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Historisches Steine für den Angriff auf Haldensleben

Ein ewigdauernder Zwist zwischen Friedrich I. und seinem Vetter Henrich dem Löwen hielt im 12. Jahrhundert das römisch-deutsche Reich in Atem. Zu den Auswirkungen auf die Region an Elbe und Ohre hat der Groß Ammensleber Historiker Wilfried Lübeck interessante Details herausgefunden.

12.04.2021, 00:00

Groß Ammensleben

„Bevor ich ins Detail gehen kann, muss ich etwas ausholen“, sagt Wilfried Lübeck gegenüber der Volksstimme und beginnt, zu erzählen: „Um das Jahr 1150 gab es im heutigen Deutschland kriegerische Kämpfe um Macht. Eingebunden waren hochadlige Familien und Familien, dessen kirchliche Würdenträger ebenfalls aus diesen Familien kamen.“ Das Gebiet des römisch-deutschen Reiches reichte zu dieser Zeit von Nord- und Ostsee bis nach Oberitalien. „Wer Land hatte, bekam Machtzuwachs und durch gewonnene Kriege Ruhm und Einfluss. Dabei spielten auch verwandtschaftliche Beziehungen keine Rolle“, berichtet der Groß Ammensleber.

Zwei weltliche Adelshäuser dominierten zu dieser Zeit: Die Staufer mit König Friedrich I., der im Jahr 1155 Kaiser wurde. Wegen des roten Bartes ging der Herrscher als Barbarossa in der Geschichte ein. An zweiter Stelle spielte das Geschlecht der Welfen ein große Rolle, das durch den Herzog „Heinrich der Löwe“ von Braunschweig an politischem Gewicht gewann. Heinrich regierte auch und Sachsen und Bayern. „Beide Männer waren wie damals üblich verwandt. Besonders Heinrich profitierte davon. So erhielt der Herzog Sonderrechte wie beispielsweise im Münzdruck, in der Gerichtsbarkeit und in Sachen Marktrechte.“

Friedrich der I. wird 1155 Kaiser

Als Friedrich I. im Jahr 1155 in Rom zum Kaiser gekrönt wurde, habe er zunächst keine Bedenken gehabt, als sich sein Vetter Heinrich der Löwe Gebiete im heutigen Mecklenburg unter den Nagel riss. Dabei legte er sich mit dem Markgrafen „Albrecht dem Bär“ aus Anhalt an, der ebenfalls Interesse an den Gebieten östlich der Elbe hegte.

Während ihrer Machtkämpfe seien von den verschiedenen Seiten Ränke und Allianzen geschmiedet worden. „Auch die Grafen von Ammensleben waren darin verwickelt“, berichtet Wilfried Lübeck. So stellte die Adelsfamilie aus der heutigen Niederen Börde Albrecht dem Bären militärische Unterstützung zur Seite, Teile der Familie seien als Heerführer eingesetzt worden. Auf einen Hinweis auf die engen Beziehungen zwischen beiden Adelshäusern ist Wilfried Lübeck in der Chronik von Groß Ammensleben gestoßen. „Nach dem Tod des Grafen Otto von Ammensleben reiste Albrecht der Bär zur Beerdigung an. Im Schlepptau hatte er sogar seine beiden Söhne.“

Albrecht der Bär weilt in Groß Ammensleben

Unterdessen mischte auch Erzbischof Wichmann zu Magdeburg, dessen Wahl im Jahr 1154 auf Drängen von Kaiser Friedrich und mit Unterstützung der Grafen von Ammensleben durchgesetzt wurde, kräftig um weltlichen Machteinfluss in Ostelbien mit. Herzog Heinrich wurde durch die häufige Abwesenheit Barbarossas - er weilte immer wieder zur Heerzügen in Italien - der mächtigste Mann im Reich. Im Jahr 1176 verweigerte er Kaiser Barbarossa erneut die Unterstützung bei einem weiteren Feldzug durch Italien. So entstand ein militärisches Dreieck aus Erzbischof Wichmann, Kaiser Friedrich und Albrecht dem Bär.

Wichmann hatte vom Kaiser die Befehlsgewalt über das Magdeburger Stadtregiment erhalten. „Dieses war im Besitz riesiger Steinschleudern“, berichtet der Historiker. Diese Katapulte sollten zur Eroberung der Mauern von Haldensleben verwendet werden, die Heinrich der Löwe zuvor errichten ließ. „Die Ernennung des Grafen Bernhard von der Lippe zum Kommandanten von Haldensleben zeigt, dass der Herzog eine Auseinandersetzung ahnte“, sagt Lübeck.

Haldensleben wurde mehrfach belagert

Im Winter 1166/1167 begann dann von Magdeburg der erste Marsch auf Haldensleben. Etwa 15 Dörfer passierte das Heer, so auch die Region der heutigen Niederen Börde. Lübeck: „Die Einwohner wurden verpflichtet, große Steine für die Katapulte zu sammeln, die großen Brocken auf ihre eigenen Wagen zu verladen und diese bis nach Haldensleben zu führen.“ Dennoch war Wichmann in Haldensleben nicht erfolgreich. Zu Ostern des Jahres 1167 habe der Erzbischof seine Truppen abziehen müssen.

Der zweite Warnschuss erfolgte im Sommer 1168. Dafür stellte auch der Erzbischof von Köln Truppen zur Verfügung. „Zu dieser Zeit war es in der Region um Haldensleben sehr trocken. Das kam den Belagerten recht“, erzählt der Historiker. Starke Wald- und Torfbrände erfassten die aufgestellten Wurfmaschinen - die mit Wichmann verbündeten Truppen ergriffen die Flucht.

Barbarossa musste nun persönlich einschreiten und erreichte eine Ruhephase, die allerdings nur zwei Jahre andauerte. Grund war die Zerstörung des Bistums Halberstadt durch Herzog Heinrich. „Der Kaiser unterstützte nun aktiv seinen alten Freund, den Magdeburger Erzbischof“, führt der Historiker aus.

Hillersleben dem Erdboden gleich

Heinrich der Löwe hatte unterdessen durch die Einbeziehung der Flüsse Ohre und Beber seine Haldensleber Festung fast uneinnehmbar gemacht und Gesprächsangebote des Kaisers ausgeschlagen. So startete im Jahr 1179 der nunmehr dritte Marsch auf das Bollwerk. Dabei plünderten Krieger aus Köln das Dorf Wedringen und machten Hillersleben dem Erdboden gleich, „wohl als Retourkutsche für Halberstadt“, meint der Historiker.

Im Frühjahr 1181 wurde Haldensleben rundum belagert. Dabei stauten die Angreifer die Ohre auf und setzten die Stadt unter Wasser. Lübeck: „Viehfutter wurde knapp, Tote konnten nicht beerdigt werden.“ Diese sollen auf dem Kirchenboden gestapelt worden sein. Doch forderte die Belagerung ihren Tribut auf beiden Seiten, sie waren zusehends erschöpft. Die Lage zwang die verfeindeten Parteien zu Verhandlungen, zumal Haldensleben drei Monate total unter Wasser stand. „Aber erst im Jahr 1231 gehörte Haldensleben zum Erzbistum Magdeburg“, erklärt der groß Ammensleber.

Heinrich der Löwe wurde im Jahr 1180 bereits zum vierten Mal vor den Reichstag zitiert - und erschien wieder nicht. Daraufhin entzog der Kaiser dem Welfen seine Herzogtümer - nur Braunschweig und Lüneburg blieben dem Löwen erhalten. Außerdem belegte Barbarossa seinen Vetter mit einem Bann: Drei Jahre musste er das Reich verlassen. Er verstarb 1194 und wurde in Braunschweig begraben.