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Landkreis Börde Denkmalschutz ja, aber mit Augenmaß

Gröningens Bürgermeister Ernst Brunner sieht Gebäude gefährdet, wenn es kein Umdenken und Kompromisse gibt.

Von Yvonne Heyer 21.02.2021, 00:01

Gröningen l Gröningens Bürgermeister Ernst Brunner ist so schnell nicht aus der Ruhe zu bringen. Doch bereits seit geraumer Zeit bringt ihn das Thema Denkmalschutz, vor allem das Agieren der unteren Denkmalschutzbehörde im Landkreis Börde, in Rage. Der wachsende Frust hat nicht nur etwas mit der geplanten Sanierung der Kindertagesstätte „Bodenspatzen“, ein Einzeldenkmal, zu tun. Gröningen ist eine alte Stadt an der Bode mit einem Stadtkern, der viele alte Gebäude aufweist, die unter Denkmalschutz stehen und zum Sanierungsgebiet gehören. Seit einigen Jahren schon ist die Stadt Gröningen im Städtebauförderprogramm „Kleinere Städte und Gemeinden“. In einer Broschüre des Bundesministeriums für Umwelt, Naturschutz, Bau und Reaktorsicherheit aus dem Jahr 2014 wird über Ergebnisse aus diesem Förderprogramm berichtet. Gröningen steht hier in einer Reihe mit Kommunen aus ganz Deutschland, von Mecklenburg-Vorpommern bis Bayern. Das Förderprogramm ist im vergangenen Jahr fortgeschrieben worden. Für die Bodestadt bedeutet dies, dass sie den begonnenen Weg fortsetzen kann.

Kehren wir zur Kita zurück: Ernst Brunner hat in seinen Unterlagen gekramt und ist dabei auf eine alte Zeichnung aus dem Jahr 1952 gestoßen. Seinerzeit war in der heutigen Gröninger Kindereinrichtung das Kulturhaus der Maschinen-Ausleih-Station (MAS) untergebracht. Schon damals seien Veränderungen an der Villa, welche nach dem 1. Weltkrieg entstand, vorgenommen worden.

Seit gut zwei Jahren kämpft, ja so muss es wohl bezeichnet werden, die Stadt darum, die Sanierung der Kindereinrichtung starten zu können. „Wobei wir die Sanierung schon seit 2013 auf dem Schirm haben“, betont Ernst Brunner. Mehrere Entwürfe für die Sanierung und den geplanten Anbau wurden seit 2019 eingereicht und seitens der Denkmalschutzbehörde immer wieder über den Haufen geworfen. Schließlich wurde im Juni eine Bauvoranfrage gestellt, die am 2. Dezember 2020 als Vorbescheid und damit als Grundlage für den Bauantrag der Stadt ins Haus flatterte.

In dem Vorbescheid stehen etliche Auflagen, die den Denkmalschutz betreffen. Die Auflagen befassen sich mit Materialien und Farben der Gebäudehülle, mit der Anordnung der Fenster und welche Materialien verwendet werden dürfen. So könnten am Neubau und im Wintergarten Metallfenster eingebaut werden, während für den Altbau nur Holzfenster infrage kommen. Am Neubau ist eine Verschattung möglich, am Altbau nicht. „Warum keine Verschattung im Altbau? Ich bin in Gröningen aufgewachsen und ich weiß, dass es auf der Südostseite des Gebäudes Fenster mit Holzrollos gab. Heute dürfen wir es nicht mehr. Auch der Vorbau war komplett überdacht, auch das ist verboten. Dabei wäre das für mich auch eine Frage der Sicherheit. Eine überdachte Treppe wird nicht nass und dort kann man dann auch nicht ausrutschen“, ist Ernst Brunner überzeugt. Das Stadtoberhaupt ist auch deshalb so verärgert über das Agieren des Denkmalschutzes, weil dieses ewige Hin und Her dafür gesorgt hat, dass die Sanierung der Kita erst im Jahr 2023 möglich sein wird. Für die bereits 2019 geflossenen Fördermittel musste die Stadt Zinsen zahlen. Zu dieser Zeit sollte die Sanierung 690.000 Euro kosten, jetzt sind die Kosten bei mehr als zwei Millionen Euro angekommen. Davon sind 1,56 Millionen Euro Fördermittel, der Eigenanteil Gröningens liegt inzwischen bei 783.400 Euro. „Ehe wir tatsächlich mit der Sanierung beginnen können, liegen wir garantiert bei mehr als drei Millionen Euro. Das ist für mich Steuerverschwendung“, macht der Bürgermeister deutlich. Sicher ist die Aufnahme in das Städtebauförderprogramm „Kleinere Städte und Gemeinden“ auch ein Segen und hat die Stadt voran gebracht. Aber wie lange kann sich Gröningen das noch leisten?

Inzwischen hat die Stadt Gröningen in Fortführung des Städtebauförderprogramms „Lebendige Zentren“ den Maßnahmekatalog fortgeschrieben und vom Land Sachsen-Anhalt auch so bestätigt bekommen. Hier ist das Projekt „Kindertagesstätte Bodespatzen“ erneut zu finden, aber eben erst in 2023. Das Agieren der unteren Denkmalschutzbehörde im Landkreis Börde ist Ernst Brunner schon länger ein Dorn im Auge, nicht nur wegen der Kita „Bodespatzen“. Im Altstadtkern von Gröningen, in Kloster Gröningen oder gar Heynburg gibt es viele alte Gebäude, die unter Denkmalschutz stehen. Diese an neue Besitzer zu bringen, ist ein schwieriges Unterfangen. „Und die Sache wird nicht einfacher, wenn die Behörde mit, in meinen Augen, völlig überzogenen Forderungen kommt. Ich bin der Meinung, dass bei Materialien und Farbgebung die Behörde Kompromiss anbieten muss. Ansonsten verprellen wir die Leute nur und immer mehr Häuser stehen leer und verfallen. Die Denkmalschutzbehörde sollte für die Bauherren da sein, ihnen helfen, beispielsweise hinsichtlich einer Beratung, welche Fördertöpfe für die Sanierung von denkmalgeschützten Häusern in Frage kommen. Nur Forderungen zu stellen, kann nicht die Lösung sein. In anderen Landkreisen klappt das besser“, ist Ernst Brunner überzeugt.

Wie auch von der Tatsache, dass denkmalgeschützte Gebäude nur erhalten werden können, wenn sie über Generationen mit Leben erfüllt sind. Die Häuser verfallen, wenn die Kinder der Hausbesitzer die Gebäude an Geldanleger im In- und Ausland verkaufen. Die neuen Hausbesitzer hingegen würden nichts an den Häusern machen. „Die Gebäude werden lediglich als Abschreibungsobjekte betrachtet. Von solchen Gebäuden gibt es in Gröningen schon zu viele. Wenn gerade die ältesten und einst schönsten Häuser verfallen, geht wirklich ein Stück Kulturgut verloren, welches seit 400 bis 600 Jahren in Grönigen Bestand hatte. Denkmalschutz bedeutet Augenmaß, auch beim Einsatz moderner Baustoffe. Das haben die Gröninger seit über 1000 Jahren praktiziert und damit ihre Stadt erhalten“, betont Ernst Brunner.

Die Vorgaben der Denkmalschutzbehörde im Landkreis Börde würden durch nicht zu rechtfertigende Auflagen zu Kostensteigerungen vor allem bei der Instandhaltung und damit zum Verfall der ländlichen Innenstädte führen. „Ist etwa von Seiten des Denkmalschutzes gewollt, den ländlichen Raum platt zu machen?, fragt Ernst Brunner.

Ute Burchardt hat als Leiterin des Bauordnungsamtes des Landkreises Börde die Anfrage der Volksstimme zum Thema Sanierung Kita Gröningen und Denkmalschutz beantwortet. Sie berichtet, dass dem Einreichen der Unterlagen zur Kita Sanierung im Februar und April 2020 auf Bauherrenwunsch örtliche Abstimmungstermine vorausgegangen sind, um grundlegende Eckpunkte des Denkmalschutzes und Brandschutzes abzustimmen.

Die zu prüfende Fragestellung im Vorbescheidsverfahren sei weit über den Denkmalschutz hinaus gegangen, so dass weitere Träger öffentlicher Belange beteiligt werden mussten. „Diese Vorgehensweise wurde mit dem Bauherren abgestimmt, da es für das spätere Baugenehmigungsverfahren hilfreich ist, die Belange der Fachämter im Vorab zu kennen. Unstrittig ist, dass ein Genehmigungsverfahren, bei dem es sich um eine bauliche Änderung und Erweiterung eines Baudenkmals handelt, einen längeren Zeitraum in Anspruch nehmen kann, bevor es zu einer einvernehmlichen Lösung zwischen Behörde und Bauherren kommt“, teilt Ute Buchhardt mit. Die nun vorliegende genehmigte Fassung zu Sanierung und Umbau der Kita sei eine Variante, bei der man aufeinander zugegangen ist, um eine beidseitige Lösung zu finden.

Mit der Erteilung des Vorbescheides Anfang Dezember 2020 sei eine Bearbeitungsdauer von sechs Monaten vergangen und nicht von zwei Jahren, weißt Ute Buchhardt die Vorwürfe gegen die Untere Denkmalschutzbehörde zurück.