usw. Wer kann da nicht die Verzweiflung der Tierschützer verstehen, insbesondere wenn kein Licht am Ende des Tunnels erkennbar ist", wirbt Josef Fassl um Verständnis.
Ihn ärgert die Reaktion von Stadträten und Stadtbediensteten auf die Forderung nach einer Katzenschutzverordnung, die das Übel an der Wurzel packen soll. Die generelle Kastrationspflicht und eine Kennzeichnungspflicht für die Streunerkatzen sind die Kernforderungen darin.
"Wir haben in Magdeburg kein drängendes Katzenproblem", fand seinerzeit Stadtrat Dr. Klaus Kutschmann. "Das kann sich schnell ändern", erwidert Fassl nun darauf. Die engagierten Tierschützer könnten "ebenso gut alles stehen und liegen lassen und das Problem der Stadt, ihren Ämtern und dem Heim überlassen. Dass sie dies nicht tun, weil ihnen die Eindämmung von Tierleid so sehr am Herzen liegt", das wisse man und darauf verlasse man sich, so Fassl. Wenn die Tierschützer ihrerseits um Hilfe bitten, werde man mit Phrasen abgefertigt, ärgert er sich.
Nicht anders geht es Gudrun Müller, Chefin des Tierschutzvereins 1893. Auch sie ist sauer über die "Abfuhr", die sogar aus den eigenen Vereinsreihen kommt. Denn die Stadträte Klaus Kutschmann, Carola Schumann und selbst Tierheimleiter Dr. Andreas Reichardt sind Mitglieder im TSV 1893. Offenbar herrscht in eigenen Reihen Uneinigkeit über die Frage, ob Magdeburg tatsächlich ein Katzenproblem hat und ob es einer Verordnung zur Eindämmung der Population bedarf. "Interne Querelen" gebe es nicht, behauptet Gudrun Müller, wohl aber "reines Desinteresse", so wirft sie ihren Widersachern vor. Wie die anderen Tierschützer sieht auch sie ein akutes Problem. "Die Katzen kriechen in einer Besorgnis erregenden Vielzahl aus allen Gartenanlagen und Abrisshäusern in Sudenburg, Cracau, Buckau und Rothensee hervor", berichtet sie. Dem "neuerlichen Katzenboom" müsste mit Hilfe städtischer Gremien "schnellstens entgegengewirkt" werden, fordert Gudrun Müller. Oder wolle man womöglich etwas anderes riskieren? "Sollen die Tiere vielleicht auf qualvolle Art mittels der Akteure der Schädlingsbekämpfung beseitigt werden?", so fragt sie. Bei Saatkrähen in Hoym (Salzlandkreis) sei das bereits erprobt worden. Eine grausame Vorstellung, so Müller.