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Landkreis BördeAuswege gegen das Vereinsamen

Rita Glaß aus Oebisfelde rät: Das Leben nach einem Schicksalsschlag aktiv gestalten.

Von Harald Schulz 26.11.2020, 00:01

Oebisfelde l „Man kann noch so lebenserfahren sein, wenn der Lebenspartner plötzlich nicht mehr da ist, eine liebgewonnene Berührung, aber auch die kleinen Macken des anderen fehlen, dann macht das schon etwas mit einem“, kommt es fast wie ein Selbstgespräch bei der Oebisfelderin Rita Glaß heraus. Gemeint ist der Tod ihres Ehemannes Reinhard, für den im vergangenen August nach einer langen Leidenszeit die Lebensbahn endete.

Das Paar war 39 Jahre verheiratet, seit einigen Jahren kümmerte und pflegte Rita ihren Reinhard. Zusammen besuchten sie immer donnerstags den Behindertenkreis im Mehrgenerationenhaus der Stadt in der Theodor-Müller-Straße und nahmen an den Aktivitäten teil.

Nun wird es die erste Adventszeit und das erste Weihnachtsfest sein, das die 75-jährige Witwe allein erleben muss. „Wenn da nicht meine Kinder und Enkelkinder wären, dann, ja dann...“, bricht Rita Glaß den Satz ab, um fast im gleichen Atemzug mit einem neuen Satz fortzufahren: „Man muss positiv denken. Die Kinder und Enkelkinder sind da. Und wir werden Weihnachten zusammen sein.“

Gefragt, was sie den Menschen rät, die allein und ohne Verwandte diese dunkle Jahreszeit, Advent und Weihnachten verleben müssen, rät Rita Glaß zu einer fordernden Beschäftigung. Sie beispielsweise stickt und bastelt in beeindruckender Art und Weise, was in den Zimmern überall zu erkennen ist. Weiterhin elementar wichtig für sie ist der Zusammenhalt des Behindertenkreises. Dort findet sie Gesprächspartner, kann eine unbeschwerte Zeit verbringen und sich auch einmal den Alltagsfrust mit anderen teilen. „Sicherlich sind Handarbeiten Beschäftigungen für Frauen, doch Männer sollten sich nicht scheuen, sich auszuprobieren. Sich zu beschäftigen, ist allemal besser, als in Trübsal zu versinken.“

Und als sogenannten Plan B rät Rita Glaß: „Raus aus der Wohnung, so oft es geht. Nachbarn und Freunde treffen. Frische Luft hilft immer.“ Sie weiß, wovon sie spricht. Nach ihrer Schulzeit lernte sie in der Landwirtschaft. Dem Vater war das geschuldet. Tochter Rita wollte damals in die Lehre bei der Gardelegener Porzellanmanufaktur gehen, wie sie erzählt. Die Empfehlung von der Schule hatte sie, doch der Vater durchkreuzte dieses Interesse. Jetzt, viele Jahre später, betreibt sie in ihrem Kleingarten im Oebisfelder Stürholzgarten wieder Landwirtschaft. „Na ja, alles für den Hausgebrauch. Dorthin konnten wir uns auch schnell einmal verziehen, wenn die Sonne lachte und frische Luft nötig war“, schlägt Rita Glaß die Brücke zur einstigen Zweisamkeit.

Als Lebenselixier für sich einsam und verlassen fühlende Menschen empfiehlt die Oebisfelderin positive Gedanken und das Zugehen auf Menschen. „Ob die Chemie für eine Unterhaltung stimmt, das ist schnell ausgemacht. Sicherlich kostet das ein Stück weit Überwindung, doch die kostet ja bekanntlich nichts“, sprudelt es aus ihr heraus.

Dass das Lachen wieder zurückgekehrt ist, das verdankt sie in erster Linie ihren vier Kindern. Von ihnen erfuhr sie viel Zuwendung in ihrer schwersten Zeit. Und auch über Weihnachten und Neujahr hinaus kann Rita Glaß jederzeit auf Unterstützung bauen. Sie weiß aber auch um die Einsamkeit einiger Menschen, die eben keine oder kaum Nähe von ihren nächsten Verwandten bekommen. Da kommt es dann auf die Nachbarn, auf das Pflegedienstpersonal oder Sozialdienste an, um diese Isolation zu beenden.

Das ist auch der eigentliche Grund, weshalb sie die Belange des Behindertenkreises im Jahr 2014 nach schweren Zeiten dieser Gemeinschaft in die Hände genommen hat. Rita Glaß war wie ihr verstorbener Ehemann Reinhard von Beginn an dabei. In den ersten Jahren wuchs die Gemeinschaft bis auf fast 30 Mitglieder heran. Die Gesichter dieser Gemeinschaft waren Herwig und Beate Labahn und Sigrid Tschuschke aus Oebisfelde sowie Siegfried Schuster und Horst Comor aus Wolfsburg.

Rita Glaß würde es freuen, wenn nach der Corona-Zwangspause Menschen mit Behinderung donnerstags um 14 Uhr den Weg in das Oebisfelder Mehrgenerationenhaus zum wöchentlichen Treffen finden würden. Sie ist telefonisch unter 039002/432 72 zu erreichen.