Bauen und Verkehr Umgehungsstraße? Wie der Magdeburger Osten entlastet werden soll
Eine Entlastung für Ostelbien soll kommen. Wann und in welcher Form, das ist noch unklar. Mit seinem mehrheitlichen Beschluss hat der Magdeburger Stadtrat nun aber die erste Hürde genommen.

Magdeburg - Kann eine Straße eine wirkliche Entlastung bringen oder verschiebt sie das Problem nur in eine andere Richtung? Die Meinungen im Stadtrat gehen weit auseinander. Auch wenn Einigkeit darüber herrscht, dass die Menschen in den Stadtteilen östlich der Elbe endlich von lautem Verkehr, vor allem durch Laster, befreit werden sollen, so ist der Bau einer neuen Trasse doch umstritten. Kommen soll sie trotzdem. Pläne dafür wurden nun angeschoben.
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Einen Kompromiss zu finden ist nicht so leicht. Werden die einen entlastet, bedeutet das für andere eine Belastung. „Wir brauchen eine Streckenführung, die möglichst nah an den Wohngebieten liegt. Aber nicht so, dass sich viele gestört fühlen“, sagt Jens Rösler (SPD). Ein Balanceakt, hat sich in den zurückliegenden Wochen doch Protest gegen mögliche Streckenführungen geregt. Aus den Vorschlägen der SPD, die eine Entlastungs- und Erschließungsstraße präferiert und der CDU, die eine reine Entlastungsstraße bevorzugt, ist im Ausschuss für Stadtentwicklung, Bauen und Verkehr (StBV) ein Kompromiss entstanden. „Und das wird auch nicht die Variante sein, die man irgendwann bauen wird“, blickt Mirko Stage (Grüne/future!) voraus. Die StBV-Variante sieht vor, einerseits Cracau und Prester von Durchgangsverkehren zu entlasten, gleichzeitig die Arenen, die Pfeifferschen Stiftungen und die östlichen Wohngebiete besser als bisher zu erschließen.
Angst vor Enteignungenund Häuserabrissen
Der StBV-Vorsitzende möchte Einwohnern in den Wohngebieten Sorgen nehmen. Befürchtungen von Häuserabrissen und Enteignungen seien laut geworden. „Diese Angst wurde ganz bewusst geschürt.“ Die Kommunalpolitiker hätten sich lediglich die Varianten, die schon einmal von der Stadt geprüft wurden, angeschaut. Nun sei es an der Verwaltung, eine gangbare Lösung zu prüfen. „Wir haben für ein riesiges Gebiet zwischen Alt Prester und B1 kein ÖPNV-Angebot, weil es die Straßenstruktur nicht hergibt“, gab Stage den Kritikern mit auf den Weg. Auf der Entlastungsstraße könnte der Bus rollen.
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Die Linke und auch die Grünen wollen keine Entlastungsstraße. „Wer Straßen baut, wird Verkehr ernten“, gab Madeleine Linke (Gründe/future!) zu bedenken. Das sei wissenschaftlich erwiesen, sagte auch ihre Fraktionskollegin Mathilde Lemesle. Eine Entlastungsstraße würde frühestens in 20 Jahren fertig sein und vermutlich 100 Millionen Euro kosten, prognostizierte sie. „Die Menschen brauchen aber jetzt Entlastung.“ Doch alle Anträge, die sie und ihre Fraktion in der Vergangenheit eingebracht hätten, die kurz- und mittelfristig hätten helfen sollen, seien abgeschmettert worden.
René Hempel (Die Linke) rief eine Machbarkeitsstudie in Erinnerung, die schon seit Jahren in der Schublade liegt. In der heiße es, eine neue Straße würde keine Entlastung bringen. Er warf den Befürwortern vor, Wahlkampf zu betreiben. „Die Gleichen, die das Tunneldesaster angerichtet haben, wollen das Verkehrsdesaster so weiterfahren“, wetterte Hempel.
Neue Konzepte für rasante Entwicklung gefordert
Doch sind alte Studien noch aktuell? Definitiv nicht, sagt Reinhard Stern (CDU) mit Blick auf die Weiterentwicklung im Süden und Osten der Stadt. Wo Tausende neue Wohnungen und Arbeitsplätze entstehen, bedarf es neuer Verkehrskonzepte. Der Christdemokrat sprach von „gewaltigen Entwicklungen“. Und: Das Land komme nun auch aus der Defensive, prüfe eine Umgehungsstraße für Magdeburg. Alte Konzepte gehörten ad acta gelegt, neue auf den Weg gebracht. Hand in Hand zwischen Stadt und Land.
Auch Thomas Wiebe (SPD) brachte die dritte Elbquerung ins Spiel. Gleichwohl diese auch innerhalb seiner Partei umstritten sei, so sollte sie doch in sämtliche Planungen einbezogen werden. „Die Verhältnisse im Süden der Stadt werden sich deutlich ändern. Deswegen können wir nicht so tun, als ob die Analysen von vor zehn Jahren eins zu eins auf heute übertragen werden können.“
Auch in den ostelbischen Gebieten sei noch kein Ende der Entwicklung in Sicht, hier werde weiter gebaut werden, ist Hagen Kohl (AfD) überzeugt. Seine ohnehin autofahrerfreundliche Fraktion positionierte sich ganz klar für eine Entlastungsstraße, die in Zukunft durchaus den Charakter einer Erschließungsstraße bekommen dürfte.
Für Manuel Rupsch (CDU), der zusammen mit Rösler und Stage an dem Kompromiss gearbeitet hat, steht zudem der Rettungsdienst im Fokus. Der habe immer Schwierigkeiten, durchzukommen, weil es auf der Genthiner Straße stockt. Mit Blick Richtung Trassen-Gegner, die sich wünschen, die Menschen sollen auf den ÖPNV umsteigen, fragte er: „Wo sollen die Menschen einsteigen, wenn keine Busstrecke vorhanden ist?
Die große Diskussion rund um den Hammelberg ist auch Rupsch nicht verborgen geblieben. Dort solle die Route nicht langführen, betonte er.
„Mit diesem Entwurf entlastet man nichts. Man schiebt das eine zum anderen“, hält Marcel Guderjahn (Gartenpartei/Tierschutzallianz) sämtliche Ideen für „völligen Quatsch“. Sein Fraktionskollege Roland Zander forderte dazu auf, zunächst intensiv die dritte Elbquerung zu betrachten. Alles andere wäre rausgeschmissenes Geld. Den Cracauern gehe es vielmehr um die vielen Lkw, die dort ständig durchfahren und Gläser wackeln lassen. Dort würde ein Lkw-Durchfahrverbot Sinn ergeben. Zander sieht eine Entlastungsstraße spätestens für unwichtig, wenn der 1. FC Magdeburg in die Bundesliga aufsteige und ein neues Stadion gebaut werde. Irgendwo anders, wo es besser erreichbar wäre. Aussagen, die für Gelächter und Kopfschütteln sorgten.
Kostenschätzung: Fast 50 Millionen Euro
Fakten hatte der zuständige Beigeordnete Jörg Rehbaum dabei. Wenngleich es sich bei den Kosten um gerundete Schätzungen handle, basierend auf Planungen aus dem Jahr 2020. Bei einer Steigerungsquote von 15 Prozent würde die Straße rund 49 Millionen Euro kosten. Ohne die Brücke. Hierfür könne er keine seriösen Zahlen nennen. Zumal er ohnehin Probleme hätte, überhaupt einen Planer zu finden. Was auch dazu führt, dass Rehbaum keinen zeitlichen Rahmen nennen kann.
Dennoch: Mit deutlicher Mehrheit hat der Stadtrat nach langer Debatte die Verwaltung beauftragt, eine Entwurfsplanung für eine Entlastungs- und Erschließungsstraße in Ostelbien erstellen zu lassen.