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WEC Turmbau Nächste Enercon-Tochter macht dicht

Die WEC Turmbau in Magdeburg stellt den Geschäftsbetrieb ein. 143 weitere Männer und Frauen müssen nun gehen.

Von Martin Rieß 21.04.2020, 01:01

Magdeburg l Zu einer modernen Windkraftanlage gehört auch ein stabiler Turm, auf dem Technik und Rotorblätter sitzen. Segmente für solche Türme des im ostfriesländischen Aurich beheimateten Windkraftanlagen-Herstellers Enercon wurden bislang in Magdeburg von der WEC Turmbau für Enercon produziert. Doch bereits im Herbst 2018 wurden hier massiv Arbeitsplätze abgebaut: 132 Menschen mussten damals gehen. Und jetzt das: Auf einer Betriebsversammlung wurde den Mitarbeitern bekanntgegeben, dass das Unternehmen den Betrieb komplett einstellt – 143 weitere Menschen verlieren jetzt ihre Arbeitsplätze.

Volker Burkandt, Geschäftsführer der WEC Turmbau saagte der Volksstimme: „Gründe für diese Entscheidung sind eine rückläufige Nachfrage infolge des Markteinbruchs in Deutschland und eines Technologiewechsels bei Türmen für Windenergieanlagen sowie ein zunehmender Kostendruck.“ Die verbleibenden Produktionsaufträge sind daher an einen nach Ansicht des Auftraggebers günstigeren Produktionspartner vergeben worden. Demnach besiegelten Logistiknachteile und eine zu große Distanz zu wichtigen Exportmärkten das Aus für die WEC Turmbau Magdeburg.

Felix Rewald ist Pressesprecher bei Enercon und bestätigt, dass zwei Werke in Deutschland nicht mehr benötigt würden und erläutert den Grund, warum die Produktion in Emden konzentriert wird: „Neben Kostenvorteilen spricht für dieses Werk die logistisch günstige Lage mit direktem See- und Binnenhafen-Anschluss in unmittelbarer Nähe zu den Niederlanden und zur übrigen Benelux-Region, wo Enercon in den nächsten Monaten einen Großteil seiner zu liefernden Betontürme aufbaut. Enercon kann dadurch die beim Betonturm erheblichen Logistikkosten senken.“

Der Termin für das Ende von WEC Turmbau ist für Ende Juni angesetzt. Bis dahin sollen die letzten Aufträge von Enercon abgearbeitet werden.

Und andere Aufträge stehen nicht zur Diskussion. „Die Beendigung der Zusammenarbeit entzieht uns als exklusivem Produktionspartner die Geschäftsgrundlage. Wir haben die Option Drittgeschäft intensiv geprüft“, sagt Volker Burkandt. Mit einem Drittgeschäft ist die Produktion anderer Betonelemente wie Brückenteile oder Häuser für andere Auftragnehmer gemeint. „Der Eintritt in für uns völlig neue Marktsegmente und der Aufbau von Fertigungsexpertise wären jedoch mit unverhältnismäßig hohen Investitionen verbunden - gerade vor dem Hintergrund der prekären Auftragslage sind derartige Investitionen ausgeschlossen“, begründet der Geschäftsführer der WEC Turmbau, warum diese Option aus Gründen der Wirtschaftlichkeit verworfen wurde.

Axel Weber ist Geschäftsführer der IG Metall Magdeburg-Schönebeck. Er zweifelt an einem ernsthaften Bemühen des Unternehmens, nach Alternativen gesucht zu haben: „Die Suche nach einem Drittgeschäft war bereits beim Stellenabbau 2018 die Forderung von Betriebsrat und IG Metall an die Geschäftsführung. Trotz permanenter Nachfrage des Betriebsrates ist nie etwas passiert. Stattdessen hieß es immer, dass angesichts der Auslastung durch Enercon gar keine Zeit für entsprechende Aktivitäten sei."

Auffällig sei zudem, dass Konzerne bei ihrem Stellenabbau gerade die Standorte im Osten Deutschlands im Blick haben. „Vielleicht liegt das ja auch daran, dass sich die Kollegen im Westen eher massiv zur Wehr setzen, als wir in Sachsen-Anhalt dies tun.“

Im konkreten Fall der Turmbau Magdeburg müsse es jetzt darum gehen, den Arbeitsplatzverlust bestmöglich abzufedern. Das bedeutet, dass es nach den Verhandlungen mit der Unternehmensführung einen vorteilhaften Sozialplan mit der Einrichtung einer Transfergesellschaft geben muss. Die Transfergesellschaft müsse dafür sorgen, dass den bislang in dem Unternehmen im Gewerbegebiet Nord beschäftigten Menschen Angebote zur Um- und Weiterqualifikation unterbreitet werden. Ziel muss es sein für die Beschäftigten im Raum Magdeburg mindestens gleichwertige Arbeitsplätze zu finden, so Axel Weber.

Den Verlust weiterer Arbeitsplätze in der Branche der Windkraftanlagenhersteller bedauert auch die Magdeburger Stadtverwaltung. Der Wirtschaftsbeigeordnete Rainer Nitsche sagte der Volksstimme: „Schon als im Herbst des vergangenen Jahres für andere Unternehmen, die für Enercon produzieren, massive Stellenkürzungen angekündigt worden waren, stand die Befürchtung im Raum, dass es nicht dabei bleiben wird.“ Allerdings hofft der Wirtschaftsbeigeordnete, dass der Verlust der 143 weiteren Arbeitsplätze für den Magdeburger Arbeitsmarkt zu verkraften sein wird. Er sagt: „Gerade in der Logistikbranche wird derzeit in Magdeburg massiv investiert. Auch diese Unternehmen benötigen Arbeitskräfte.“ Im Zuge von Umschulungen sollte es möglich sein, die Mitarbeiter von Turmbau Magdeburg für die entsprechenden Aufgaben zu qualifizieren.

Immer wieder war auch angesichts der Förderung in den vergangenen Jahren gegenüber Enercon Unverständnis mit Blick auf den Abbau von Arbeitsplätzen geäußert worden. Doch dass die Krise bei Enercon wesentlich mit dem Ende des Ausbaus der Windkraft in Deutschland zu tun hat, zeigen auch die Zahlen: Die Ausbaukrise bei der Windkraft an Land verschärft sich. Lediglich 325 neue Anlagen mit 1078 Megawatt (MW) kamen im vergangenen Jahr hinzu. Gegenüber 2018 ein Einbruch von 55 Prozent, im Vergleich zu 2017 gingen gar 80 Prozent weniger Anlagen ans Netz. Der niedrigste Stand seit Einführung des Erneuerbare-Energien-Gesetzes (EEG) im Jahr 2000.

Insbesondere im Bereich der Fertigung von Rotorblättern hatte Enercon in seinen als Auftragnehmer betitelten Tochterfirmen bereits massiv Stellen abgebaut. Nach der Komplettschließung eines Werks im Süden Magdeburgs Ende 2017 folgten gerade in diesem Bereich fast 1500 Arbeitsplätze Ende des vergangenen Jahres.