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Aktiv im Alter Das Leben mit wenig Hilfe selbst gestalten

Die 92-jährige Irmgard Stottmeister lebt im Altenpflegeheim, gestaltet den Alltag sonst aber so gut wie allein.

Von Harald Schulz 19.05.2017, 03:00

Oebisfelde l Mit 92 Jahren hat Irmgard Stottmeister so gut wie alles noch allein im Griff. Sie lebt heute in einem Zimmer in der Veilchengasse, der dritten Etage im Altenpflegeheim Dr.-Kurt-Reuber in Oebisfelde nah der Nicolaikirche. Wenn es sein muss, setzt sich die Seniorin in den Rollstuhl, lässt sich dorthin schieben, wo sie hin möchte.

Das war beispielsweise zum Frühlingskonzert der Oebisfelder Chöre am Sonntag der Fall.Wenn dort eine musikalische Veranstaltung stattfindet, dann ist die gebürtige Breitenroderin stets mit dabei. „Eine feine, eine tolle Veranstaltung“, lobte die Seniorin den Konzertreigen über den besagten Klee. Sie war zu Tränen gerührt, gab sie preis.

„Die Pflegekräfte sind stolz auf die so gut wie selbstständige Heimbewohnerin“, weiß die stellvertretende Heimleiterin Anja Wehr. „Wenn sie ein Vorhaben nicht allein schafft, dann nimmt sie aber auch gern unsere Hilfe in Anspruch.“ Dass es Zeit wurde, sich in die Obhut eines Pflegeheims zu begeben, auch diesen Entschluss fasste die ehemalige Angestellte der Stadt Oebisfelde und der kommunalen Wohnungsverwaltung vor vier Jahren von allein. Sie fühlt sich dort gut aufgehoben, liest täglich die Tageszeitung und weiß, was in der Welt geschieht. „Und das ist oft nichts Gutes“, meint die Seniorin mit Blick auf Kriegsschauplätze, Flüchtlingsströme, Hunger und Not.

Sie selbst hat Krieg am eigenen Leib erfahren. Als Bomben auf Oebisfelde im Zweiten Weltkrieg fielen, saß sie im Rathaus am Arbeitsplatz, erinnert sie sich. Als schlimmste Ereignisse in ihrem langen Leben aber sieht Stottmeister die beiden Zwangsaussiedelungen zu DDR-Zeiten an. „Es war blankes Unrecht, was da gerade den Besitzern von Geschäften und Leuten, die als wohlhabend galten, angetan wurde“, sagt sie mit fester Stimme.

Irmgard Stottmeister hat aber auch eine feste Einteilung für die damaligen Besatzungsmächte: „Die Amerikaner hatten die Füße auf den Tisch, die Engländer verlangten selbst für Mitarbeiter der Stadt entsprechende Dokumente, damit sie uns ins Rathaus zum Arbeiten hineinließen. Und die Russen kamen ärmlich und ausgemergelt nach Oebisfelde, standen jedoch treu für ihre Heimat ,Mutter Russland‘ ein.“

Das ist alles schon lange her, doch Irmgard Stottmeister erinnert sich. Kommen die Erinnerungen einmal nicht zurück, zückt sie ihr bräunliches Büchlein, blättert ein wenig und findet dort die von Hand geschriebene Antwort. Vieles ist darin festgehalten, so beispielsweise auch die 10.640 Mark, die sie für ihren letzten Trabbi mit den Kennzeichen HN-6724 bezahlt hat.

Den Platz auf den Fahrersitz hat sie übrigens erst mit 89 Jahren geräumt. Ihre schönsten Ereignisse waren ihre Hochzeit und die vielen Jahre mit ihrem bereits verstorbenen Ehemann Heinz sowie die Geburt ihres Sohnes Jürgen. Der lebt heute mit Familie in einem Ort bei Wolmirstedt.