Stadtmanager und Pro M-Geschäftsführer Georg Bandarau über Höhen und Tiefen zum zehnjährigen Vereinsbestehen "Wir müssen die Magdeburger immer wieder aufs Neue überzeugen"
Der Stadtmarketingverein Pro M feiert sein 10-jähriges Bestehen. Seit fünf Jahren führt Georg Bandarau die Geschäfte. Rainer Schweingel sprach mit dem 49-jährigen Stadtmanager.
Volksstimme: Warum ist Stadtmarketing nötig?
Georg Bandarau: Jede deutsche Großstadt setzt auf Stadtmarketing. Es soll einfach helfen, die Stärken und Vorzüge einer Stadt sichtbar, fühlbar, erlebbar zu machen und sie auch wahrzunehmen. Oft gehen die positiven Dinge einer Stadt im Alltag unter. So war es auch in Magdeburg.
Volksstimme: Und das hat sich in Magdeburg durch das Stadtmarketing geändert?
Georg Bandarau: Ja, und das ist auch messbar. Vor zehn Jahren haben in einer Umfrage nur 35 Prozent der Magdeburger angegeben, gern hier zu leben. 2011 waren es schon 85 Prozent. Das zeigt eine deutliche Entwicklung ...
Volksstimme: ... die dem Stadtmarketing zu verdanken ist?
Georg Bandarau: Nicht nur, aber auch. Wir verstehen uns als Mittler, als Mediator, als Katalysator für all das, was in dieser Stadt passiert, und wollen die guten Ideen durch Zusammenarbeit und strukturiertes, abgestimmtes Arbeiten zu noch besserem Erfolg für Magdeburg führen. Manches machen wir selbst, oft sind wir im Hintergrund und noch viel öfter führen wir Partner zu einem Projekt zusammen. Kurzum: Die Ergebnisse in dieser Umfrage sind allen in dieser Stadt zu verdanken, die daran mitarbeiten: Politik, Wirtschaft, Vereinen, Verbänden, Sponsoren und natürlich jedem Magdeburger, der sich konstruktiv-kritisch und grundsätzlich positiv mit Magdeburg auseinandersetzt.
Volksstimme: Woran machen Sie die bessere Stimmung aus?
Georg Bandarau: Man muss nur in die Gesichter der Magdeburger schauen. Natürlich gibt es noch viele Probleme, aber es ist zunehmend spürbar, dass sich die Magdeburger hier wohlfühlen - das sieht man eben auch an den Gesichtern - im tatsächlichen, aber auch symbolischen Sinn.
Volksstimme: Machen Sie sich da nicht was vor? Eine Stadt muss doch in erster Linie mit Arbeitsplätzen und Infrastruktur statt mit aufgesetzten Kampagnen und Plakatmotiven für sich werben.
Georg Bandarau: Da widerspreche ich nicht. Aber genau das ist ja das Problem: Manchmal sieht man den Wald vor Bäumen nicht. In Magdeburg hat sich viel getan, auch in den genannten Bereichen. Die Arbeitslosigkeit ist immer noch zu hoch, aber sie hat sich halbiert. Von 22 Prozent 2005 auf 11 Prozent 2012, wenige Städte haben das geschafft. Die Infrastruktur geht auch noch besser, aber sie ist zweifelsohne gut: Kitas, Schulen, Universitäten, Nahverkehr, Wohnen, Arbeiten, Freizeit, Erholung, das alles vergleichsweise preiswert. Das kann sich sehen lassen. Unsere Aufgabe ist nicht schönzureden, sondern auf das, was tatsächlich da ist, aufmerksam zu machen. Ich erlebe es sehr oft, dass Leute von außen kommen und sie sagen, was wollt ihr eigentlich, Magdeburg ist doch eine schöne Stadt?
Volksstimme: Zum Beispiel, dass alle in der Stadt an einem Strang ziehen.
Georg Bandarau: Ich glaube, auch da sind wir ein großes Stück weiter. Natürlich gibt es nicht die vollständige Harmonie. Wenn aber im Stadtmarketingverein rund 260 Firmen, Vereine, Verbände usw. mit zunehmender Tendenz und nicht nur aus Magdeburg mitmachen, dann ist das doch ein deutliches Zeichen: Wir wollen für Magdeburg etwas tun. Magdeburg hat sich komplett verändert, es ist eine neue Stadt im Vergleich zu den 1980er Jahren mit viel Grau.
Volksstimme: Trotzdem zieht es vor allem junge, gut ausgebildete Magdeburger in den Westen. Die Abstimmung mit den Füßen geht weiter.
Georg Bandarau: Ja, aber nicht mehr so stark. Natürlich ist es so, dass in vielen westlichen Bundesländern bessere Löhne gezahlt werden. Aber die Lebenshaltungskosten sind eben auch teurer. Miete, Kita, Schulen, Nahverkehr, Theater und vieles mehr sind hier deutlich preiswerter, so dass sich unterm Strich schon gar nicht mehr ein so großer Unterschied ergibt. Es gibt ja zunehmend Ex-Magdeburger, die gern zurückkommen oder sich mit dem Gedanken tragen.
Volksstimme: Wenn, wie Sie sagen, alles so prima ist, müsste sich dann der Stadtmarketingverein nicht konsequenterweise auflösen? Sein Vereinszweck ist ja erreicht ...
Georg Bandarau: Nein. Wir stehen im ständigen Wettbewerb mit anderen Städten, deshalb muss auch das Stadtmarketing sich weiter entwickeln und Magdeburger und solche, die es werden wollen, immer wieder aufs Neue überzeugen. Stadtmarketing ist eine wichtige und unendliche Aufgabe. Leider haben das in Sachsen-Anhalt mit Ausnahme von Magdeburg und Halle noch nicht viele Städte verstanden.
Volksstimme: Fürs Stadtmarketing haben wir doch eine Stadtverwaltung, sogar extra Gesellschaften wie die Magdeburg Marketing und Kongress GmbH. Warum können Sie\'s besser?
Georg Bandarau: Die Aufgaben sind klar definiert. Die Stadtverwaltung kümmert sich um Standortmarketing, um Wirtschaftsförderung. Die MMKT hat einen anderen Auftrag: Magdeburg touristisch nach außen zu vermarkten. Unsere Aufgabe ist eben hier in Magdeburg und nur für die Magdeburger zu kämpfen.
Volksstimme: Apropos Kampf: Welchen Einfluss hat der Stadtmarketingverein in der Stadt, insbesondere in der Auseinandersetzung mit der Verwaltung. Sehen Sie sich auf Augenhöhe oder eher als Fußnote?
Volksstimme: Ganz klar auf Augenhöhe. Aber um nicht missverstanden zu werden: Wir kämpfen ja nicht gegen die Verwaltung oder die Verwaltung gegen uns, sondern wir haben dasselbe Ziel ...
Volksstimme: .. das man auf verschiedenen Wegen erreichen kann. Haben Sie ein Veto-Recht?
Georg Bandarau: Nein, brauchen wir auch nicht ...
Volksstimme: .. aber vor der "Otto"-Kampagne wär\' doch ein Veto sinnvoll gewesen ...
Georg Bandarau: ... nein, auch da brauchten wir das nicht. In strategischen Fragen haben wir uns stets ausgetauscht und immer eine Lösung gefunden. Mit 260 Mitgliedern im Rücken sind wir aber schon ein starker Partner, was man auch selbstbewusst sagen kann. Und was "Otto" angeht: Wir finden die Kampagne notwendig und wichtig, auch wenn nicht alles so gelaufen ist, wie wir uns das gewünscht hätten, insbesondere in der Startphase bei der Mitnahme und Kommunikation mit wichtigen Akteuren hier vor Ort.
Volksstimme: Die "Otto"-Kampagne ist also kein rausgeworfenes Geld?
Georg Bandarau: Nein. Nicht alle, aber ich würde sagen die Mehrheit der Magdeburger, identifiziert sich mit der "Ottostadt". So langsam tritt der gewünschte selbsttragende Effekt ein, dass die Magdeburger von ihrer Ottostadt sprechen und das auch stolz nach außen tragen.
Volksstimme: Stichwort Stolz: Was würden Sie in den zehn Jahren Vereinsarbeit als gelungen bezeichnen?
Georg Bandarau: Vor allem die Kampagnen, mit denen wir Magdeburger in den Mittelpunkt gerückt haben. Gleich bei der ersten unter dem Motto "Magdeburg sind wir" war Aufbruchstimmung zu spüren. Daneben gab es natürlich viele Aktionen, Public Viewing zu EM und WM beispielsweise, die Domfestspiele, Elbe in Licht und Flammen, die Begleitung der Internationalen Bauausstellung, die Begleitung des Weihnachtsmarktes und viele kleine Dinge wie die Editha-Taler. Außerdem freuen wir uns über steigende Mitgliedszahlen - einen besseren Beweis für gute Arbeit gibt es nicht.
Volksstimme: Was haben Sie sich für die Zukunft die Fahnen geschrieben?
Georg Bandarau: Wir wollen mithelfen, auf die demografische Entwicklung zu reagieren, also die Stadt seniorengerechter zu machen und junge Leute zu halten und zu holen ...
Volksstimme: ... zum Beispiel mit einer aggressiven Werbekampagne im Magdeburger Umland. Nehmen Sie den Dörfern jetzt die letzten Einwohner weg?
Georg Bandarau: Nein, es ist auch keine aggressive Werbekampagne, sondern wir unterstreichen im Umland die Vorzüge einer Stadt: Kita, Schulen, Ärzte, Straßenbahn, Naherholung, Einkaufen ... entscheiden müssen die Leute doch selber. Wir wollen niemanden zwangsumsiedeln, sondern die, die sich mit Wegzugsgedanken tragen, ein Argument mehr für Magdeburg geben, statt sie in den Westen ziehen zu lassen. Das wiederum hilft auch der Region.
Volksstimme: Sie müssen ja Kraft Ihres Amtes für Magdeburg werben, trotzdem die Frage: Was fehlt Magdeburg noch?
Georg Bandarau: Vielleicht noch etwas mehr Alltagsleben. Leider fehlt uns ja eine richtige Einkaufsmeile unter freiem Himmel. Das Allee-Center ist sehr beliebt, aber ein geschlossener Raum, von dem aus Besucher die Stadt nur schwer entdecken. Ansonsten freue ich mich auf die Umgestaltung des Domplatzes, er hat die Chance, ein Stück dieses Defizites aufzuholen.
Volksstimme: An einer Stelle scheint gerade ein neues Defizit zu entstehen, wo urbanes Leben da ist. Was sagen Sie zur Hasselbachplatz-Debatte?
Georg Bandarau: Ich bin für eine Dialoglösung. Kunst kann auch leise schön sein. Konzerte lassen sich aufs Wochenende legen. So wäre vielleicht ein Kompromiss zwischen berechtigtem Interesse an urbanem Leben und dem berechtigten Interesse an Wohnkultur zu finden. Bei Bedarf stehen wir als Verein gern als Vermittler zur Verfügung.
Volksstimme: Noch was Visionäres zum Abschluss: Was wünschen Sie Magdeburg für die nächsten zehn Jahre?
Georg Bandarau: Dass viele junge Familien in Magdeburg bleiben oder herziehen, Magdeburg Europäische Kulturhauptstadt 2020 wird und der 1. FC Magdeburg in der zweiten Bundesliga spielt.