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Erinnerungen an Heinz Nowak, der über 35 Jahre das Börde-Museum in Ummendorf leitete und formte. Von Hartmut Beyer Börde-Museum: Erbe eines rastlosen Forschers

17.08.2012, 03:11

Er kannte die Börde, ihre Menschen und Natur wie kaum ein anderer: Heinz Nowak. 36 Jahre leitete der Heimatforscher aus Altenweddingen das Börde-Museums in Ummendorf und setzte sich für die Sanierung der Burg und ihrer Anlagen ein. Am 31. Mai verstarb Heinz Nowak mit 86 Jahren.

Ummendorf l Ein Leben lang war sein Denken und Tun auf die Erforschung und das Erlebbarmachen der Heimatgeschichte ausgerichtet. Ob Mensch, Natur, Wirtschaft oder Kultur, alles das, was die Historie der Börde ausmacht, war für Heinz Nowak von größtem Interesse. Jetzt ist er selbst Teil dieser Heimatgeschichte, denn er verstarb am 31. Mai 86jährig in Klein Wanzleben. Fast 60 Jahre nach der Wiedereröffnung des Ummendorfer Museums, an der damals viele Ummendorfer mitwirkten und dessen Leitung er übertragen bekam. Jeder, der sich interessierend für die Vergangenheit des Bördelandes suchend auf den Weg macht, wird immer auf Spuren stoßen, die er vielfältig hinterließ. Nur einige von ihnen sollen hier verfolgt werden, sein persönliches Magazin ist zu groß.

Heinz Nowak war in mancher Hinsicht ein unbequemer Zeitgenosse. Aber ohne den Eigensinn und seine Zielstrebigkeit hätte der Altenweddinger für seine Bördeheimat und vor allem für die Sanierung und systematische Restaurierung der Burg Ummendorf nicht das vollbringen können woran hier erinnert werden soll.

Heinz Nowak, am 28. Dezember 1925 in Altenweddingen geboren, lernte Werkzeugmacher im Flugzeugbau, widmete sich aber nach der Kriegsgefangenschaft zunächst als Grabungsassistent der Stadtkernforschung Magdeburgs. Er studierte später deutsche Volkskunde und Agrargeschichte an der Humboldt-Universität in Berlin.

Es begann 1954 in Ummendorf

Es begann am 20. April 1954, da wurde ihm die hauptamtliche Leitung des Museums vom Kreis übertragen. Bis die Familie 1968 in einem Flügel der Burg Wohnraum erhielt, übernachtete er häufig in seinem Büro, fuhr im Winter mit der Bahn und im Sommer mit einem Motorrad (125er MZ RT) nur jeden zweiten Tag in seinen Wohnort Altenweddingen.

In der neuen Aufgabe als Leiter des Museums hatte er das Ziel, die Volkskunde der Magdeburger Börde darzustellen, wissenschaftlich auf diesem Gebiet zu arbeiten. Das nahm bald konkrete Formen an. In einem Interview mit der Volksstimme sagte er damals dazu: "In der Akademie der Wissenschaften in Berlin wurde eine Börde-Forschungsgruppe gebildet. Gemeinsam erarbeiteten wir eine Konzeption zur systematischen und wissenschaftlichen Erschließung unseres Gebietes."

45 Mitarbeiter gingen in typische Bördedörfer und befragten Einwohner unter anderem nach Vorfahren, Essen, Sitten und Gebräuche. Die Erkenntnisse daraus wurden in vier Ergebnisbänden zusammengefasst. Ein Grundstock, auf dem Heinz Nowak in seiner weiteren wissenschaftlichen Arbeit aufbauen konnte während der bauliche Zustand der Gebäude und des Turms aus dem 12. Jahrhundert mehr den Praktiker in ihm forderte. Heinz Nowak, der studierte Völkerkundler (Ethnograph), führte das Museum im Sinne des Tierarztes Dr. Albert Hansen, 1924 Mitbegründer und erster Leiter des Museums mit der Bezeichnung "Ostfälisches Volkskunde-Museum", zunächst weiter.

Er erarbeitete später eine Bestandsübersicht zum Archiv und einer Dokumentationskartei des Börde-Museums von 1956 bis 1990. Und er hatte wesentlichen Anteil an der Herausgabe des "Holzland-Ostfälischen Wörterbuchs", das eine von Alber Hansen erarbeitete Sammlung von Material über den Heimatdialekt enthält. Das Wörterbuch wurde vom Sprachwissenschaftler Helmut Schönfeld herausgegeben, Heinz Nowak leistete die entscheidende redaktionelle Zuarbeit. Eine zweite überarbeitete Auflage ist 1994 erschienen und kann im Börde-Museum erworben werden.

Dokumentation Vosswelle

Heinz Nowak befasste sich auch mit zahlreichen Ausgrabungen, verfasste Fundberichte und Nachrichten über Aufsammlungen, Notbergungen und Ausgrabungen. So auch von Klein Wanzleben vom I. Weltkrieg bis 1939. Er schrieb Biografien für das Magdeburger Biographische Lexikon über Personen aus der Börde wie August Bratfisch, Waldemar Uhde, Albert Hansen, August Engelhard von Nathusius und viele mehr.

Er war am Schreibtisch ebenso wie in der Natur oder bei der Aufklärung und Sicherung historischer Spuren immer in Aktion. So ging er mit dem ehrenamtlichen Bodendenkmalpfleger Günter Wagener aus Eilsleben daran, die bei Meliorationsarbeiten auf der Vosswelle erkannten Bodenverfärbungen zu vermessen, woraufhin dort unter der Leitung des Landesmuseums Halle 14 Jahre lang Ausgrabungen eines jungsteinzeitlichen Erdwerkes erfolgten.

Allein bis 1986 wurden auf der Vosswelle 500 Siedlungsgruben, 500 Pfostenverfärbungen und 26 Gräber und zahlreiche Graben- und Palisadensysteme untersucht. Es konnten annähernd 75000 archäologische Funde aus Keramik, Stein, Knochen und Geweih geborgen werden. Seiner Zeit hatten die Grabungsergebnisse große Beachtung in zahlreichen Ländern Europas gefunden.

Heinz Nowak selbst grub aber auch in der Nähe seines Heimatdorfes Altenweddingen zum Beispiel bei Stemmern und anderen Orten im Sülzetal. Einiges der großen eiszeitlichen Siedlung auf dem Bockshorenberg wurde vom Bördekenner über lange Jahre hinweg ausgegraben und nachgewiesen. Ständig trug er sich aber mit dem Gedanken, umfassend an Burg und -anlagen grundlegend Hand anzulegen und das Gesamtbild zu verändern. Witwe Käthe Nowak, Jahrzehnte enge Mitarbeiterin im Museum, erinnert sich: "Probleme gab es damals genug. Es musste im Umfeld erst einmal klar Schiff gemacht werden. Der Park an der Burg war eine Aschenkuhle, der Burghof und die Gebäude vom Verfall gezeichnet. Aber er war sich für keine Arbeit zu schade, war Museumsdirektor und Hausmeister zugleich. Von oben gab es viele Nackenschläge und wenig Unterstützung. Aber er hat sich immer wieder durchgeboxt."

Sanierung der Burg ab 1972

Erst 1972 erreichte Heinz Nowak, dass mit einer wohldurchdachten Generalinstandsetzung begonnen werden konnte, verbunden mit einer Neuordnung der Nutzung des gesamten denkmalgeschützten Objektes. Immer wieder musste er sich um die nicht einfache Beschaffung von Material und finanziellen Mitteln kümmern, vieles erledigten die Museums-Mitarbeiter in sogenannter Eigenleistung selbst. In den folgenden zehn Jahren wurden dafür 830000 DDR-Mark investiert. 22000 Kubikmeter umbauter Raum, fast ein Hektar Hof, Parkanlagen und Gärten wurden eingerichtet oder bekamen ein ansehnliches Gesicht.

Eine Herausforderung war dabei auch die Beräumung des Kellergewölbes, das 1982 förmlich ausgegraben werden musste. Veränderungen, die den Aufstieg für die Besucher in den Burgturm bis ins obere Turmzimmer aus dem Jahre 1576 vereinfachen sollten, wurden vorgenommen.

Besonderer Anziehungspunkt wurde der Kräutergarten, der als weitläufige parkartige Anlage im Außengelände der Burg 1980 angelegt wurde. Dieser Bestandteil des Museums ist bis heute eine besondere Attraktion des Börde-Museums. Der Kräutergarten führt die fast unüberschaubare Vielfalt der Wild- und Kulturpflanzen vor Augen, die im mitteleuropäischen Raum heute und vor allem in früheren Zeiten durch den Menschen für verschiedenste Zwecke Verwendung gefunden haben.

Nach seiner Einrichtung wurden über 400 Pflanzenarten und -sorten exemplarisch auf mehr als 20 Beeten angebaut und mit ihrem deutschen Namen beschriftet. Eine Farbmarkierung auf dem Namensschild zeigte an, ob die Pflanze essbar ist und vornehmlich als Nahrungsmittel verwendet wird (grüner Punkt), ob sie zur Gewinnung eines Rohstoffes dient (brauner Punkt), oder ob sie zur Kategorie der Arznei- und Giftpflanzen gehört (roter Punkt).

Anziehungspunkt Lokomobile

Neben dem Turm aus dem 12. Jahrhundert und dem Kräutergarten ist der Dampfpflugsatz mit den zwei Dampfpfluglokomobilen die dritte Hauptattraktion des Museums. Dass sie heute überhaupt noch existieren, ist ebenfalls dem unnachgiebigen Nowak zu verdanken. Dr. Thomas Ruppel, Nachfolger von Heinz Nowak, erinnert sich an ein Gespräch darüber mit ihm: "Die Dampfpfluglokomobile waren bis Mitte der 60er Jahre noch in Hadmersleben und Schwaneberg im Einsatz. Herr Nowak erzählte mir damals, wie schwierig es war, die 20 Tonnen schweren Kolosse zu retten und am Schrottplan vorbeizubringen. In den 70er Jahren gelang es ihm aber, sie hierher zu holen. Für uns war dieser Dampfpflugsatz - übrigens der einzige, der in Sachsen-Anhalt öffentlich zu sehen ist - sehr hilfreich. Wir konnten ihn für eine Ausstellung 1998 nach Vockerode ausleihen und von der Leihgebühr Baumaßnahmen für das die Landtechnik schützende Überdach finanzieren."

Thomas Ruppel schätzt aus dem Nachlass von Heinz Nowak besonders die mehrere Tausend Bände umfassende "Börde-Bibliothek" mit regionalgeschichtlicher und landeskundlicher Literatur, die er aufgebaut hatte. "Mit der hauptamtlichen Leitung durch Heinz Nowak begann 1954 die professionelle Museumsarbeit", urteilt Ruppel, "die von ihm bearbeiteten Themen und Forschungsgebiete waren sehr vielgestaltig.

Er schuf Materialsammlungen zu allen wesentlichen Themen in der regionalen Forschung, die man sich überhaupt vorstellen kann. So gibt es zum Beispiel Arbeiten über den Wanzleber Pflug, die Bevölkerungsentwicklung oder zum Namen der Börde. Es hat keinen im ehemaligen Kreis Wanzleben und später Bördekreis gegeben, der sich so vielfältig und intensiv damit beschäftigte. Er hat bis zuletzt immer an etwas gearbeitet." "Er hat auch unzählige alte Bauernhöfe und Toreinfahrten fotografiert oder gezeichnet", ergänzte dazu sein Sohn Fred Nowak.

Neuentdeckung des Sandsteins

Eine besondere Vorliebe hatte der vielseitige Museumsleiter für Pilze. Dazu stellte er umfassende Listen zusammen, spürte auch die von eigenartiger Form geprägten Erdsterne auf. Um so etwas oder andere Themen zur Heimatgeschichte den Bördebewohnern näher zu bringen, wurde er nebenbei zum Redakteur des "Bördeboten", eine Heimatschrift, an der viele mitarbeiteten. Nach der Wende hatte er der Verwendung des Titels für die Lokalausgabe der Volksstimme Wanzleben ausdrücklich zugestimmt.

1975 rief Heinz Nowak zusammen mit dem Magdeburger Künstler Eberhard Roßdeutscher das Ummendorfer Bildhauersymposium ins Leben, das daraufhin jährlich in einem Steinbruch in der Nähe des Dorfes bis 1985 stattfand. Zahlreiche Künstler bearbeiteten hier den bekannten Ummendorfer Sandstein, der zum Beispiel auch am Schloss Sanssouci in Potsdam, am Magdeburger Dom, oder am Hamburger Hauptbahnhof verbaut worden war. Zahlreiche interessierte Besucher sahen den Bildhauern über die Schulter.

Die Konzertreihe "Ummendorfer Burgsommer" erlebte unter seiner Regie am 4. Juni 1978 ihre Premiere. Sie ist bis heute ein musikalisches Erlebnis, das hunderte von Besuchern immer wieder anzieht. Die verschiedensten Orchester und kleinere Klangformationen schätzen die Akustik im Burghof und das begeisterungsfähige Publikum.

Im Internet, auf der Seite www.Fotoerbe.de, kann man unter anderem lesen: "Das Ummendorfer Museum wurde zu einer weithin bekannten und geschätzten musealen Anlage, in deren Ausstellungen vielseitige Einblicke in bedeutende Abschnitte der kulturgeschichtlichen Entwicklung der Magdeburger Börde bereitgehalten werden. In den Magazinbeständen, in der umfangreichen Börde-Bibliothek und dem Museumsarchiv wird zudem eine einmalige Sammlung von Relikten, Daten und Informationen zur Geschichte des Magdeburger Landes, unter einem Dach vereinigt, für die Nachwelt erhalten."

Keine Zeit für den Ruhestand

Für seine Verdienste um das Börde-Museum, dessen Direktor er bis 1990 war, und für die Forschungsarbeit in der Region wurde Heinz Nowak 1986 mit dem Titel Museumsrat geehrt.

Er ging nie in den Ruhestand. Seine Witwe erzählt: "Bis zu seinem Tod hat er fast täglich in seinem Arbeitszimmer gesessen und seine Erkenntnisse über die Geschichte der Börde und ihrer Menschen dem Computer anvertraut. "Was genau er dort hinterlässt, kann ich heute noch nicht sagen. Ich kann das Zimmer immer noch nicht betreten. Ich bin aber der Volksstimme dankbar, dass sie an sein Vermächtnis erinnert", sagte Käthe Nowak bei einem Besuch in ihrer Wohnung in Klein Wanzleben.