Heimatgeschichte Trachten, Silberkännchen und viele Fotos
Die Heimatstuben der Region zeigen, wie unsere Vorfahren gelebt haben– die Harzer Volksstimme lädt zum Ausflug in ihre Welt ein.
Elend
Die Harzer Idylle hat Rosie durchaus bezaubert. „Gestern sind wir zum Brocken gegangen und hatten schönes Wetter“, schreibt die Touristin auf Englisch an eine Miss Damson. Auf der Postkarte von 1899 prangen Bilder vom Bahnhof, der Königlichen Oberförsterei und grasenden Hirschen. Etwas fehle dem Ort aber, vermerkt Rosie: „Elend ist ein sehr kleines Dorf ohne irgendwelche Läden.“ Britta Kovacs lächelt, wenn sie die Zeilen auf der historischen Karte liest, die im Aufgang zur Heimatstube gezeigt wird: „Daran hat sich nicht viel geändert“, sagt die Wahl-Elenderin, die das Ortsmuseum betreut.
Doch es gab auch Zeiten, in denen Elend in puncto Einkaufen ganz vorne lag: Der Oberharzort verfügte über das erste Landwarenhaus im Landkreis Wernigerode – jedoch erst ab November 1956. Der Zeitungsbericht über die Eröffnung hängt neben vielen Bildern und Dokumenten in der Heimatstube, die vor allem eins im Überfluss bietet – Fotos.
Mehr als 1300 Bilder gehören zum Archiv, berichtet Britta Kovacs. Die Fotosammlung war das Steckenpferd von Dieter Zilling, der große Teile der Ausstellung zusammengetragen hat. 2015 begann er, Bilder aus dem Ort zu sammeln – weil er bei seinen Führungen in der Holzkirche von Gästen so oft nach alten Hotels gefragt wurde, in denen sie einst logierten. Bei seinen Nachforschungen fand er zum Beispiel heraus, dass der erste Kolonialwarenladen im Ort erst 1919 eingerichtet wurde – zu spät für die Urlauberin Rosie. In seinen Erinnerungen beschrieb Zilling, wie aus seiner Spurensuche die Idee für eine Bilderchronik entstand, die in drei Ausstellungen gipfelte. 2017 und 2018 wurden sie auf der Kirchwiese und im Waldbad gezeigt, eine befasst sich mit dem Jubiläum „85 Jahre Waldbad“.
Monatelange Vorbereitung
Die großformatigen Bildertafeln, die Zilling und seine Helfer zusammengestellt hatten, bilden den Grundstock der Ausstellung der Heimatstube, die im Obergeschoss der früheren Gemeindeverwaltung eingerichtet wurde. Mehrere Monate haben Zilling, seine Frau Birgit und andere Helfer wie Britta Kovacs viel Zeit und Mühe investiert. „Aber es wäre zu schade gewesen, sie nicht mehr zu zeigen“, sagt sie.
Seit dem Tod von Dieter Zilling Anfang 2020 betreut sie die Heimatstube. Der Andrang der Einwohner, der anfangs groß war, habe ein wenig nachgelassen, sagt Britta Kovacs. Bei alten Fotos sei es oft schwer nachzuvollziehen, wer zu sehen sei. Aber mancher erkenne die Familienmitglieder. „Das Schönste ist, wenn die Elender kommen und sagen: Oh, schau mal, das ist ja Opa!“
Aber auch Urlauber interessieren sich für die Geschichte des Ortes, die geprägt war durch die Lage nahe der deutsch-deutschen Grenze. „Die Hälfte der Leute hat bei der Kompanie gearbeitet“, sagt Britta Kovacs, die 1987 von Oschersleben nach Elend gezogen ist. Die andere Hälfte war in den Ferienheimen beschäftigt, denn der Ort im Sperrgebiet zog zahlreiche Urlauber an.
Silberkanne mit Stempel
Auch daran erinnern die Exponate: Das Silber auf dem gedeckten Tisch in der guten Stube etwa stammt aus den Hotels und Ferienheimen im Ort, erklärt Britta Kovacs und zeigt ein Kännchen mit dem Prägestempel des Hotels Hubertus. „Das war eins der ersten Ferienheime in Elend.“
An der Wand hängen Harzer Trachten – ein Dachbodenfund, berichtet Britta Kovacs. In Kleidern wie diesen zeigten in den 1950er Jahren die Mitglieder der Kulturgruppe ihre Tänze. Alle Ausstellungsstücke haben die Elender gespendet.
„Leben und Arbeiten im Harz“ ist das große Thema der Fotoausstellungen. Hart gearbeitet wurde etwa in der Land- und Forstwirtschaft, in der einst Pferdewagen statt Harvester dominierten. Das Geschirr, das verwendet wurde, wird ebenso ausgestellt wie Ski und Schlitten, mit denen man Lasten transportierte. „Die wurden nicht zum Spaß benutzt“, so Britta Kovacs.
Immer wieder Neues
Es wurde aber auch gern und ausgiebig gefeiert, das zeigen Bilder von Schützen-und Feuerwehrfesten, Karneval und 1. Mai. Das Waldbad hat ebenso seinen Platz wie Schule und Kindergarten, Mandelholz und Wietfeld, der Wintersport und Erbensuppenkönig „Kukki“. All dies erzählt sie den Besuchern, die derzeit rar sind. Wegen der Corona-Pandemie öffnet sie nicht mehr monatlich. Wer Fragen hat, kann sich aber melden. Zu tun hat sie immer. „Es kommt stets Neues dazu“, sagt die 53-Jährige – gerade erst wieder ein Packen Fotos für das Archiv.