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Coronavirus Oschersleberinnen am Ende der Welt gestrandet

Zwei Oschersleberinnen brachen in weit entfernte Länder auf. Doch durch die Corona-Krise nahmen ihre Abenteuer eine unerwartete Wendung.

Von Yvonne Heyer 27.03.2020, 01:00

Fidschi/Australien l Antonia Pavel wollte wohl anfangs ihre Mutter nicht beunruhigen, doch inzwischen hat Mutti Karin Ehrhardt in Klein Oschersleben Gewissheit: Ihre Tochter sitzt gemeinsam mit sechs Freunden auf den Fidschi-Inseln fest. Als Antonia im November ihren Work-and-Travel-Aufenthalt in Neuseeland startete, konnte niemand die weltweiten Auswirkungen von Corona vorhersehen.

Zunächst lief alles super. Antonia machte nur positive Erfahrungen, lernte das Land und viele gleich gesinnte Leute kennen, verdiente ihren Lebensunterhalt auf Obstplantagen.

Ein Trip auf die Fidschi-Inseln sollte ein letztes gemeinsames Erlebnis der Freunde sein, bevor die ersten von ihnen im April die Heimreise antreten wollten. Doch nur einen Tag, bevor die jungen Leute nach Neuseeland zurückfliegen wollten, gab es den ersten bestätigten Coronafall auf Fidschi. Damit begann das Elend. Neuseeland reagierte sofort und schloss umgehend seine Grenzen. Einreisen durften von nun an nur noch die eigenen Staatsbürger. So hob der Flieger am 20. März ohne die Jugendlichen ab. Antonia Pavel und ihre Freunde verbrachten eine Nacht auf dem Flughafen in Nadi auf der Hauptinsel der Fidschis, in der Hoffnung, doch irgendwie wegzukommen.

„Noch vor zehn Tagen habe ich leichthin gesagt, dass Antonia dann eben länger in Neuseeland bleibt. Da wusste ich allerdings nicht, wie ernst die Lage für die jungen Leute auf Fidschi ist“, sagt die Klein Oschersleberin Karin Ehrhardt. Wie ernst es ist, erfuhr sie erst aus einem Zeitungsbeitrag der Oldenburger Kreiszeitung. In diesem hatten die Eltern von Elena Budzin, einem Mädchen aus der Gruppe, die Probleme der Jugendlichen geschildert. Zudem stehen alle Eltern über eine Whatsappgruppe in Kontakt.

Elena Budzin informierte ihre Eltern, die die Botschaft in Wellington in Neuseeland einschalteten. Das brachte die jungen Leute nicht weiter, stattdessen kam der Hinweis, sich an das Auswärtige Amt zu wenden. Wie alle anderen in dieser Lage trugen sich die jungen Leute als Ausreisewillige in die Krisenvorsorgeliste ELEFAND ein. Das erwies sich aber per Handy angesichts des schlechten WLANs auf Fidschi als unmöglich. Also hat Karin Ehrhardt, wie andere Eltern auch, es von zu Hause aus versucht. Es hat mehrere Stunden gedauert, bis nachts um 2 Uhr die Daten endlich durch die überlastete Internetverbindung getickert waren.

Die Gestrandeten waren anfangs sich selbst zu überlassen und es war angesichts der Corona-Ausbreitung immer schwerer, eine Unterkunft zu bekommen.

Auf die Schnelle fanden die jungen Leute nur einen Platz in einem 24-Bett-Zimmer in einem Hostel. Die sieben Freunde konnten schließlich ein kleines Appartement beziehen. Dort haben sie nun zumindest ein eigenes Bad und eine provisorische Küche.

Große Hoffnung setzen die Eltern auf die von der Bundesregierung zugesicherte Rückholaktion. Andererseits gäbe es auf Fidschi weitere Einschränkungen. Und die beträfen auch die Taxen, also das einzige Fortbewegungsmittel, das noch genutzt werden könne, um zum Lebensmittelmarkt oder zum Flughafen zu kommen. Immer häufiger falle der Strom aus. Inzwischen stehen die jungen Leute in ständiger Verbindung zur Honorarkonsulin auf Fidschi, Monika Oldenburg. Sie hält sich derzeit in Deutschland auf, tut aber alles, um den gestrandeten Deutschen auf Fidschi beizustehen und sie zu unterstützen.

In ihrer Not wandten sich die Eltern von Elena Budzin, die in Harpstedt/Landkreis Oldenburg, zu Hause sind, an die SPD-Bundestagsabgeordnete Susanne Mittag. „Sie hat sich umgehend gekümmert, und wir haben aus dem Büro von Außenminister Heiko Maas die Zusage bekommen, dass an einer Rückholaktion gearbeitet werde“, so Sabine Budzin.

Einer aus der Gruppe hat es schon nach Hause geschafft. Er hatte am Montag einen letzten Platz in einem Flug über Singapur ergattert und kam gerade noch durch, bevor auch da alles dicht war. Leider waren nicht genug Plätze für alle da. Sie haben sich geschworen: Alle oder keiner. Das Abgeordnetenbüro von Susanne Mittag, das im stetigen Kontakt mit dem Auswärtigen Amt steht, informiert über die neuesten Entwicklungen. Nach der Rückholaktion von 120.000 deutschen Pauschalurlaubern durch das Auswärtige Amt werde nun mit der Rückholung von Individualreisenden begonnen. Dabei stehe die Pazifikregion mit Australien, Neuseeland und den Pazifikinseln ganz oben auf der Liste. Allein in Neuseeland würden sich noch mehr als 10.000 Deutsche befinden. Das Auswärtige Amt habe die Verhandlungen mit den unterschiedlichen Ländern aufgenommen. Wegen der Ansteckungsgefahr drängt die Zeit. Aber die großen Entfernungen in den Ländern machen die Aktion nicht einfach, es müssten Umsteigemöglichkeiten, Drehkreuze geschaffen werden. Diese wiederum müssten aber von den Ländern genehmigt werden. Das macht die Sache nicht einfacher. Eigene Flieger sollten gechartet werden, auch würden die europäischen Länder in dieser Sache zusammen arbeiten.

Die auf den Fidschis fest hängenden Jugendlichen seien aber in jedem Fall registriert. Zunächst hieß es, mit viel Glück könne noch Ende dieser Woche die Rückholaktion beginnen. Nach aktuellen Informationen wird sich diese in die nächste Woche verschieben.

„Wir Eltern sind schon sehr besorgt, aber auch sehr stolz auf unsere Kinder, die diese Situation zusammen meistern. Wir bauen uns in der Whatsapp-Elterngruppe gegenseitig auf und machen uns Mut. Wir bauen auf das Versprechen der Bundesregierung, unsere Kinder wohlbehalten nach Hause zu bringen“, sagt Karin Ehrhardt. (Anmerkung der Redaktion: Dieser Teil des Artikels entstand in Zusammenarbeit mit Jürgen Bohlken von der Kreiszeitung Oldenburg.)

Auch Emely Sopper wartet dringend auf eine Möglichkeit, nach Hause zurückzukehren. Seit Mitte August befindet sich die 19-Jährige in Australien. Zehn Monate Work and Travel sollten es werden. Sie wollte ihre Sprachkenntnisse verbessern, selbstbewusster und verantwortlicher werden. „Dieses Jahr lernt man jedoch auch, wie man mehr oder weniger auf sich allein gestellt zurechtkommt, wenn die Welt aufgrund einer Pandemie ins Chaos stürzt“, schreibt Emely.

Die Lage in Australien verschlechtere sich jeden Tag. „Mit knapp 2500 Corona-Infizierten ist das Land im Vergleich zu Deutschland zwar noch ganz gut dran, aber trotzdem bekommt jeder die Auswirkungen zu spüren“, so die 19-Jährige. Gleich zum Ausbruch der Pandemie hätten die Menschen in Australien damit begonnen, die Supermärkte zu leeren. Es sei wiederholt zu Handgreiflichkeiten und sogar zu einem Messerangriff auf einen Supermarktmitarbeiter gekommen.

„Seit dem 20. März ist nur noch australischen Staatsbürgern die Einreise ins Land erlaubt und diese müssen sich daraufhin zwei Wochen in Quarantäne begeben“, erklärt Emely Sopper. Mit Ausnahme von New South Wales und Victoria seien die Grenzen der Bundesstaaten geschlossen. Derzeit harre sie in Sydney aus. Ähnlich wie in Deutschland sei dort ein Großteil der Geschäfte geschlossen. Das gelte auch für Fitnessstudios, Pubs, Kirchen, Kinos und das berühmte Opernhaus. „Man sieht weitaus weniger Menschen auf den Straßen als noch vor ein paar Monaten. Die australische Regierung hat die Bevölkerung aufgefordert, Abstand zueinander zu halten, um die Verbreitung des Virus zu stoppen. Vier Quadratmeter Freiraum soll jeder haben - im Supermarkt ist das unmöglich“, führt Emely aus.

Wegen der prekären Lage habe sie sich entschieden, früher nach Hause zu kommen. Doch so leicht ist das nicht. Ein erster Versuch in der vergangenen Woche schlug fehl. Nach fast zwei Stunden Telefon-Warteschleife wurde ihr mitgeteilt, dass die entsprechende Airline Deutschland nicht mehr anfliege. „Sonntagabend buchte ich ganz spontan einen Rückflug zum dreifachen Normalpreis. Für heute. Natürlich wurde dieser gestrichen“, schrieb Emely gestern. „Also sitze ich jetzt hier in Australien fest - mehr als 16.000 Kilometer von meiner Familie entfernt. Meine einzige Hoffnung ist die Rückholaktion, durchgeführt vom Auswärtigen Amt.

Trotz dieser Aktion fordere das Auswärtige Amt jeden auf, die Rückreise falls möglich selbst zu organisieren, erklärt die 19-Jährige. Doch es gibt ein Problem: In der Hauptsache gebe es nur noch eine Airline, die Deutschland direkt anfliege. Normalerweise lägen die Preise zwischen 500 und 800 Euro. Mittlerweile seien sie auf 4000 bis 8000 Euro gestiegen. „Das kann sich kein Normalverdiener und ganz bestimmt kein Backpacker leisten“, so Emely Sopper.

Beim Buchen der überteuerten Tickets gebe es außerdem keine Garantie, auch wirklich nach Hause zu kommen. Zum einen würden weiterhin viele Flüge gestrichen. „Außerdem besteht die Gefahr, nach Zwischenstopps nicht mehr vom Flughafen wegzukommen, da immer wieder Flughäfen geschlossen werden wie zuletzt in Dubai und Abu Dhabi. Ebenso haben Singapur, Hongkong und Taiwan ihre Flughäfen dichtgemacht“, berichtet Emely. Abschließend erklärt die 19-Jährige: „Ich hoffe, dass innerhalb der nächsten Tage auch mit einer Rückholaktion für uns Gestrandete in Australien begonnen wird, damit wir endlich wieder mit unseren Familien vereint sind. Auch wenn die Lage in Australien besser ist als in Deutschland: Wer möchte lieber monatelang alleine am anderen Ende der Welt in Quarantäne sein als zu Hause mit seiner Familie?“

In ihrem Schreiben weist Emely Sopper auf eine Online-Petition hin. Sie ist auf www.openpetition.de zu finden und trägt den Titel „Rückholprogramm für Australien aufgrund des Covid-19 Virus“. Durch Unterschriften soll auf die Dringlichkeit der Lage hingewiesen werden.